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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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rühmten Wirkungen dieses Baumes gegen die Sumpffieber verschaffen ihm in
der Campagna stets größere Verbreitung, und es giebt wohl Leute, die für
römischen Schutt und Schmutz, für rauchgeschwärzte Wände und rohrgeflickte
Dächer, aber doch Wohl keine die für die römische Malaria schwärmen. Die
Versuche zum Anbau von Getreide, zur Obstzucht, zu ausgedehntem Gärten,
die namentlich in der Nähe der Eisenbahnstationen gemacht werden, erwecken
dagegen den ganzen Zorn dieser Campagnaschwärmer, sie scheinen wirklich zu
fürchten, daß es über Nacht um Rom aussehen werde, wie um Leipzig oder
Nürnberg. In Wahrheit hat alles, was zur Entwässerung und zum Anbau
der Campagna bis heute geschehen ist, noch wenig zu bedeuten und hat auf
alle Fälle an dem Gesamtanblick der Landschaft so gut wie nichts verändert.
Selbst die durchgehenden Eisenbahnen, von denen namentlich die von Rom
nach Civita Vecchia und weiter nach Pisa und Genua führende die große und
feierliche Öde durchschneidet, heben den Eindruck tiefer Stille und Einsamkeit
eines Naturlebens nicht auf, in den: die Macht jahrtausendalter Verwilderung
immer wieder der Ansätze der Kultur spottet. Magliana ist die erste Station
der genannten Eisenbahn, doch keine zweihundert Schritte vom. Stationsgebäude
umfängt den Besucher der echte Hauch der römischen Campagna, der Duft
würziger Kräuter und großer leuchtender Blumen, der farbige Schimmer, der
über Feldern und Trümmern liegt, die träumerische Ruhe, in der man die
vereinzelten Laute so rasch unterscheiden lernt und dazu das stille Weben der
Erinnerungen, die hier aus Schritt und Tritt erwachen. Nur an einzelnen
Stellen läßt der Bau der Magliana noch erkennen, daß er eine Stätte heiterer
Pracht und üppigen Lebensgenusses gewesen ist, daß die Jugendgenossen wie
die Schüler Rafaels ihn jahrzehntelang geschmückt haben. Von den heitern
Fresken, die ehemals die Wände dieses päpstlichen Lustschlosses zierten, hatten
wir vor wenigen Tagen einige im Konservatorenpalast am Kapitol gesehen,
den Apoll mit den neun Musen, die Giovanni lo Spagna, der Mitschüler
Rafaels bei Pietro Perugino, im Auftrage Papst Julius des Zweiten gemalt
hat, andre Wandbilder find nach Paris ins Louvre geraten, von der Farben¬
herrlichkeit ist nichts am Ort ihrer Entstehung geblieben. Die Mauerzinnen
und Bogengänge der Architektur zeugen allem von verschwundener Pracht.
Wie die Magliana in den Tagen Leos des Zehnten der Ausgangspunkt großer
und fröhlicher Jagden war, ist sie auch heute noch ein beliebter Sammelpunkt
der Campagnajäger.

Besser erhalten, niemals völlig aufgegeben, aber gleichfalls fast in un¬
glaublicher Weise verfallen zeigte sich der der gleichen Kunstperiode angehörige
und vor Zeiten weit berühmte anmutige Bau der Villa Madana, der
Sommersitz des nachmaligen Papstes Clemens des Siebenten als Kardinal
Medici, an der Nordspitze des Monte Mario hoch und frei gelegen. Zweimal
legten wir den Weg zu diesem schönsten und berühmtesten Bauwerke Rafaels


rühmten Wirkungen dieses Baumes gegen die Sumpffieber verschaffen ihm in
der Campagna stets größere Verbreitung, und es giebt wohl Leute, die für
römischen Schutt und Schmutz, für rauchgeschwärzte Wände und rohrgeflickte
Dächer, aber doch Wohl keine die für die römische Malaria schwärmen. Die
Versuche zum Anbau von Getreide, zur Obstzucht, zu ausgedehntem Gärten,
die namentlich in der Nähe der Eisenbahnstationen gemacht werden, erwecken
dagegen den ganzen Zorn dieser Campagnaschwärmer, sie scheinen wirklich zu
fürchten, daß es über Nacht um Rom aussehen werde, wie um Leipzig oder
Nürnberg. In Wahrheit hat alles, was zur Entwässerung und zum Anbau
der Campagna bis heute geschehen ist, noch wenig zu bedeuten und hat auf
alle Fälle an dem Gesamtanblick der Landschaft so gut wie nichts verändert.
Selbst die durchgehenden Eisenbahnen, von denen namentlich die von Rom
nach Civita Vecchia und weiter nach Pisa und Genua führende die große und
feierliche Öde durchschneidet, heben den Eindruck tiefer Stille und Einsamkeit
eines Naturlebens nicht auf, in den: die Macht jahrtausendalter Verwilderung
immer wieder der Ansätze der Kultur spottet. Magliana ist die erste Station
der genannten Eisenbahn, doch keine zweihundert Schritte vom. Stationsgebäude
umfängt den Besucher der echte Hauch der römischen Campagna, der Duft
würziger Kräuter und großer leuchtender Blumen, der farbige Schimmer, der
über Feldern und Trümmern liegt, die träumerische Ruhe, in der man die
vereinzelten Laute so rasch unterscheiden lernt und dazu das stille Weben der
Erinnerungen, die hier aus Schritt und Tritt erwachen. Nur an einzelnen
Stellen läßt der Bau der Magliana noch erkennen, daß er eine Stätte heiterer
Pracht und üppigen Lebensgenusses gewesen ist, daß die Jugendgenossen wie
die Schüler Rafaels ihn jahrzehntelang geschmückt haben. Von den heitern
Fresken, die ehemals die Wände dieses päpstlichen Lustschlosses zierten, hatten
wir vor wenigen Tagen einige im Konservatorenpalast am Kapitol gesehen,
den Apoll mit den neun Musen, die Giovanni lo Spagna, der Mitschüler
Rafaels bei Pietro Perugino, im Auftrage Papst Julius des Zweiten gemalt
hat, andre Wandbilder find nach Paris ins Louvre geraten, von der Farben¬
herrlichkeit ist nichts am Ort ihrer Entstehung geblieben. Die Mauerzinnen
und Bogengänge der Architektur zeugen allem von verschwundener Pracht.
Wie die Magliana in den Tagen Leos des Zehnten der Ausgangspunkt großer
und fröhlicher Jagden war, ist sie auch heute noch ein beliebter Sammelpunkt
der Campagnajäger.

Besser erhalten, niemals völlig aufgegeben, aber gleichfalls fast in un¬
glaublicher Weise verfallen zeigte sich der der gleichen Kunstperiode angehörige
und vor Zeiten weit berühmte anmutige Bau der Villa Madana, der
Sommersitz des nachmaligen Papstes Clemens des Siebenten als Kardinal
Medici, an der Nordspitze des Monte Mario hoch und frei gelegen. Zweimal
legten wir den Weg zu diesem schönsten und berühmtesten Bauwerke Rafaels


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[0572] rühmten Wirkungen dieses Baumes gegen die Sumpffieber verschaffen ihm in der Campagna stets größere Verbreitung, und es giebt wohl Leute, die für römischen Schutt und Schmutz, für rauchgeschwärzte Wände und rohrgeflickte Dächer, aber doch Wohl keine die für die römische Malaria schwärmen. Die Versuche zum Anbau von Getreide, zur Obstzucht, zu ausgedehntem Gärten, die namentlich in der Nähe der Eisenbahnstationen gemacht werden, erwecken dagegen den ganzen Zorn dieser Campagnaschwärmer, sie scheinen wirklich zu fürchten, daß es über Nacht um Rom aussehen werde, wie um Leipzig oder Nürnberg. In Wahrheit hat alles, was zur Entwässerung und zum Anbau der Campagna bis heute geschehen ist, noch wenig zu bedeuten und hat auf alle Fälle an dem Gesamtanblick der Landschaft so gut wie nichts verändert. Selbst die durchgehenden Eisenbahnen, von denen namentlich die von Rom nach Civita Vecchia und weiter nach Pisa und Genua führende die große und feierliche Öde durchschneidet, heben den Eindruck tiefer Stille und Einsamkeit eines Naturlebens nicht auf, in den: die Macht jahrtausendalter Verwilderung immer wieder der Ansätze der Kultur spottet. Magliana ist die erste Station der genannten Eisenbahn, doch keine zweihundert Schritte vom. Stationsgebäude umfängt den Besucher der echte Hauch der römischen Campagna, der Duft würziger Kräuter und großer leuchtender Blumen, der farbige Schimmer, der über Feldern und Trümmern liegt, die träumerische Ruhe, in der man die vereinzelten Laute so rasch unterscheiden lernt und dazu das stille Weben der Erinnerungen, die hier aus Schritt und Tritt erwachen. Nur an einzelnen Stellen läßt der Bau der Magliana noch erkennen, daß er eine Stätte heiterer Pracht und üppigen Lebensgenusses gewesen ist, daß die Jugendgenossen wie die Schüler Rafaels ihn jahrzehntelang geschmückt haben. Von den heitern Fresken, die ehemals die Wände dieses päpstlichen Lustschlosses zierten, hatten wir vor wenigen Tagen einige im Konservatorenpalast am Kapitol gesehen, den Apoll mit den neun Musen, die Giovanni lo Spagna, der Mitschüler Rafaels bei Pietro Perugino, im Auftrage Papst Julius des Zweiten gemalt hat, andre Wandbilder find nach Paris ins Louvre geraten, von der Farben¬ herrlichkeit ist nichts am Ort ihrer Entstehung geblieben. Die Mauerzinnen und Bogengänge der Architektur zeugen allem von verschwundener Pracht. Wie die Magliana in den Tagen Leos des Zehnten der Ausgangspunkt großer und fröhlicher Jagden war, ist sie auch heute noch ein beliebter Sammelpunkt der Campagnajäger. Besser erhalten, niemals völlig aufgegeben, aber gleichfalls fast in un¬ glaublicher Weise verfallen zeigte sich der der gleichen Kunstperiode angehörige und vor Zeiten weit berühmte anmutige Bau der Villa Madana, der Sommersitz des nachmaligen Papstes Clemens des Siebenten als Kardinal Medici, an der Nordspitze des Monte Mario hoch und frei gelegen. Zweimal legten wir den Weg zu diesem schönsten und berühmtesten Bauwerke Rafaels

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/572>, abgerufen am 29.06.2024.