Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.Der eiserne Rittmeister von Befiehl "lib Prust herab, zerbricht den Gipsverbaud, und siehe da - "Da stand der alte Rittmeister vor dem Bette aufrecht auf seine" Ulrich fiant schweige"d, vo" einem stillen Grauen gebändigt. Endlich "Sieh, mei" Soh", das ist das wahrhaft wahre Trauerspiel des mensch¬ Nun, da der Rittmeister humoristisch in seiner grimmig wilden Manier Von der Komik dieser und maucher andern Situation ist es schwer einen Der eiserne Rittmeister von Befiehl »lib Prust herab, zerbricht den Gipsverbaud, und siehe da - „Da stand der alte Rittmeister vor dem Bette aufrecht auf seine» Ulrich fiant schweige»d, vo» einem stillen Grauen gebändigt. Endlich »Sieh, mei» Soh», das ist das wahrhaft wahre Trauerspiel des mensch¬ Nun, da der Rittmeister humoristisch in seiner grimmig wilden Manier Von der Komik dieser und maucher andern Situation ist es schwer einen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208920"/> <fw type="header" place="top"> Der eiserne Rittmeister</fw><lb/> <p xml:id="ID_955" prev="#ID_954"> von Befiehl »lib Prust herab, zerbricht den Gipsverbaud, und siehe da -<lb/> hinter dem Pflaster und hinter dein Gips ist keine Wunde! Mur hat ein<lb/> erbärmliches Possenspiel mit ihm gespielt. Wie es dem )>>ittmeisler in diesem<lb/> erste» Augenblick zu Mute ist, erzählt uns Hoffmann (und das ist eilt Meister¬<lb/> streich!) gnr nicht; mir nachdem schon eine kleine Weile verstrichen ist, blicken wir<lb/> in die Szene, die nur nnr mit des Dichters eignen Worten mitteilen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_956"> „Da stand der alte Rittmeister vor dem Bette aufrecht auf seine»<lb/> Füßen, nnr mit dem Hemde bekleidet, das über der Brust weit offen stand.<lb/> In der Rechten schwang er seine Reitpeitsche, mit deren Knopf er die Reste<lb/> des Gipses von seineu Knöcheln zu klopfen beschäftigt war; die ^.'inke hielt das<lb/> große Pflaster, das er sich von der Brust gerissen. Er starrte den. Ein-<lb/> tretenden wirr entgegen, anscheinend ohne ihn anch nnr zu sehen, trat dann<lb/> still vor einen Spiegel und begann sich die kleineren Pflasterstreifeu laugsam vom<lb/> Gesichte abzulösen. Große Thränen ränne» ihm während dieser Arbeit über<lb/> die Wange».</p><lb/> <p xml:id="ID_957"> Ulrich fiant schweige»d, vo» einem stillen Grauen gebändigt. Endlich<lb/> drehte der Rittmeister sich nach ihm »>» »ut sagte mit eiuer feierlichen und<lb/> milden Ruhe, die ihn doppelt erschütterte:</p><lb/> <p xml:id="ID_958"> »Sieh, mei» Soh», das ist das wahrhaft wahre Trauerspiel des mensch¬<lb/> lichen Gebens. Sterben ist nichts, ist alltäglich, ist unser oller gemeines ^os.<lb/> Aber mit eigner, stolzer Hand die furchtbar heilige Pforte des Todes zu<lb/> öffnen und dahinter nichts andres zu finden, als einen schönen warmen<lb/> Misthaufen und einen grinsenden Affe» darauf, dich im Sturmesgrause» in<lb/> deu Schlund des Niagara z» stürze» und plötzlich mit den Knöcheln in einer<lb/> Entenpfntze zu Plätschern, mit den, gezückteii Schwert auf dem ritterliches Herz<lb/> zu zielen und mit dem abgleite»den einen Floh zu verwunden, das, mein liebes<lb/> Kind, das erst is! groß und »umschlich wahr, das ist die Volle»d»»g echter<lb/> Menschenwürde. Willst dn der Tugend ein Hans bauen, so laß es als einen<lb/> Meerkatzenkäfig gestaltet sein; darinnen soll sie wohnen und mit dem Steiße<lb/> hüpfe» und Gesichter schneide», und drnuße» stehe» die lustige» Kinder des<lb/> Lasters, die Menschen, und lachen und lachen und lache»! - Ich will auch<lb/> mit ihnen lachen und mir jetzt statt des ^.eichenkleides die Unterhosen an¬<lb/> ziehen.«"</p><lb/> <p xml:id="ID_959"> Nun, da der Rittmeister humoristisch in seiner grimmig wilden Manier<lb/> geworden ist, ist er kurirt, und wie er sich von nun an benimmt, ist ebenso<lb/> rührend als hinreißend groß und schön in aller Schlichtheit des um seine<lb/> naive Zuversicht in den kategorischen Imperativ gebrachten Kriegshelden.</p><lb/> <p xml:id="ID_960" next="#ID_961"> Von der Komik dieser und maucher andern Situation ist es schwer einen<lb/> Begriff zu geben; aber diese Mitteilungen werden doch zur Charakteristik des<lb/> Romans genügen. Man sieht: Hoffmann strebt die große Kunst an. Er<lb/> stellt sich auf klassischen Boden. Er ist bestrebt gewesen, den überquellenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
Der eiserne Rittmeister
von Befiehl »lib Prust herab, zerbricht den Gipsverbaud, und siehe da -
hinter dem Pflaster und hinter dein Gips ist keine Wunde! Mur hat ein
erbärmliches Possenspiel mit ihm gespielt. Wie es dem )>>ittmeisler in diesem
erste» Augenblick zu Mute ist, erzählt uns Hoffmann (und das ist eilt Meister¬
streich!) gnr nicht; mir nachdem schon eine kleine Weile verstrichen ist, blicken wir
in die Szene, die nur nnr mit des Dichters eignen Worten mitteilen können.
„Da stand der alte Rittmeister vor dem Bette aufrecht auf seine»
Füßen, nnr mit dem Hemde bekleidet, das über der Brust weit offen stand.
In der Rechten schwang er seine Reitpeitsche, mit deren Knopf er die Reste
des Gipses von seineu Knöcheln zu klopfen beschäftigt war; die ^.'inke hielt das
große Pflaster, das er sich von der Brust gerissen. Er starrte den. Ein-
tretenden wirr entgegen, anscheinend ohne ihn anch nnr zu sehen, trat dann
still vor einen Spiegel und begann sich die kleineren Pflasterstreifeu laugsam vom
Gesichte abzulösen. Große Thränen ränne» ihm während dieser Arbeit über
die Wange».
Ulrich fiant schweige»d, vo» einem stillen Grauen gebändigt. Endlich
drehte der Rittmeister sich nach ihm »>» »ut sagte mit eiuer feierlichen und
milden Ruhe, die ihn doppelt erschütterte:
»Sieh, mei» Soh», das ist das wahrhaft wahre Trauerspiel des mensch¬
lichen Gebens. Sterben ist nichts, ist alltäglich, ist unser oller gemeines ^os.
Aber mit eigner, stolzer Hand die furchtbar heilige Pforte des Todes zu
öffnen und dahinter nichts andres zu finden, als einen schönen warmen
Misthaufen und einen grinsenden Affe» darauf, dich im Sturmesgrause» in
deu Schlund des Niagara z» stürze» und plötzlich mit den Knöcheln in einer
Entenpfntze zu Plätschern, mit den, gezückteii Schwert auf dem ritterliches Herz
zu zielen und mit dem abgleite»den einen Floh zu verwunden, das, mein liebes
Kind, das erst is! groß und »umschlich wahr, das ist die Volle»d»»g echter
Menschenwürde. Willst dn der Tugend ein Hans bauen, so laß es als einen
Meerkatzenkäfig gestaltet sein; darinnen soll sie wohnen und mit dem Steiße
hüpfe» und Gesichter schneide», und drnuße» stehe» die lustige» Kinder des
Lasters, die Menschen, und lachen und lachen und lache»! - Ich will auch
mit ihnen lachen und mir jetzt statt des ^.eichenkleides die Unterhosen an¬
ziehen.«"
Nun, da der Rittmeister humoristisch in seiner grimmig wilden Manier
geworden ist, ist er kurirt, und wie er sich von nun an benimmt, ist ebenso
rührend als hinreißend groß und schön in aller Schlichtheit des um seine
naive Zuversicht in den kategorischen Imperativ gebrachten Kriegshelden.
Von der Komik dieser und maucher andern Situation ist es schwer einen
Begriff zu geben; aber diese Mitteilungen werden doch zur Charakteristik des
Romans genügen. Man sieht: Hoffmann strebt die große Kunst an. Er
stellt sich auf klassischen Boden. Er ist bestrebt gewesen, den überquellenden
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