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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Römische Fnchliugsl'liber

trat der neue König die Regierung der alten Erl'monarchie des Hauses
Savvhen an, aber unerschütterlich verharrte er in den Bahnen, die sein Vater
ihm sterbend gewiesen hatte, der alte Dichtertraum des Dante Alighieri und
der Traum se> vieler Tausende von italienischen Patrioten und Märtyrern,
der Traum von dein nationalen König des nenerstandnen Italiens, ward in ihm
und durch ihn Wahrheit, Die Gruft Viktor Emanuels im Pantheon zu Rom
ist die Vesiegeluug einer der größten weltgeschichtlichen Thatsachen, und ob sie
nnn allein bleibe und spätere Könige Italiens an andrer Stätte ruhen mögen
oder ob sie sich zur Familiengruft des im Quirinal hofhaltenden italienischen
Königshauses erweitere -- sie bezeichnet einen neuen großen Abschnitt in der
mehrtauseudjährigen Geschichte Roms, Wohl darf sich der erustgestimmte Be¬
schauer des von alten Kriegern des Königs --- Invaliden von Solferinv und
Custozza -- bewachten ehernen Sarkophags nicht verhehlen, daß in Rom eine
Macht und eine Stimmung fortlebt, die nichts inniger ersehnt, als die Gebeine
des lis -Mwwcmw ans dem Pantheon wieder hinauszuwerfen. Aber hoffen
und aus Herzensgrund wünschen darf man wohl, daß diese Neste, wie die
Rafaels, noch in Jahrhunderten an einen gewaltigen Wendepunkt in der Ge¬
schichte der ewigen Stadt mahnen werden.

Als ich das letzte mal am Grabe Viktor Emanuels stand, gab der selt¬
same Tag doppelte" Anlaß, an die Wandelbarkeit irdischer Herrlichkeit und die
Unsicherheit selbst der letzten heiligsten Ruhe gegenüber den Leidenschaften der
Menschen zu denken. Es war der Nachmittag des ersten Mai, im Innern
Roms war die Mehrzahl der Läden geschlossen, und neben den endlosen
Scharen der feiernden, übrigens mehr verdutzt als wild dreinschauenden sozia¬
listischen Arbeiter durchzogen lange Kolonnen von Karabinieri und Soldaten
die Straßen. Unwillkürlich traten vor den innern Blick Bilder einer mög¬
lichen verhängnisvollen Zerstörung, die auf diesem Boden freilich niemals den
Umwalzern selbst zu gute kommen würde. Wenn man dann die Ehrfurcht
wahrnahm, mit der auch Leute aus den untern Ständen sich dem Grabmal
des ersten italienischen Königs nahten, wenn man die Lorbeeren betrachtete,
mit denen die Gruft fort und fort geschmückt wird -- aus der Menge ragten
der Kranz, den unser .Kaiser Wilhelm II. am Sarge Viktor Emanuels nieder¬
gelegt, und zwei Kränze hervor, die Heer und Flotte Italiens frisch gespendet
hatten --, so verschwanden die Spukgespeuster des Tages und alle düstern
Zukunftsvisionen.

Aus dem Pantheon hinweg giebt es für den Wandrer, der in der ewigen
Stadt so viel und gegenüber der Ueberfülle doch so wenig geschaut und ge¬
nossen hat, nur noch einen Weg, den uralten zur Fontana Trevi, deren
silberhelles Wasser die Kraft haben soll, den sehnsüchtigen zur rechten Zeit
wieder nach Rom zurückzuführen. Wir haben getrunken, wie eS Brauch ist,
möge der Brunnen uus gegenüber seine segnende Kraft nicht verleugnen!




Römische Fnchliugsl'liber

trat der neue König die Regierung der alten Erl'monarchie des Hauses
Savvhen an, aber unerschütterlich verharrte er in den Bahnen, die sein Vater
ihm sterbend gewiesen hatte, der alte Dichtertraum des Dante Alighieri und
der Traum se> vieler Tausende von italienischen Patrioten und Märtyrern,
der Traum von dein nationalen König des nenerstandnen Italiens, ward in ihm
und durch ihn Wahrheit, Die Gruft Viktor Emanuels im Pantheon zu Rom
ist die Vesiegeluug einer der größten weltgeschichtlichen Thatsachen, und ob sie
nnn allein bleibe und spätere Könige Italiens an andrer Stätte ruhen mögen
oder ob sie sich zur Familiengruft des im Quirinal hofhaltenden italienischen
Königshauses erweitere — sie bezeichnet einen neuen großen Abschnitt in der
mehrtauseudjährigen Geschichte Roms, Wohl darf sich der erustgestimmte Be¬
schauer des von alten Kriegern des Königs —- Invaliden von Solferinv und
Custozza — bewachten ehernen Sarkophags nicht verhehlen, daß in Rom eine
Macht und eine Stimmung fortlebt, die nichts inniger ersehnt, als die Gebeine
des lis -Mwwcmw ans dem Pantheon wieder hinauszuwerfen. Aber hoffen
und aus Herzensgrund wünschen darf man wohl, daß diese Neste, wie die
Rafaels, noch in Jahrhunderten an einen gewaltigen Wendepunkt in der Ge¬
schichte der ewigen Stadt mahnen werden.

Als ich das letzte mal am Grabe Viktor Emanuels stand, gab der selt¬
same Tag doppelte» Anlaß, an die Wandelbarkeit irdischer Herrlichkeit und die
Unsicherheit selbst der letzten heiligsten Ruhe gegenüber den Leidenschaften der
Menschen zu denken. Es war der Nachmittag des ersten Mai, im Innern
Roms war die Mehrzahl der Läden geschlossen, und neben den endlosen
Scharen der feiernden, übrigens mehr verdutzt als wild dreinschauenden sozia¬
listischen Arbeiter durchzogen lange Kolonnen von Karabinieri und Soldaten
die Straßen. Unwillkürlich traten vor den innern Blick Bilder einer mög¬
lichen verhängnisvollen Zerstörung, die auf diesem Boden freilich niemals den
Umwalzern selbst zu gute kommen würde. Wenn man dann die Ehrfurcht
wahrnahm, mit der auch Leute aus den untern Ständen sich dem Grabmal
des ersten italienischen Königs nahten, wenn man die Lorbeeren betrachtete,
mit denen die Gruft fort und fort geschmückt wird — aus der Menge ragten
der Kranz, den unser .Kaiser Wilhelm II. am Sarge Viktor Emanuels nieder¬
gelegt, und zwei Kränze hervor, die Heer und Flotte Italiens frisch gespendet
hatten —, so verschwanden die Spukgespeuster des Tages und alle düstern
Zukunftsvisionen.

Aus dem Pantheon hinweg giebt es für den Wandrer, der in der ewigen
Stadt so viel und gegenüber der Ueberfülle doch so wenig geschaut und ge¬
nossen hat, nur noch einen Weg, den uralten zur Fontana Trevi, deren
silberhelles Wasser die Kraft haben soll, den sehnsüchtigen zur rechten Zeit
wieder nach Rom zurückzuführen. Wir haben getrunken, wie eS Brauch ist,
möge der Brunnen uus gegenüber seine segnende Kraft nicht verleugnen!




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[0348] Römische Fnchliugsl'liber trat der neue König die Regierung der alten Erl'monarchie des Hauses Savvhen an, aber unerschütterlich verharrte er in den Bahnen, die sein Vater ihm sterbend gewiesen hatte, der alte Dichtertraum des Dante Alighieri und der Traum se> vieler Tausende von italienischen Patrioten und Märtyrern, der Traum von dein nationalen König des nenerstandnen Italiens, ward in ihm und durch ihn Wahrheit, Die Gruft Viktor Emanuels im Pantheon zu Rom ist die Vesiegeluug einer der größten weltgeschichtlichen Thatsachen, und ob sie nnn allein bleibe und spätere Könige Italiens an andrer Stätte ruhen mögen oder ob sie sich zur Familiengruft des im Quirinal hofhaltenden italienischen Königshauses erweitere — sie bezeichnet einen neuen großen Abschnitt in der mehrtauseudjährigen Geschichte Roms, Wohl darf sich der erustgestimmte Be¬ schauer des von alten Kriegern des Königs —- Invaliden von Solferinv und Custozza — bewachten ehernen Sarkophags nicht verhehlen, daß in Rom eine Macht und eine Stimmung fortlebt, die nichts inniger ersehnt, als die Gebeine des lis -Mwwcmw ans dem Pantheon wieder hinauszuwerfen. Aber hoffen und aus Herzensgrund wünschen darf man wohl, daß diese Neste, wie die Rafaels, noch in Jahrhunderten an einen gewaltigen Wendepunkt in der Ge¬ schichte der ewigen Stadt mahnen werden. Als ich das letzte mal am Grabe Viktor Emanuels stand, gab der selt¬ same Tag doppelte» Anlaß, an die Wandelbarkeit irdischer Herrlichkeit und die Unsicherheit selbst der letzten heiligsten Ruhe gegenüber den Leidenschaften der Menschen zu denken. Es war der Nachmittag des ersten Mai, im Innern Roms war die Mehrzahl der Läden geschlossen, und neben den endlosen Scharen der feiernden, übrigens mehr verdutzt als wild dreinschauenden sozia¬ listischen Arbeiter durchzogen lange Kolonnen von Karabinieri und Soldaten die Straßen. Unwillkürlich traten vor den innern Blick Bilder einer mög¬ lichen verhängnisvollen Zerstörung, die auf diesem Boden freilich niemals den Umwalzern selbst zu gute kommen würde. Wenn man dann die Ehrfurcht wahrnahm, mit der auch Leute aus den untern Ständen sich dem Grabmal des ersten italienischen Königs nahten, wenn man die Lorbeeren betrachtete, mit denen die Gruft fort und fort geschmückt wird — aus der Menge ragten der Kranz, den unser .Kaiser Wilhelm II. am Sarge Viktor Emanuels nieder¬ gelegt, und zwei Kränze hervor, die Heer und Flotte Italiens frisch gespendet hatten —, so verschwanden die Spukgespeuster des Tages und alle düstern Zukunftsvisionen. Aus dem Pantheon hinweg giebt es für den Wandrer, der in der ewigen Stadt so viel und gegenüber der Ueberfülle doch so wenig geschaut und ge¬ nossen hat, nur noch einen Weg, den uralten zur Fontana Trevi, deren silberhelles Wasser die Kraft haben soll, den sehnsüchtigen zur rechten Zeit wieder nach Rom zurückzuführen. Wir haben getrunken, wie eS Brauch ist, möge der Brunnen uus gegenüber seine segnende Kraft nicht verleugnen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/348>, abgerufen am 23.07.2024.