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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Friihlingsbilder

zurück und erreichten es einmal von der Porta Angelica, das andremal von
Ponte Molle her, aber beidemal fanden wir nur die untern Räume, die mit
dem Betrieb eines Pachthofes, mit Scheuern, Niehställen, mit Gärtner- und
Winzerwvhnung erfüllt sind, zugänglich. Die obern Zimmer, in denen noch
Deckengemälde Giulio RvmcinoS und Arabesken des Giovanni da Udine er¬
halten sein sollen, blieben hartnäckig verschlossen; die Terrasse, die Treppen, das
reichgefaßte, aber fast völlig überwachsene Wasserbecken, die Loggia, alles was
sich von außen sehen läßt, ist so wundervoll in der Anlage und so traurig
vernachlässigt, daß der Anblick erhebend und wehmütig zugleich stimmt. Die
Reihe der Besitzer dieser Villa vergegenwärtigt große Wandlungen der Ge¬
schichte, nach der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat sie Herzogin Mar¬
garete von Parma, der natürlichen Tochter Kaiser Karls des Fünften, der
Generalstatthalteriu der Niederlande für ihren Bruder Philipp den Zweiten ge¬
hört, durch diese, die Gemahlin Ottnviv und die Mutter Alexander Farneses,
kam sie in den Besitz der Herzöge von Parma und uach dem Aussterben der
Linie in den der Könige von Neapel, die sich um die kostbare Kunstperle so
wenig wie möglich kümmerten. So ist die Villa Stein für Stein, Zierrat
für Zierrat verwittert, zerbröckelt, übermost, die Prachtgürten in die halbe
Wildnis verwandelt, die man in römischen Vignen und Gemüsegärten so oft
sieht; die zu ganz anderm Gebrauch geschaffenen, im edelsten Stil gewölbten
Räume erscheinen höchst wunderlich verunstaltet. Aber auch so bleibt die heitere
Harmonie, die einfache Größe und freie Anmut des Hauses, die Feinheit der
ursprünglichen Anlage eine Augenweide und ein zur Zeit wenigstens noch voll-
giltiges Zeugnis für Rafnels glücklichen Genius. Sein Ruhm als Baumeister
ist im Ruhme des Malers untergegangen, gegenüber der Villa des Kardinals
Medici, deren Pläne er noch in seinen letzten Lebenstagen entworfen haben
soll, fühlt man, daß ihm bei längerm Leben auch dieser Kranz verblieben sein
würde. Die mißlichen Schicksale seines letzten schönen Bauwerks begannen
übrigens alsbald nach seinem frühen Tode, Giulio Romano, der so vieles von
Rafael begonnene vollenden mußte und nach seiner Weise vergröberte, führte
auch den Villenbau für Kardinal Giulio Medici weiter; als aber der Mediceer
die dreifache Krone erlangt hatte und mit seiner Politik den unheilvollen An¬
sturm der Kaiserlichen, der Spanier und deutschen Landsknechte auf Rom, die
vielgeschilderte havon" al Kamm im Mai 1527 heraufbeschwor, stürzte sich auch der
Todfeind Clemens des Siebenten, Kardinal Pompeo Colonna, mit räuberischen
Scharen der Vasallen seines Hauses, wilden Hirten und Bauern der Campagna,
auf die Villa am Monte Mario und ließ Feuer hineinlegen, sodaß späterhin
Antonio da Sangallo genug mit ihrer Herstellung zu thun hatte. Aber sie
ward doch hergestellt, blieb noch einige Menschenalter prächtig und stattlich
und fiel erst mit der völligen Verlassenheit der heutigen Zerstörung und Ver¬
ödung anheim.


Römische Friihlingsbilder

zurück und erreichten es einmal von der Porta Angelica, das andremal von
Ponte Molle her, aber beidemal fanden wir nur die untern Räume, die mit
dem Betrieb eines Pachthofes, mit Scheuern, Niehställen, mit Gärtner- und
Winzerwvhnung erfüllt sind, zugänglich. Die obern Zimmer, in denen noch
Deckengemälde Giulio RvmcinoS und Arabesken des Giovanni da Udine er¬
halten sein sollen, blieben hartnäckig verschlossen; die Terrasse, die Treppen, das
reichgefaßte, aber fast völlig überwachsene Wasserbecken, die Loggia, alles was
sich von außen sehen läßt, ist so wundervoll in der Anlage und so traurig
vernachlässigt, daß der Anblick erhebend und wehmütig zugleich stimmt. Die
Reihe der Besitzer dieser Villa vergegenwärtigt große Wandlungen der Ge¬
schichte, nach der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat sie Herzogin Mar¬
garete von Parma, der natürlichen Tochter Kaiser Karls des Fünften, der
Generalstatthalteriu der Niederlande für ihren Bruder Philipp den Zweiten ge¬
hört, durch diese, die Gemahlin Ottnviv und die Mutter Alexander Farneses,
kam sie in den Besitz der Herzöge von Parma und uach dem Aussterben der
Linie in den der Könige von Neapel, die sich um die kostbare Kunstperle so
wenig wie möglich kümmerten. So ist die Villa Stein für Stein, Zierrat
für Zierrat verwittert, zerbröckelt, übermost, die Prachtgürten in die halbe
Wildnis verwandelt, die man in römischen Vignen und Gemüsegärten so oft
sieht; die zu ganz anderm Gebrauch geschaffenen, im edelsten Stil gewölbten
Räume erscheinen höchst wunderlich verunstaltet. Aber auch so bleibt die heitere
Harmonie, die einfache Größe und freie Anmut des Hauses, die Feinheit der
ursprünglichen Anlage eine Augenweide und ein zur Zeit wenigstens noch voll-
giltiges Zeugnis für Rafnels glücklichen Genius. Sein Ruhm als Baumeister
ist im Ruhme des Malers untergegangen, gegenüber der Villa des Kardinals
Medici, deren Pläne er noch in seinen letzten Lebenstagen entworfen haben
soll, fühlt man, daß ihm bei längerm Leben auch dieser Kranz verblieben sein
würde. Die mißlichen Schicksale seines letzten schönen Bauwerks begannen
übrigens alsbald nach seinem frühen Tode, Giulio Romano, der so vieles von
Rafael begonnene vollenden mußte und nach seiner Weise vergröberte, führte
auch den Villenbau für Kardinal Giulio Medici weiter; als aber der Mediceer
die dreifache Krone erlangt hatte und mit seiner Politik den unheilvollen An¬
sturm der Kaiserlichen, der Spanier und deutschen Landsknechte auf Rom, die
vielgeschilderte havon» al Kamm im Mai 1527 heraufbeschwor, stürzte sich auch der
Todfeind Clemens des Siebenten, Kardinal Pompeo Colonna, mit räuberischen
Scharen der Vasallen seines Hauses, wilden Hirten und Bauern der Campagna,
auf die Villa am Monte Mario und ließ Feuer hineinlegen, sodaß späterhin
Antonio da Sangallo genug mit ihrer Herstellung zu thun hatte. Aber sie
ward doch hergestellt, blieb noch einige Menschenalter prächtig und stattlich
und fiel erst mit der völligen Verlassenheit der heutigen Zerstörung und Ver¬
ödung anheim.


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[0573] Römische Friihlingsbilder zurück und erreichten es einmal von der Porta Angelica, das andremal von Ponte Molle her, aber beidemal fanden wir nur die untern Räume, die mit dem Betrieb eines Pachthofes, mit Scheuern, Niehställen, mit Gärtner- und Winzerwvhnung erfüllt sind, zugänglich. Die obern Zimmer, in denen noch Deckengemälde Giulio RvmcinoS und Arabesken des Giovanni da Udine er¬ halten sein sollen, blieben hartnäckig verschlossen; die Terrasse, die Treppen, das reichgefaßte, aber fast völlig überwachsene Wasserbecken, die Loggia, alles was sich von außen sehen läßt, ist so wundervoll in der Anlage und so traurig vernachlässigt, daß der Anblick erhebend und wehmütig zugleich stimmt. Die Reihe der Besitzer dieser Villa vergegenwärtigt große Wandlungen der Ge¬ schichte, nach der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat sie Herzogin Mar¬ garete von Parma, der natürlichen Tochter Kaiser Karls des Fünften, der Generalstatthalteriu der Niederlande für ihren Bruder Philipp den Zweiten ge¬ hört, durch diese, die Gemahlin Ottnviv und die Mutter Alexander Farneses, kam sie in den Besitz der Herzöge von Parma und uach dem Aussterben der Linie in den der Könige von Neapel, die sich um die kostbare Kunstperle so wenig wie möglich kümmerten. So ist die Villa Stein für Stein, Zierrat für Zierrat verwittert, zerbröckelt, übermost, die Prachtgürten in die halbe Wildnis verwandelt, die man in römischen Vignen und Gemüsegärten so oft sieht; die zu ganz anderm Gebrauch geschaffenen, im edelsten Stil gewölbten Räume erscheinen höchst wunderlich verunstaltet. Aber auch so bleibt die heitere Harmonie, die einfache Größe und freie Anmut des Hauses, die Feinheit der ursprünglichen Anlage eine Augenweide und ein zur Zeit wenigstens noch voll- giltiges Zeugnis für Rafnels glücklichen Genius. Sein Ruhm als Baumeister ist im Ruhme des Malers untergegangen, gegenüber der Villa des Kardinals Medici, deren Pläne er noch in seinen letzten Lebenstagen entworfen haben soll, fühlt man, daß ihm bei längerm Leben auch dieser Kranz verblieben sein würde. Die mißlichen Schicksale seines letzten schönen Bauwerks begannen übrigens alsbald nach seinem frühen Tode, Giulio Romano, der so vieles von Rafael begonnene vollenden mußte und nach seiner Weise vergröberte, führte auch den Villenbau für Kardinal Giulio Medici weiter; als aber der Mediceer die dreifache Krone erlangt hatte und mit seiner Politik den unheilvollen An¬ sturm der Kaiserlichen, der Spanier und deutschen Landsknechte auf Rom, die vielgeschilderte havon» al Kamm im Mai 1527 heraufbeschwor, stürzte sich auch der Todfeind Clemens des Siebenten, Kardinal Pompeo Colonna, mit räuberischen Scharen der Vasallen seines Hauses, wilden Hirten und Bauern der Campagna, auf die Villa am Monte Mario und ließ Feuer hineinlegen, sodaß späterhin Antonio da Sangallo genug mit ihrer Herstellung zu thun hatte. Aber sie ward doch hergestellt, blieb noch einige Menschenalter prächtig und stattlich und fiel erst mit der völligen Verlassenheit der heutigen Zerstörung und Ver¬ ödung anheim.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/573>, abgerufen am 29.06.2024.