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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Frühliiigsbilder

Ans welcher Latinas Namen, Jtalias
MachtfiMe ivuchs und Ruhm und des Reiches Glanz,
Der weit sich dehnt vom Svnnenanfgann
Bis zum hesperischen Abcndlnger!

Der preisende Dichter konnte im Genuß und Gefühl der glänzenden, mit allen
Reizen verfeinerter Kultur geschmückten Friedenszeit weder die Frevel der nach¬
folgenden Cäsaren noch die Flut der Barbaren vorausahnen, die dem Reiche
des Nugustns drohten. Als anderthalb Jahrtausende später der göttliche
Rafael nach seinem eignen Wunsch im Pantheon bestattet ward, fühlte man
wohl, daß er selbst unersetzlich sei, aber mau lebte noch in dem vollen Bewußtsein
einer Zeit und Bildung, die ihn erweckt und zu der Hohe seiner beglückenden
Kunst getragen hatte, man zählte, was dem Italien der Mediceer an Künstlern
und Dichtern, an großen schöpferischen Naturen aller Art, an hochgebildeten
Menschen uoch verblieb, und träumte weder von der nur sieben Jahre später
hereinbrechende" Verwüstung des Roms der Hochrenaissance, uoch von den
künftigen Scheiterhaufen der Philosophen und deu Galgen der Satiriker. An
Rafaels Grabe klagte das üppige und iuustsiuuige, das schöuheitstrnnkene und
geschmackvolle Rom Leos des Zehnte", empfand es als wohlbegründet, daß
dem herrlichen Künstler die Gruft in der schönheitsvollen Runde des antike"
Tempels bereitet wurde; doch eben dies Rom ahnte nicht, daß mit dem glänzendsten
Maler der Glanzzeit im Grnnde schon diese Zeit selbst zu Grabe getragen ward.

Nahe genug noch liegt uus die Erinnerung an Rafael und die Gestalt
des Künstlers; wenn sie je in unsrer Phantasie verblaßt war, gewinnt sie in
Rom, wo seine zahlreichsten Schöpfungen lebendig z" Sinnen und Seele
sprechen, wieder volles Leben. Die Gruft seiner Gedächtnistafel gegenüber aber
birgt die irdische Hülle des kriegerischen Königs unsrer Zeit, der den frechen
Hohn, mit dem man seinen Vater vor einem Menschenalter als die Limäli.
it'IWIW lächerlich zu machen meinte, in so gewaltiger Weise heimgezahlt und
vergolten hat. Der erste König des geeinigten Königreichs Italien, hat den
Einzug seiner Truppen in Rom im September 1870 noch um acht Jahre
überlebt. Aber sein Grabmal im Pantheon, die würdigste Ruhestätte, die
Viktor Emanuel zuteil werden konnte, ist das Denkmal des Abschlusses jener
ungeheuern erneuernden Umwälzung Italiens, deren Anfänge geistig genommen
in unabsehbare Fernen zurückreichen, in der Wirklichkeit aber von der größten
Zahl derer, die heute im Mannesalter stehen, mit erlebt worden sind. Ich
war ein Knabe, als am Abend des blutigen SchlachttagS von Novara (März
1849), der alle Hoffnungen der Italiener in den Staub zu treten schien, die
Krone des Königreichs Sardinien auf das Haupt des jugendlichen Viktor
Emanuel fiel, da sein Vater Karl Albert es fühlte, daß er die Niederlage der
Sache, der er sich geweiht hatte, nicht lange überleben werde, sie jedenfalls
als Herrscher nicht überleben wollte. Unter den unheilvollsten Umständen


Römische Frühliiigsbilder

Ans welcher Latinas Namen, Jtalias
MachtfiMe ivuchs und Ruhm und des Reiches Glanz,
Der weit sich dehnt vom Svnnenanfgann
Bis zum hesperischen Abcndlnger!

Der preisende Dichter konnte im Genuß und Gefühl der glänzenden, mit allen
Reizen verfeinerter Kultur geschmückten Friedenszeit weder die Frevel der nach¬
folgenden Cäsaren noch die Flut der Barbaren vorausahnen, die dem Reiche
des Nugustns drohten. Als anderthalb Jahrtausende später der göttliche
Rafael nach seinem eignen Wunsch im Pantheon bestattet ward, fühlte man
wohl, daß er selbst unersetzlich sei, aber mau lebte noch in dem vollen Bewußtsein
einer Zeit und Bildung, die ihn erweckt und zu der Hohe seiner beglückenden
Kunst getragen hatte, man zählte, was dem Italien der Mediceer an Künstlern
und Dichtern, an großen schöpferischen Naturen aller Art, an hochgebildeten
Menschen uoch verblieb, und träumte weder von der nur sieben Jahre später
hereinbrechende» Verwüstung des Roms der Hochrenaissance, uoch von den
künftigen Scheiterhaufen der Philosophen und deu Galgen der Satiriker. An
Rafaels Grabe klagte das üppige und iuustsiuuige, das schöuheitstrnnkene und
geschmackvolle Rom Leos des Zehnte», empfand es als wohlbegründet, daß
dem herrlichen Künstler die Gruft in der schönheitsvollen Runde des antike»
Tempels bereitet wurde; doch eben dies Rom ahnte nicht, daß mit dem glänzendsten
Maler der Glanzzeit im Grnnde schon diese Zeit selbst zu Grabe getragen ward.

Nahe genug noch liegt uus die Erinnerung an Rafael und die Gestalt
des Künstlers; wenn sie je in unsrer Phantasie verblaßt war, gewinnt sie in
Rom, wo seine zahlreichsten Schöpfungen lebendig z» Sinnen und Seele
sprechen, wieder volles Leben. Die Gruft seiner Gedächtnistafel gegenüber aber
birgt die irdische Hülle des kriegerischen Königs unsrer Zeit, der den frechen
Hohn, mit dem man seinen Vater vor einem Menschenalter als die Limäli.
it'IWIW lächerlich zu machen meinte, in so gewaltiger Weise heimgezahlt und
vergolten hat. Der erste König des geeinigten Königreichs Italien, hat den
Einzug seiner Truppen in Rom im September 1870 noch um acht Jahre
überlebt. Aber sein Grabmal im Pantheon, die würdigste Ruhestätte, die
Viktor Emanuel zuteil werden konnte, ist das Denkmal des Abschlusses jener
ungeheuern erneuernden Umwälzung Italiens, deren Anfänge geistig genommen
in unabsehbare Fernen zurückreichen, in der Wirklichkeit aber von der größten
Zahl derer, die heute im Mannesalter stehen, mit erlebt worden sind. Ich
war ein Knabe, als am Abend des blutigen SchlachttagS von Novara (März
1849), der alle Hoffnungen der Italiener in den Staub zu treten schien, die
Krone des Königreichs Sardinien auf das Haupt des jugendlichen Viktor
Emanuel fiel, da sein Vater Karl Albert es fühlte, daß er die Niederlage der
Sache, der er sich geweiht hatte, nicht lange überleben werde, sie jedenfalls
als Herrscher nicht überleben wollte. Unter den unheilvollsten Umständen


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[0347] Römische Frühliiigsbilder Ans welcher Latinas Namen, Jtalias MachtfiMe ivuchs und Ruhm und des Reiches Glanz, Der weit sich dehnt vom Svnnenanfgann Bis zum hesperischen Abcndlnger! Der preisende Dichter konnte im Genuß und Gefühl der glänzenden, mit allen Reizen verfeinerter Kultur geschmückten Friedenszeit weder die Frevel der nach¬ folgenden Cäsaren noch die Flut der Barbaren vorausahnen, die dem Reiche des Nugustns drohten. Als anderthalb Jahrtausende später der göttliche Rafael nach seinem eignen Wunsch im Pantheon bestattet ward, fühlte man wohl, daß er selbst unersetzlich sei, aber mau lebte noch in dem vollen Bewußtsein einer Zeit und Bildung, die ihn erweckt und zu der Hohe seiner beglückenden Kunst getragen hatte, man zählte, was dem Italien der Mediceer an Künstlern und Dichtern, an großen schöpferischen Naturen aller Art, an hochgebildeten Menschen uoch verblieb, und träumte weder von der nur sieben Jahre später hereinbrechende» Verwüstung des Roms der Hochrenaissance, uoch von den künftigen Scheiterhaufen der Philosophen und deu Galgen der Satiriker. An Rafaels Grabe klagte das üppige und iuustsiuuige, das schöuheitstrnnkene und geschmackvolle Rom Leos des Zehnte», empfand es als wohlbegründet, daß dem herrlichen Künstler die Gruft in der schönheitsvollen Runde des antike» Tempels bereitet wurde; doch eben dies Rom ahnte nicht, daß mit dem glänzendsten Maler der Glanzzeit im Grnnde schon diese Zeit selbst zu Grabe getragen ward. Nahe genug noch liegt uus die Erinnerung an Rafael und die Gestalt des Künstlers; wenn sie je in unsrer Phantasie verblaßt war, gewinnt sie in Rom, wo seine zahlreichsten Schöpfungen lebendig z» Sinnen und Seele sprechen, wieder volles Leben. Die Gruft seiner Gedächtnistafel gegenüber aber birgt die irdische Hülle des kriegerischen Königs unsrer Zeit, der den frechen Hohn, mit dem man seinen Vater vor einem Menschenalter als die Limäli. it'IWIW lächerlich zu machen meinte, in so gewaltiger Weise heimgezahlt und vergolten hat. Der erste König des geeinigten Königreichs Italien, hat den Einzug seiner Truppen in Rom im September 1870 noch um acht Jahre überlebt. Aber sein Grabmal im Pantheon, die würdigste Ruhestätte, die Viktor Emanuel zuteil werden konnte, ist das Denkmal des Abschlusses jener ungeheuern erneuernden Umwälzung Italiens, deren Anfänge geistig genommen in unabsehbare Fernen zurückreichen, in der Wirklichkeit aber von der größten Zahl derer, die heute im Mannesalter stehen, mit erlebt worden sind. Ich war ein Knabe, als am Abend des blutigen SchlachttagS von Novara (März 1849), der alle Hoffnungen der Italiener in den Staub zu treten schien, die Krone des Königreichs Sardinien auf das Haupt des jugendlichen Viktor Emanuel fiel, da sein Vater Karl Albert es fühlte, daß er die Niederlage der Sache, der er sich geweiht hatte, nicht lange überleben werde, sie jedenfalls als Herrscher nicht überleben wollte. Unter den unheilvollsten Umständen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/347>, abgerufen am 23.07.2024.