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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Träger nicht länger in der Gemeinde lassen. Wir wissen aus dem Verfahren
des Paulus, wie streng dieser auf Gemeindezucht drang, wenn er verlangte,
daß ein blutschänderisches Mitglied der Korinthischen Gemeinde aus ihrer
Mitte "hinweggethan" würde (I. Kor. 4, 21). Er selbst will mit der Rute
zu ihnen kommen (1. Kor. 4, 21) und stellt schon jetzt ein Stmfwnnder
an dem Blutschänder in Aussicht (1. Kor. l>, 3 ff.): "Denn ich, obwohl dem
Leibe uach abwesend, doch mit dem Geiste anwesend, habe schon beschlossen,
als ob ich anwesend wäre, über den, der solches also verübt hat: in dein
Namen unsers Herrn Jesu Christi, wenn ihr versammelt seid und mein Geist
mit der Kraft unsers Herrn Jesu Christi bei euch ist, denselbigen (Sünder)
dem Satanas zum Verderben des Fleisches zu übergeben, auf daß der Geist
gerettet werde am Tage des Herrn." Das hier gefällte Urteil ist ja seinen,
Wortlaut nach ziemlich dunkel. Die meisten Erklärer meinen, Paulus habe
damit eine Krankheit über den Schuldigen verhängen wollen in dem Augen¬
blicke, wo sich die Christengemeinde in Korinth versammelt habe, und habe sich
diese Wunderkraft zugetraut. Das meint auch Hausrath, wenn er sagt: "Was
also Paulus kraft seiner apostolische" Gewalt und Wundergabe thun würde,
wäre er jetzt in Korinth, übertrüge er der Gemeindeversammlung, und er will
im Geiste anwesend sein mit der eigentümlichen Kraft Jesu, mit der er sich
ausgestattet weiß. Sie wird bewirken, daß der Ausgestoßene dein Satan ver¬
füllt und dieser seinem Fleische zusetzt mit Krankheit und Pein bis zum Unter-
gnug, damit der Geist Buße thue und gerettet werde für den Tag des Reiches."
Und nicht nur damit scheint Hausrath das Richtige getroffen zu haben, sondern
auch darin scheint er Recht zu haben, daß er diesem Urteil die Tragweite
eines Todesurteils giebt. Auch die Worte: "Schaffet den Bösen hinweg aus
eurer Mitte" deuten am natürlichsten darauf. Berechtigt zu solchem Urteil war
Paulus, der Schiller der Schriftgelehrten, wenn er das jüdische Recht befragte,
das in mehreren Stellen Blutschande mit der Stiefmutter mit dein Tod be¬
strafte (5. Mos. 22, 30; 27, 20; 3. Mos. 1", 8; 20, 11). Und da er als
mit dem Leibe abwesend dieses Todesurteil fällt, so muß er es mit dem Be¬
wußtsein gethan haben, ,,daß Gott, der Leben und Tod in seine Hand gelegt
habe, das Urteil ohne menschliches Zuthun vollziehe" werde."

Wie Paulus mit diesem Urteil gefahren ist, das geht uns hier nichts
weiter an. Genug, wir finden aus apostolischer Zeit ein Beispiel von
Disziplin, das mit dem Befehl, den Sünder dein Satanas zu übergeben, die
Todesstrafe zu verhängen schien. Daneben finden wir für mildere Vergehen
den Ausschluß aus der Gemeinde, wie 1. Kor. 5, 9 bis 13: "Jetzt aber habe
ich euch geschrieben, ihr sollt nicht mit dem Verkehren, wenn einer, der den
Rrudernamen trägt, Hurer ist, oder Geiziger, oder Götzendiener, oder Lästerer,
oder Trunkenbold oder Räuber, mit solchen sollt ihr auch nicht essen." Nun
wurde aber auch dieser Ausschluß ans der Gemeinde als ein Übergeben an


Träger nicht länger in der Gemeinde lassen. Wir wissen aus dem Verfahren
des Paulus, wie streng dieser auf Gemeindezucht drang, wenn er verlangte,
daß ein blutschänderisches Mitglied der Korinthischen Gemeinde aus ihrer
Mitte „hinweggethan" würde (I. Kor. 4, 21). Er selbst will mit der Rute
zu ihnen kommen (1. Kor. 4, 21) und stellt schon jetzt ein Stmfwnnder
an dem Blutschänder in Aussicht (1. Kor. l>, 3 ff.): „Denn ich, obwohl dem
Leibe uach abwesend, doch mit dem Geiste anwesend, habe schon beschlossen,
als ob ich anwesend wäre, über den, der solches also verübt hat: in dein
Namen unsers Herrn Jesu Christi, wenn ihr versammelt seid und mein Geist
mit der Kraft unsers Herrn Jesu Christi bei euch ist, denselbigen (Sünder)
dem Satanas zum Verderben des Fleisches zu übergeben, auf daß der Geist
gerettet werde am Tage des Herrn." Das hier gefällte Urteil ist ja seinen,
Wortlaut nach ziemlich dunkel. Die meisten Erklärer meinen, Paulus habe
damit eine Krankheit über den Schuldigen verhängen wollen in dem Augen¬
blicke, wo sich die Christengemeinde in Korinth versammelt habe, und habe sich
diese Wunderkraft zugetraut. Das meint auch Hausrath, wenn er sagt: „Was
also Paulus kraft seiner apostolische» Gewalt und Wundergabe thun würde,
wäre er jetzt in Korinth, übertrüge er der Gemeindeversammlung, und er will
im Geiste anwesend sein mit der eigentümlichen Kraft Jesu, mit der er sich
ausgestattet weiß. Sie wird bewirken, daß der Ausgestoßene dein Satan ver¬
füllt und dieser seinem Fleische zusetzt mit Krankheit und Pein bis zum Unter-
gnug, damit der Geist Buße thue und gerettet werde für den Tag des Reiches."
Und nicht nur damit scheint Hausrath das Richtige getroffen zu haben, sondern
auch darin scheint er Recht zu haben, daß er diesem Urteil die Tragweite
eines Todesurteils giebt. Auch die Worte: „Schaffet den Bösen hinweg aus
eurer Mitte" deuten am natürlichsten darauf. Berechtigt zu solchem Urteil war
Paulus, der Schiller der Schriftgelehrten, wenn er das jüdische Recht befragte,
das in mehreren Stellen Blutschande mit der Stiefmutter mit dein Tod be¬
strafte (5. Mos. 22, 30; 27, 20; 3. Mos. 1«, 8; 20, 11). Und da er als
mit dem Leibe abwesend dieses Todesurteil fällt, so muß er es mit dem Be¬
wußtsein gethan haben, ,,daß Gott, der Leben und Tod in seine Hand gelegt
habe, das Urteil ohne menschliches Zuthun vollziehe» werde."

Wie Paulus mit diesem Urteil gefahren ist, das geht uns hier nichts
weiter an. Genug, wir finden aus apostolischer Zeit ein Beispiel von
Disziplin, das mit dem Befehl, den Sünder dein Satanas zu übergeben, die
Todesstrafe zu verhängen schien. Daneben finden wir für mildere Vergehen
den Ausschluß aus der Gemeinde, wie 1. Kor. 5, 9 bis 13: „Jetzt aber habe
ich euch geschrieben, ihr sollt nicht mit dem Verkehren, wenn einer, der den
Rrudernamen trägt, Hurer ist, oder Geiziger, oder Götzendiener, oder Lästerer,
oder Trunkenbold oder Räuber, mit solchen sollt ihr auch nicht essen." Nun
wurde aber auch dieser Ausschluß ans der Gemeinde als ein Übergeben an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/607>, abgerufen am 29.06.2024.