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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Fnihlingsbilder

selten in der Gewöhnung an elektrische Lichter ganz unempfänglich für den
Tag und die Sonne werden könnten. Unter der Kuppel des Pantheons zer¬
rinnen alle Zweifel an der dauernden Eindrncksfähigkeit des wahrhaft Er¬
habenen, und die tröstliche Empfindung, daß es el" Bleibendes gebe, quillt mit
dem Tageslicht von oben herab in die Seele. Den von vielen gerühmten
magischen Eindruck des Mondscheins in diesen Räumen habe ich durch einen
unglücklichen Zufall nicht genossen, habe aber doch die Pantheonskirche zu den
verschiedensten Tageszeiten betreten und stundenlang die tiefe und feierliche
Ruhe empfunden, die von dem wunderbaren Rund ausstrahlt. Das Auge,
durch das die gleichmäßige Beleuchtung gewonnen wird, hat nnr einen Mi߬
stand im Gefolge, daß es dem rauschenden römischen Frühlingsregen offen
steht. An zwei verschiednen Tagen fanden wir in der Mitte des schönen
Fußbodens eine völlige Wasserlache, an die man freilich nicht weiter denkt,
sobald man den Blick emporrichtet.

Als einziger vollständig, wenigstens annähernd vollständig, erhaltener
Bau des Altertums wird die Panthevnskirche die Phantasie jedes einzelnen,
der sie betritt, in die Tage des Oktavianus Augustus, deu Beginn der römischen
Kaiserzeit znrücklciten. Aber Einbildungskraft und Erinnerung könne" bei der
Zeit seiner Entstehung nicht verweilen, die beiden Hanptgrabmäler, die in,
sechzehnten und neunzehnten Jahrhundert i" den Nischen der Rotunde Auf¬
nahme gefunden haben, mahnen verständlich an die größten Zeiten, die Rom
seit dem Untergange der alten Welt gesehen Hai, und an die Wandlung der
Dinge, die vor zwei Jahrzehnten eingetreten ist. Links von der Eingangs¬
halle zeigt sich die Madvnuenstatue, die Lvreuzetto und Naffaello da Mvnte-
lnpo über Rafael Säntis Grab errichteten, prangt die Tafel mit Pietro
Bembvs Grabschrift für den Fürsten aller Maler. Rechts aber "eben der
großen Hauptnische erhebt sich mit Trophäen das eherne Grabmal Viktor
Emanuels, des ersten Königs des neuen Italiens. Das sind gewaltige Symbole,
und die Weihe, die dem Raume imiewohnt, teilt sich deu Empfindungen mit,
die uns angesichts dieser Grabmäler ergreifen. Das Pantheon scheint bestimmt,
Erinnerungsstätte an die große", im Laufe der Jahrhunderte nur selten wieder¬
kehrenden Augenblicke zu sein, wo daS Gefühl der Erhebung, des Glücks und
Gelingens siegreich vorwaltet, wo die Meuscheu nur Nüssen, was licht ist, und
sich der Furcht vor einer dunklern Zukunft entschlagen. Als Marcus Agrippa
in seinein dritten Konsnlat den Prachtbau des Tempels wölben und den sieben
Hauptgottheiten weihen ließ, hatte Cäsar Oktavian als Augustus eben die
friedliche Herrschaft über das römische Weltreich angetreten, und Horaz rühmte
die Zeit, die dem römischen Felde wieder der Früchte Pracht heimgegeben
habe, in der Cäsar als Hüter der Welt wache, sodaß weder Bürgerwahnsinn
noch Gewalt die Ruhe stören könne, in der Ianus' Tempel geschlossen und
die Tugend der alten Zeiten erneuert sei:


Römische Fnihlingsbilder

selten in der Gewöhnung an elektrische Lichter ganz unempfänglich für den
Tag und die Sonne werden könnten. Unter der Kuppel des Pantheons zer¬
rinnen alle Zweifel an der dauernden Eindrncksfähigkeit des wahrhaft Er¬
habenen, und die tröstliche Empfindung, daß es el» Bleibendes gebe, quillt mit
dem Tageslicht von oben herab in die Seele. Den von vielen gerühmten
magischen Eindruck des Mondscheins in diesen Räumen habe ich durch einen
unglücklichen Zufall nicht genossen, habe aber doch die Pantheonskirche zu den
verschiedensten Tageszeiten betreten und stundenlang die tiefe und feierliche
Ruhe empfunden, die von dem wunderbaren Rund ausstrahlt. Das Auge,
durch das die gleichmäßige Beleuchtung gewonnen wird, hat nnr einen Mi߬
stand im Gefolge, daß es dem rauschenden römischen Frühlingsregen offen
steht. An zwei verschiednen Tagen fanden wir in der Mitte des schönen
Fußbodens eine völlige Wasserlache, an die man freilich nicht weiter denkt,
sobald man den Blick emporrichtet.

Als einziger vollständig, wenigstens annähernd vollständig, erhaltener
Bau des Altertums wird die Panthevnskirche die Phantasie jedes einzelnen,
der sie betritt, in die Tage des Oktavianus Augustus, deu Beginn der römischen
Kaiserzeit znrücklciten. Aber Einbildungskraft und Erinnerung könne» bei der
Zeit seiner Entstehung nicht verweilen, die beiden Hanptgrabmäler, die in,
sechzehnten und neunzehnten Jahrhundert i» den Nischen der Rotunde Auf¬
nahme gefunden haben, mahnen verständlich an die größten Zeiten, die Rom
seit dem Untergange der alten Welt gesehen Hai, und an die Wandlung der
Dinge, die vor zwei Jahrzehnten eingetreten ist. Links von der Eingangs¬
halle zeigt sich die Madvnuenstatue, die Lvreuzetto und Naffaello da Mvnte-
lnpo über Rafael Säntis Grab errichteten, prangt die Tafel mit Pietro
Bembvs Grabschrift für den Fürsten aller Maler. Rechts aber »eben der
großen Hauptnische erhebt sich mit Trophäen das eherne Grabmal Viktor
Emanuels, des ersten Königs des neuen Italiens. Das sind gewaltige Symbole,
und die Weihe, die dem Raume imiewohnt, teilt sich deu Empfindungen mit,
die uns angesichts dieser Grabmäler ergreifen. Das Pantheon scheint bestimmt,
Erinnerungsstätte an die große», im Laufe der Jahrhunderte nur selten wieder¬
kehrenden Augenblicke zu sein, wo daS Gefühl der Erhebung, des Glücks und
Gelingens siegreich vorwaltet, wo die Meuscheu nur Nüssen, was licht ist, und
sich der Furcht vor einer dunklern Zukunft entschlagen. Als Marcus Agrippa
in seinein dritten Konsnlat den Prachtbau des Tempels wölben und den sieben
Hauptgottheiten weihen ließ, hatte Cäsar Oktavian als Augustus eben die
friedliche Herrschaft über das römische Weltreich angetreten, und Horaz rühmte
die Zeit, die dem römischen Felde wieder der Früchte Pracht heimgegeben
habe, in der Cäsar als Hüter der Welt wache, sodaß weder Bürgerwahnsinn
noch Gewalt die Ruhe stören könne, in der Ianus' Tempel geschlossen und
die Tugend der alten Zeiten erneuert sei:


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[0346] Römische Fnihlingsbilder selten in der Gewöhnung an elektrische Lichter ganz unempfänglich für den Tag und die Sonne werden könnten. Unter der Kuppel des Pantheons zer¬ rinnen alle Zweifel an der dauernden Eindrncksfähigkeit des wahrhaft Er¬ habenen, und die tröstliche Empfindung, daß es el» Bleibendes gebe, quillt mit dem Tageslicht von oben herab in die Seele. Den von vielen gerühmten magischen Eindruck des Mondscheins in diesen Räumen habe ich durch einen unglücklichen Zufall nicht genossen, habe aber doch die Pantheonskirche zu den verschiedensten Tageszeiten betreten und stundenlang die tiefe und feierliche Ruhe empfunden, die von dem wunderbaren Rund ausstrahlt. Das Auge, durch das die gleichmäßige Beleuchtung gewonnen wird, hat nnr einen Mi߬ stand im Gefolge, daß es dem rauschenden römischen Frühlingsregen offen steht. An zwei verschiednen Tagen fanden wir in der Mitte des schönen Fußbodens eine völlige Wasserlache, an die man freilich nicht weiter denkt, sobald man den Blick emporrichtet. Als einziger vollständig, wenigstens annähernd vollständig, erhaltener Bau des Altertums wird die Panthevnskirche die Phantasie jedes einzelnen, der sie betritt, in die Tage des Oktavianus Augustus, deu Beginn der römischen Kaiserzeit znrücklciten. Aber Einbildungskraft und Erinnerung könne» bei der Zeit seiner Entstehung nicht verweilen, die beiden Hanptgrabmäler, die in, sechzehnten und neunzehnten Jahrhundert i» den Nischen der Rotunde Auf¬ nahme gefunden haben, mahnen verständlich an die größten Zeiten, die Rom seit dem Untergange der alten Welt gesehen Hai, und an die Wandlung der Dinge, die vor zwei Jahrzehnten eingetreten ist. Links von der Eingangs¬ halle zeigt sich die Madvnuenstatue, die Lvreuzetto und Naffaello da Mvnte- lnpo über Rafael Säntis Grab errichteten, prangt die Tafel mit Pietro Bembvs Grabschrift für den Fürsten aller Maler. Rechts aber »eben der großen Hauptnische erhebt sich mit Trophäen das eherne Grabmal Viktor Emanuels, des ersten Königs des neuen Italiens. Das sind gewaltige Symbole, und die Weihe, die dem Raume imiewohnt, teilt sich deu Empfindungen mit, die uns angesichts dieser Grabmäler ergreifen. Das Pantheon scheint bestimmt, Erinnerungsstätte an die große», im Laufe der Jahrhunderte nur selten wieder¬ kehrenden Augenblicke zu sein, wo daS Gefühl der Erhebung, des Glücks und Gelingens siegreich vorwaltet, wo die Meuscheu nur Nüssen, was licht ist, und sich der Furcht vor einer dunklern Zukunft entschlagen. Als Marcus Agrippa in seinein dritten Konsnlat den Prachtbau des Tempels wölben und den sieben Hauptgottheiten weihen ließ, hatte Cäsar Oktavian als Augustus eben die friedliche Herrschaft über das römische Weltreich angetreten, und Horaz rühmte die Zeit, die dem römischen Felde wieder der Früchte Pracht heimgegeben habe, in der Cäsar als Hüter der Welt wache, sodaß weder Bürgerwahnsinn noch Gewalt die Ruhe stören könne, in der Ianus' Tempel geschlossen und die Tugend der alten Zeiten erneuert sei:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/346>, abgerufen am 23.07.2024.