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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Zur Frage der Besetzung des Bischofsstlchls in sera>s;l"irg

ist das Konkordat von 1801 in Luxemburg nie aufgehoben U'orden. Bei der
Erledigung des Bistums 188^! hat der päpstliche Internuntius der Regierung
eine Liste mitgeteilt, mit der Bitte, mißliebige Namen zu streichen.

Wenn wir uns diesen Gang der Dinge zu Gemüte führen, so mochten
wir vor allem vor allzu hoch gespannten Erwartungen über das Bevorstehende
warnen. Es handelt sich nicht darum, alte Rechtsfragen aufzutragen, sondern
darum, neues Recht zu schaffen, nicht darum, bei dieser sich bietenden Ge¬
legenheit zeitgenössischen liberalen Anschauungen Genugthuung zu bereiten und
einem unversöhnlichen Gegner Zugeständnisse abzuringen, sondern es ist Auf¬
gabe des Staates, einen der Würde des Staates und des deutscheu Reiches ent¬
sprechenden erträglichen Zustand zu schaffen; eine Gelegenheit zur endgiltigen
Abrechnung ist nicht geboten. In dem zum Teile mitleidencrregenden Ver¬
halten der luxemburgischen Regierung begegnen wir doch einem 1871 aus¬
gesprochenen anerkennenswerten Satze, "daß der Nachteil der Konkordate durch
die Schwierigkeiten, die sie hervorrufen, meist größer sei, als die Vorteile."
Da wir aber ein Konkordat besitzen, so wird auch daran festzuhalten sein; die
Novelle zum Konkordat aber müssen wir mit großem Gleichmut behandeln.
Wir stehen hier nicht vor einer Kraftmessnng zwischen Staat und Kirche, der
wir mit hochgezogenen Augenbrauen beiwohnen mögen, sondern vor einer
Probe der Besonnenheit und Mäßigung. Mau möge nie vergessen, daß der
Papst, seitdem er nicht mehr wie früher als weltlicher Herrscher eine gewisse
la-sÄLe vuInur-M" besitzt, zum Vorteile der kirchlichen Fragen dem Staate an
llnverantwvrtlichkeit weit überlegen geworden ist. Gerade dieser Umstand muß
aber den Staat bestimmen, sich nicht auf ein ungünstiges Feld drängen zu
lassen. Alis die Personalfrage ist kein übermäßiger Wert zu legen. Der
künftige Bischof muß ein Deutscher sein nach dem Gesetze -- das genügt. Was
sollen U>ir für Vorteile von dieser oder jener besondern Eigenschaft erwarten?
Von dem Angenblick der Ernennung an ist ein Bischof den Einflüssen, die ihm
etwa zum Sitze verholfen habe", völlig entzogen; es kann sich nur um Fragen
des Temperaments handeln. Die Negierung selbst aber wird im Verkehr mit
Bischöfen immer das Nichtige treffen, wenn sie des Rates eingedenk bleibt, den
Malesherbes der französischen Regierung gegeben hat, bei den Beziehungen zu
diesen Herren ängstlich den Schein von Negoziativnen zu vermeiden, da der
Bischof als Diener der Kurie Zugeständnisse nicht machen, als Unterthan des
Staates aber Bedingungen nicht stellen kann. Die meisten Mißstände im
Kulturkämpfe siud durch Strebereien eutstmiden, wobei man sich in den Ruf
hochgradiger Verschmitztheit oder besondern Einflusses hüben oder drüben setzen
wollte.

Die bisherigen Verhandlungen zwischen Staat und Kirche haben drei Er¬
gebnisse gehabt, die verdienen, erwähnt zu werden, wenn auch ans die Sache
nachträglich uicht mehr zurückzukommen ist, was gar nicht nötig ist. Unerörtcrt


Zur Frage der Besetzung des Bischofsstlchls in sera>s;l»irg

ist das Konkordat von 1801 in Luxemburg nie aufgehoben U'orden. Bei der
Erledigung des Bistums 188^! hat der päpstliche Internuntius der Regierung
eine Liste mitgeteilt, mit der Bitte, mißliebige Namen zu streichen.

Wenn wir uns diesen Gang der Dinge zu Gemüte führen, so mochten
wir vor allem vor allzu hoch gespannten Erwartungen über das Bevorstehende
warnen. Es handelt sich nicht darum, alte Rechtsfragen aufzutragen, sondern
darum, neues Recht zu schaffen, nicht darum, bei dieser sich bietenden Ge¬
legenheit zeitgenössischen liberalen Anschauungen Genugthuung zu bereiten und
einem unversöhnlichen Gegner Zugeständnisse abzuringen, sondern es ist Auf¬
gabe des Staates, einen der Würde des Staates und des deutscheu Reiches ent¬
sprechenden erträglichen Zustand zu schaffen; eine Gelegenheit zur endgiltigen
Abrechnung ist nicht geboten. In dem zum Teile mitleidencrregenden Ver¬
halten der luxemburgischen Regierung begegnen wir doch einem 1871 aus¬
gesprochenen anerkennenswerten Satze, „daß der Nachteil der Konkordate durch
die Schwierigkeiten, die sie hervorrufen, meist größer sei, als die Vorteile."
Da wir aber ein Konkordat besitzen, so wird auch daran festzuhalten sein; die
Novelle zum Konkordat aber müssen wir mit großem Gleichmut behandeln.
Wir stehen hier nicht vor einer Kraftmessnng zwischen Staat und Kirche, der
wir mit hochgezogenen Augenbrauen beiwohnen mögen, sondern vor einer
Probe der Besonnenheit und Mäßigung. Mau möge nie vergessen, daß der
Papst, seitdem er nicht mehr wie früher als weltlicher Herrscher eine gewisse
la-sÄLe vuInur-M« besitzt, zum Vorteile der kirchlichen Fragen dem Staate an
llnverantwvrtlichkeit weit überlegen geworden ist. Gerade dieser Umstand muß
aber den Staat bestimmen, sich nicht auf ein ungünstiges Feld drängen zu
lassen. Alis die Personalfrage ist kein übermäßiger Wert zu legen. Der
künftige Bischof muß ein Deutscher sein nach dem Gesetze — das genügt. Was
sollen U>ir für Vorteile von dieser oder jener besondern Eigenschaft erwarten?
Von dem Angenblick der Ernennung an ist ein Bischof den Einflüssen, die ihm
etwa zum Sitze verholfen habe», völlig entzogen; es kann sich nur um Fragen
des Temperaments handeln. Die Negierung selbst aber wird im Verkehr mit
Bischöfen immer das Nichtige treffen, wenn sie des Rates eingedenk bleibt, den
Malesherbes der französischen Regierung gegeben hat, bei den Beziehungen zu
diesen Herren ängstlich den Schein von Negoziativnen zu vermeiden, da der
Bischof als Diener der Kurie Zugeständnisse nicht machen, als Unterthan des
Staates aber Bedingungen nicht stellen kann. Die meisten Mißstände im
Kulturkämpfe siud durch Strebereien eutstmiden, wobei man sich in den Ruf
hochgradiger Verschmitztheit oder besondern Einflusses hüben oder drüben setzen
wollte.

Die bisherigen Verhandlungen zwischen Staat und Kirche haben drei Er¬
gebnisse gehabt, die verdienen, erwähnt zu werden, wenn auch ans die Sache
nachträglich uicht mehr zurückzukommen ist, was gar nicht nötig ist. Unerörtcrt


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[0120] Zur Frage der Besetzung des Bischofsstlchls in sera>s;l»irg ist das Konkordat von 1801 in Luxemburg nie aufgehoben U'orden. Bei der Erledigung des Bistums 188^! hat der päpstliche Internuntius der Regierung eine Liste mitgeteilt, mit der Bitte, mißliebige Namen zu streichen. Wenn wir uns diesen Gang der Dinge zu Gemüte führen, so mochten wir vor allem vor allzu hoch gespannten Erwartungen über das Bevorstehende warnen. Es handelt sich nicht darum, alte Rechtsfragen aufzutragen, sondern darum, neues Recht zu schaffen, nicht darum, bei dieser sich bietenden Ge¬ legenheit zeitgenössischen liberalen Anschauungen Genugthuung zu bereiten und einem unversöhnlichen Gegner Zugeständnisse abzuringen, sondern es ist Auf¬ gabe des Staates, einen der Würde des Staates und des deutscheu Reiches ent¬ sprechenden erträglichen Zustand zu schaffen; eine Gelegenheit zur endgiltigen Abrechnung ist nicht geboten. In dem zum Teile mitleidencrregenden Ver¬ halten der luxemburgischen Regierung begegnen wir doch einem 1871 aus¬ gesprochenen anerkennenswerten Satze, „daß der Nachteil der Konkordate durch die Schwierigkeiten, die sie hervorrufen, meist größer sei, als die Vorteile." Da wir aber ein Konkordat besitzen, so wird auch daran festzuhalten sein; die Novelle zum Konkordat aber müssen wir mit großem Gleichmut behandeln. Wir stehen hier nicht vor einer Kraftmessnng zwischen Staat und Kirche, der wir mit hochgezogenen Augenbrauen beiwohnen mögen, sondern vor einer Probe der Besonnenheit und Mäßigung. Mau möge nie vergessen, daß der Papst, seitdem er nicht mehr wie früher als weltlicher Herrscher eine gewisse la-sÄLe vuInur-M« besitzt, zum Vorteile der kirchlichen Fragen dem Staate an llnverantwvrtlichkeit weit überlegen geworden ist. Gerade dieser Umstand muß aber den Staat bestimmen, sich nicht auf ein ungünstiges Feld drängen zu lassen. Alis die Personalfrage ist kein übermäßiger Wert zu legen. Der künftige Bischof muß ein Deutscher sein nach dem Gesetze — das genügt. Was sollen U>ir für Vorteile von dieser oder jener besondern Eigenschaft erwarten? Von dem Angenblick der Ernennung an ist ein Bischof den Einflüssen, die ihm etwa zum Sitze verholfen habe», völlig entzogen; es kann sich nur um Fragen des Temperaments handeln. Die Negierung selbst aber wird im Verkehr mit Bischöfen immer das Nichtige treffen, wenn sie des Rates eingedenk bleibt, den Malesherbes der französischen Regierung gegeben hat, bei den Beziehungen zu diesen Herren ängstlich den Schein von Negoziativnen zu vermeiden, da der Bischof als Diener der Kurie Zugeständnisse nicht machen, als Unterthan des Staates aber Bedingungen nicht stellen kann. Die meisten Mißstände im Kulturkämpfe siud durch Strebereien eutstmiden, wobei man sich in den Ruf hochgradiger Verschmitztheit oder besondern Einflusses hüben oder drüben setzen wollte. Die bisherigen Verhandlungen zwischen Staat und Kirche haben drei Er¬ gebnisse gehabt, die verdienen, erwähnt zu werden, wenn auch ans die Sache nachträglich uicht mehr zurückzukommen ist, was gar nicht nötig ist. Unerörtcrt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/120>, abgerufen am 23.07.2024.