Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.leere Hoffnung geblieben wäre und sich nicht in reelle Praxis umgesetzt hatte, Für eine im ganzen ungeschichtliche Darstellung der Apostelgeschichte soll Darin hat mau ganz richtig gesehen, daß diese beiden Persönlichkeiten, leere Hoffnung geblieben wäre und sich nicht in reelle Praxis umgesetzt hatte, Für eine im ganzen ungeschichtliche Darstellung der Apostelgeschichte soll Darin hat mau ganz richtig gesehen, daß diese beiden Persönlichkeiten, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0605" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208542"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1859" prev="#ID_1858"> leere Hoffnung geblieben wäre und sich nicht in reelle Praxis umgesetzt hatte,<lb/> welche den erhofften Glückszustand vorläufig wenigstens in Form eines brüder¬<lb/> lichen Nereinslebeus in wechselseitiger Unterstützung autizipirt hätte? Für<lb/> keinen, der die Menschen kennt, kann ein Zweifel darüber bestehen, daß in der<lb/> ältesten Gemeinde der Christen nächst dein frommen Glauben und Hoffen auf<lb/> den Messias Jesus die genossenschaftliche Bethätigung der Bruderliebe in weit¬<lb/> gehender Gütergemeinschaft und in genieinsamen Mahlzeiten das wesentlichste<lb/> Band des Znsammenhalts gewesen sein wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_1860"> Für eine im ganzen ungeschichtliche Darstellung der Apostelgeschichte soll<lb/> nach Baur auch die namentliche Erwähnung des Barnabas sprechen, von dem<lb/> es 4, 36 f. heißt: „Josef aber, von den Aposteln Barnnbas genannt, d. h. ein<lb/> Sohn des Trostes, von Geschlecht en? Levit aus Cypern, der hatte ein Landgut,<lb/> verkaufte es und brachte das Geld und legte es zu der Apostel Füßen."<lb/> Hierzu sagt Baur: „Wenn es als allgemeine Regel galt, daß jeder, was er<lb/> als Eigentum besaß, verkaufte und in einen Geldbeitrag für die allgemeine<lb/> Kasse verwandelte, warum wird es als eine besonders rühmliche Handlung des<lb/> Josef Barnabas hervorgehoben, daß er sein Grundstück verkauft und den Erlös<lb/> aus demselben vor die Füße der Apostel gelegt habe?" Da ist zunächst zu<lb/> bemerken, daß auch in der Darstellung der Apostelgeschichte von einer allge¬<lb/> meinen „Regel" nicht die Rede ist, wenn man unter Regel eine zwangsweise<lb/> gebotene Ordnung versteht. Die gesellschaftliche Einrichtung war, wie gesagt,<lb/> freiwillig. Aber man würde die Menschen schlecht kennen, wenn man nicht<lb/> zugeben wollte, daß aus solcher Freiwilligkeit sich leicht eine Regel und aus<lb/> ihr gar bald ein beauspruchtes Recht entwickelt. Der Übergang macht sich da<lb/> ganz von selbst, um so schneller, je kräftiger sich die Dinge entwickeln. Einen<lb/> Versuch, diesen Übergang aus der Freiwilligkeit zum beanspruchten Recht zu<lb/> machen, bietet uus die Erzählung von Ananias und Sapphira (5, 1—10) eine<lb/> Geschichte, die allein verständlich wird im Rahmen der über die gesellschaftlichen<lb/> Verhältnisse der ersten Christengemeinde gegebenen Darstellung. Und damit<lb/> kommen wir auf Barnabas und den Grund seiner Erwähnung zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1861" next="#ID_1862"> Darin hat mau ganz richtig gesehen, daß diese beiden Persönlichkeiten,<lb/> Barnabas und Ananias, nicht ohne Grund neben einander gestellt sind. Des¬<lb/> halb muß man aber auch die Erwähnung des Barnabas nicht an die voraus¬<lb/> gehende Erzählung von der Gütergemeinschaft anschließen, wobei man dann<lb/> unwillkürlich, wie es eben Baur thut, die Frage erhebt: „Wenn alle Land¬<lb/> besitzer ihre Güter zu Gunsten der Gemeindekasse verkauften, wozu dann die<lb/> namentliche Erwähnung dieser That des Barnnbas?" Diese Erwähnung wird<lb/> sehr gut verständlich in Verbindung mit der andern des Ananicis. Diesem<lb/> wird schuld gegeben, er habe sein Besitztum verkauft und mit Wissen seines<lb/> Weibes von den: Gelde etwas entwendet, habe nur einen Teil gebracht und<lb/> zu den Füßen der Apostel gelegt. Da habe Petrus gesagt: „Ananias, warum</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0605]
leere Hoffnung geblieben wäre und sich nicht in reelle Praxis umgesetzt hatte,
welche den erhofften Glückszustand vorläufig wenigstens in Form eines brüder¬
lichen Nereinslebeus in wechselseitiger Unterstützung autizipirt hätte? Für
keinen, der die Menschen kennt, kann ein Zweifel darüber bestehen, daß in der
ältesten Gemeinde der Christen nächst dein frommen Glauben und Hoffen auf
den Messias Jesus die genossenschaftliche Bethätigung der Bruderliebe in weit¬
gehender Gütergemeinschaft und in genieinsamen Mahlzeiten das wesentlichste
Band des Znsammenhalts gewesen sein wird."
Für eine im ganzen ungeschichtliche Darstellung der Apostelgeschichte soll
nach Baur auch die namentliche Erwähnung des Barnabas sprechen, von dem
es 4, 36 f. heißt: „Josef aber, von den Aposteln Barnnbas genannt, d. h. ein
Sohn des Trostes, von Geschlecht en? Levit aus Cypern, der hatte ein Landgut,
verkaufte es und brachte das Geld und legte es zu der Apostel Füßen."
Hierzu sagt Baur: „Wenn es als allgemeine Regel galt, daß jeder, was er
als Eigentum besaß, verkaufte und in einen Geldbeitrag für die allgemeine
Kasse verwandelte, warum wird es als eine besonders rühmliche Handlung des
Josef Barnabas hervorgehoben, daß er sein Grundstück verkauft und den Erlös
aus demselben vor die Füße der Apostel gelegt habe?" Da ist zunächst zu
bemerken, daß auch in der Darstellung der Apostelgeschichte von einer allge¬
meinen „Regel" nicht die Rede ist, wenn man unter Regel eine zwangsweise
gebotene Ordnung versteht. Die gesellschaftliche Einrichtung war, wie gesagt,
freiwillig. Aber man würde die Menschen schlecht kennen, wenn man nicht
zugeben wollte, daß aus solcher Freiwilligkeit sich leicht eine Regel und aus
ihr gar bald ein beauspruchtes Recht entwickelt. Der Übergang macht sich da
ganz von selbst, um so schneller, je kräftiger sich die Dinge entwickeln. Einen
Versuch, diesen Übergang aus der Freiwilligkeit zum beanspruchten Recht zu
machen, bietet uus die Erzählung von Ananias und Sapphira (5, 1—10) eine
Geschichte, die allein verständlich wird im Rahmen der über die gesellschaftlichen
Verhältnisse der ersten Christengemeinde gegebenen Darstellung. Und damit
kommen wir auf Barnabas und den Grund seiner Erwähnung zurück.
Darin hat mau ganz richtig gesehen, daß diese beiden Persönlichkeiten,
Barnabas und Ananias, nicht ohne Grund neben einander gestellt sind. Des¬
halb muß man aber auch die Erwähnung des Barnabas nicht an die voraus¬
gehende Erzählung von der Gütergemeinschaft anschließen, wobei man dann
unwillkürlich, wie es eben Baur thut, die Frage erhebt: „Wenn alle Land¬
besitzer ihre Güter zu Gunsten der Gemeindekasse verkauften, wozu dann die
namentliche Erwähnung dieser That des Barnnbas?" Diese Erwähnung wird
sehr gut verständlich in Verbindung mit der andern des Ananicis. Diesem
wird schuld gegeben, er habe sein Besitztum verkauft und mit Wissen seines
Weibes von den: Gelde etwas entwendet, habe nur einen Teil gebracht und
zu den Füßen der Apostel gelegt. Da habe Petrus gesagt: „Ananias, warum
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