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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Das allgemeine McchKccht

schiednen deutschen Staaten und faßten den Beschluß, ihre Regierungen "auf
das dringendste anzugehen, sobald als möglich das gesamte deutsche Vaterland
mit dem kräftigen Schutzwall einer Volksvertretung zu umgeben," Zugleich
verabredete man, dahin zu wirken, daß eine größere Anzahl von Männern
des allgemeinen Vertrauens aus allen deutschen Stämmen zusammentrete, um
jene Angelegenheit zu beraten und den Regierungen ihre Mitwirkung anzubieten.
Sieben Männer sollten hinsichtlich der Wahl und Einrichtung eines deutschen
Parlaments Vorschläge machen und die Einladungen zu der neuen Versamm¬
lung aufs schleunigste besorgen. Dieser am 30. März zu Frankfurt a. M.
eröffneten Versnmmlnng legte der erwähnte Ausschuß ein Programm vor, das
unter anderen eine Volksvertretung, hervorgehend ans Urwähler im Maßstabe
von 1:70000, in Aussicht nahm. Am 1. April fand die Beratung über die
Wahlen zum konstituirenden Parlament statt lind führte zu dem Beschluß,
"daß im allgemeinen mit Vorbehalt der Festsetzung der einzelnen Prinzipiell
die genauere Bestimmung des Wahlmodus den Vundesstaaten zu überlassen
sei." Als ein solches Prinzip aber, das allgemein bindend sein sollte, wurde
die Forderung aufgestellt, daß jeder selbständige und großjährige Bürger
ohne Unterschied des Standes, Vermögens oder Glaubens wahlberechtigt und
wählbar sei.

Unterdessen hatte sich auch der Bundestag, um nicht ganz in Vergessen¬
heit zu geraten, herbeigelassen, in dieser Sache etwas zu thun. Am 30. März
forderte er die Regierungen auf, "in ihren dem deutschen Staateushstem an-
gehörigen Provinzen auf verfassungsmäßig bestehenden oder sofort einzu¬
führendem Wege Wahlen von Nationalvertretern anzuordnen." Infolge dessen
befahl der König von Preußen am 3. April dem Vereinigten Landtag, die zu
der Frankfurter Versammlung abzuorduenden Vertreter zu ernennen, und um
6. vollzogen die Stände die Wahlen. Aber an demselben Tage erhob sich
gegen dieses Vorgehen der preußischen Regierung ein lauter Widerspruch. Eine
Versammlung zu Köln beschloß eine Adresse, die in scharfen Worten die Auf¬
hebung der Verordnung vom 3. April und eine andre Grundlage für die
Parlamentswahlen verlangte. Auch das Vorparlament verwahrte sich an:
7. April gegen das in Preußen beabsichtigte Verfahren und richtete an die
Regierungen ein Schreiben, das mit den Worten schloß: "Die süddeutschen
und gewiß auch ein Teil der norddeutsche" Staaten senden Männer, welche
das Volk gewählt hat. Diese werden nie lind nimmer mit Abgeordneten, die
von den Ständekammern gewählt sind, sich vereinigen können. Lediglich von
Männern des Volkes sind Beschlüsse zu erwarten, die dem Volke genügen. . . .
Der unterzeichnete Ausschuß fordert daher alle Regierungen auf: die Wahl
der Abgeordneten zu der konstituirenden Nationalversammlung sofort nach
Maßgabe der anliegenden Beschlüsse anzuordnen und uns in kürzester Frist
mitzuteilen, daß diese Anordnung geschehen ist."


Das allgemeine McchKccht

schiednen deutschen Staaten und faßten den Beschluß, ihre Regierungen „auf
das dringendste anzugehen, sobald als möglich das gesamte deutsche Vaterland
mit dem kräftigen Schutzwall einer Volksvertretung zu umgeben," Zugleich
verabredete man, dahin zu wirken, daß eine größere Anzahl von Männern
des allgemeinen Vertrauens aus allen deutschen Stämmen zusammentrete, um
jene Angelegenheit zu beraten und den Regierungen ihre Mitwirkung anzubieten.
Sieben Männer sollten hinsichtlich der Wahl und Einrichtung eines deutschen
Parlaments Vorschläge machen und die Einladungen zu der neuen Versamm¬
lung aufs schleunigste besorgen. Dieser am 30. März zu Frankfurt a. M.
eröffneten Versnmmlnng legte der erwähnte Ausschuß ein Programm vor, das
unter anderen eine Volksvertretung, hervorgehend ans Urwähler im Maßstabe
von 1:70000, in Aussicht nahm. Am 1. April fand die Beratung über die
Wahlen zum konstituirenden Parlament statt lind führte zu dem Beschluß,
„daß im allgemeinen mit Vorbehalt der Festsetzung der einzelnen Prinzipiell
die genauere Bestimmung des Wahlmodus den Vundesstaaten zu überlassen
sei." Als ein solches Prinzip aber, das allgemein bindend sein sollte, wurde
die Forderung aufgestellt, daß jeder selbständige und großjährige Bürger
ohne Unterschied des Standes, Vermögens oder Glaubens wahlberechtigt und
wählbar sei.

Unterdessen hatte sich auch der Bundestag, um nicht ganz in Vergessen¬
heit zu geraten, herbeigelassen, in dieser Sache etwas zu thun. Am 30. März
forderte er die Regierungen auf, „in ihren dem deutschen Staateushstem an-
gehörigen Provinzen auf verfassungsmäßig bestehenden oder sofort einzu¬
führendem Wege Wahlen von Nationalvertretern anzuordnen." Infolge dessen
befahl der König von Preußen am 3. April dem Vereinigten Landtag, die zu
der Frankfurter Versammlung abzuorduenden Vertreter zu ernennen, und um
6. vollzogen die Stände die Wahlen. Aber an demselben Tage erhob sich
gegen dieses Vorgehen der preußischen Regierung ein lauter Widerspruch. Eine
Versammlung zu Köln beschloß eine Adresse, die in scharfen Worten die Auf¬
hebung der Verordnung vom 3. April und eine andre Grundlage für die
Parlamentswahlen verlangte. Auch das Vorparlament verwahrte sich an:
7. April gegen das in Preußen beabsichtigte Verfahren und richtete an die
Regierungen ein Schreiben, das mit den Worten schloß: „Die süddeutschen
und gewiß auch ein Teil der norddeutsche» Staaten senden Männer, welche
das Volk gewählt hat. Diese werden nie lind nimmer mit Abgeordneten, die
von den Ständekammern gewählt sind, sich vereinigen können. Lediglich von
Männern des Volkes sind Beschlüsse zu erwarten, die dem Volke genügen. . . .
Der unterzeichnete Ausschuß fordert daher alle Regierungen auf: die Wahl
der Abgeordneten zu der konstituirenden Nationalversammlung sofort nach
Maßgabe der anliegenden Beschlüsse anzuordnen und uns in kürzester Frist
mitzuteilen, daß diese Anordnung geschehen ist."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/212>, abgerufen am 25.08.2024.