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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Alnmnemnserimiermigett

Hunger, fror oder schwitzte diebisch, freute oder ärgerte sich diebisch, belämmerte
einen diebisch, bekam dafür diebische Prügel u, f. w. Ein andermal überboten
wir uns darin, an einen beliebigen Wortstamm alle möglichen und unmöglichen
griechischen, lateinischen, französischen und italieuischenAdjektivendnngen zu hängen:
kolossal, kvlvssiv, kvlvssubel, kvlvssin, kolossär, kvlvssesk u. s. w. Wieder ein
andermal war die lächerliche Zahlangabe "zwei bis sieben" Mode, dann wieder
die "Geschwindigkeit des Mokkakäfers," man sollte sogar einen Auftrag "mit der
Geschwindigkeit von zwei bis sieben Mokkatafern" ausführen. Ebenso erfinderisch
waren wir um auch in Spitznamen; jeder Lehrer hatte den seinen, wir alle
hatten uuter einander welche, es wurde niemand anders als mit seinem. Spitz¬
namen genannt. Da hieß der eine Pupvater, der andre Hundemama, ein
dritter Davus, ein vierter Cacus, ein fünfter Schvppelmann, ein sechster
Schweppermann u. s. w. Woher die Namen stammten, wußte man keineswegs
immer zu sagen. Daß ein kleiner dummer Kerl, dem die Dummheit im Ge¬
sichte stand, und der alle Austräge falsch ausrichtete, nach dem Diener aus
der Andria genannt wurde, der selbst vou sich gesteht: Davu" 8oru, non
OöcllputZ, einem großen ungeschlachten Kerl der Name Cacus anflog, sobald in
Ovids Fasten die Geschichte vom. Herkules und Cacus gelesen wurde, ist
wohl kein Wunder. Aber es gab auch Namen, deren Herkunft dunkel war.
Aber auch ihre Schöpfung mußte doch auf einer glücklichen Eingebung beruhen,
denn sie.schienen mit dem Wesen oder einer Wesensseite der Betreffenden wie
durch eine geheime uveWÄtus verknüpft, und sie hatten dabei unleugbar einen
onomatopoetischen Reiz. Zu ihnen gehörte auch der Name Bambel. Das
ganze Wesen des Bambel war so durchaus bambelhaft, daß ein besserer Name
für ihn ganz "unerfindlich" gewesen wäre -- hier paßt einmal das Wort.

Die Thätigkeit des Bambel bestand darin, uns früh zu wecken und im
Winter für Feuer und Licht zu sorge". Unsre Tagesordnung war kurz
folgende. Im Sommerhalbjahr, von Ostern bis Michaeli, wurde früh dreiviertel
fünf Uhr geweckt, einViertel sechs Uhr begann die "Arbeitsstunde," die bis
einhalb sieben Uhr dauerte, dann blieb eine halbe Stunde Zeit zum. Ankleiden
und Frühstücken, von sieben (genauer einViertel acht) bis elf Uhr waren Schul¬
stunden. Im Winterhalbjahr rückte das alles um eine Stunde vor. Nach
dein Vormittagsunterricht folgte dann irgend welcher Chordienst, Singestnnde
oder anch sreie Zeit, um zwölf Uhr im Sommer, um ein Uhr im Winter
wurde zu Mittag gegessen. Von zwei bis vier Uhr waren wieder Schul¬
stunden, dann kam wieder freie Zeit und abends von halb sieben bis neun Uhr
wieder Arbeitsstunde, dann gings zu Bett.

Wer einen leisen Morgenschlaf hatte, hörte den Bambel schon über die
Tablate schlürfen und den Klöppel der Weckerglocke in seiner Hand klirren,
noch ehe sie kündete. Eine Minute später stand er im Schlafsaal, schwang das
verwünschte Werkzeug in der Hand und brummte dabei: "Immer munter,


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Hunger, fror oder schwitzte diebisch, freute oder ärgerte sich diebisch, belämmerte
einen diebisch, bekam dafür diebische Prügel u, f. w. Ein andermal überboten
wir uns darin, an einen beliebigen Wortstamm alle möglichen und unmöglichen
griechischen, lateinischen, französischen und italieuischenAdjektivendnngen zu hängen:
kolossal, kvlvssiv, kvlvssubel, kvlvssin, kolossär, kvlvssesk u. s. w. Wieder ein
andermal war die lächerliche Zahlangabe „zwei bis sieben" Mode, dann wieder
die „Geschwindigkeit des Mokkakäfers," man sollte sogar einen Auftrag „mit der
Geschwindigkeit von zwei bis sieben Mokkatafern" ausführen. Ebenso erfinderisch
waren wir um auch in Spitznamen; jeder Lehrer hatte den seinen, wir alle
hatten uuter einander welche, es wurde niemand anders als mit seinem. Spitz¬
namen genannt. Da hieß der eine Pupvater, der andre Hundemama, ein
dritter Davus, ein vierter Cacus, ein fünfter Schvppelmann, ein sechster
Schweppermann u. s. w. Woher die Namen stammten, wußte man keineswegs
immer zu sagen. Daß ein kleiner dummer Kerl, dem die Dummheit im Ge¬
sichte stand, und der alle Austräge falsch ausrichtete, nach dem Diener aus
der Andria genannt wurde, der selbst vou sich gesteht: Davu» 8oru, non
OöcllputZ, einem großen ungeschlachten Kerl der Name Cacus anflog, sobald in
Ovids Fasten die Geschichte vom. Herkules und Cacus gelesen wurde, ist
wohl kein Wunder. Aber es gab auch Namen, deren Herkunft dunkel war.
Aber auch ihre Schöpfung mußte doch auf einer glücklichen Eingebung beruhen,
denn sie.schienen mit dem Wesen oder einer Wesensseite der Betreffenden wie
durch eine geheime uveWÄtus verknüpft, und sie hatten dabei unleugbar einen
onomatopoetischen Reiz. Zu ihnen gehörte auch der Name Bambel. Das
ganze Wesen des Bambel war so durchaus bambelhaft, daß ein besserer Name
für ihn ganz „unerfindlich" gewesen wäre — hier paßt einmal das Wort.

Die Thätigkeit des Bambel bestand darin, uns früh zu wecken und im
Winter für Feuer und Licht zu sorge». Unsre Tagesordnung war kurz
folgende. Im Sommerhalbjahr, von Ostern bis Michaeli, wurde früh dreiviertel
fünf Uhr geweckt, einViertel sechs Uhr begann die „Arbeitsstunde," die bis
einhalb sieben Uhr dauerte, dann blieb eine halbe Stunde Zeit zum. Ankleiden
und Frühstücken, von sieben (genauer einViertel acht) bis elf Uhr waren Schul¬
stunden. Im Winterhalbjahr rückte das alles um eine Stunde vor. Nach
dein Vormittagsunterricht folgte dann irgend welcher Chordienst, Singestnnde
oder anch sreie Zeit, um zwölf Uhr im Sommer, um ein Uhr im Winter
wurde zu Mittag gegessen. Von zwei bis vier Uhr waren wieder Schul¬
stunden, dann kam wieder freie Zeit und abends von halb sieben bis neun Uhr
wieder Arbeitsstunde, dann gings zu Bett.

Wer einen leisen Morgenschlaf hatte, hörte den Bambel schon über die
Tablate schlürfen und den Klöppel der Weckerglocke in seiner Hand klirren,
noch ehe sie kündete. Eine Minute später stand er im Schlafsaal, schwang das
verwünschte Werkzeug in der Hand und brummte dabei: „Immer munter,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/98>, abgerufen am 29.06.2024.