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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

in Gestalt einer für jede Hütte zu zahlenden jährlichen Abgabe, in Lieferung
von Naturalien im Werte derselben Summe oder durch persönliche Arbeits¬
leistung für bestimmte Zeitdauer innerhalb des Jahres.

Wir sehen nun auch, daß sich für unsre Truppe Arbeit genug findet.
Diese würde vollauf in Anspruch genommen sein durch die Ausgabe, die Lo-
kation zu überwachen, die Ruhe darin aufrecht zu erhalten, sie gegen fremde
Eindringlinge zu schützen, für die richtige Stellung der Arbeiter zu sorgen, die
Wegebauten und den Anbau von Produkten zu beaufsichtigen, Steuern einzu¬
treiben u. s. w. Aber alles dies wären Aufgaben, die eine Gendarmerie vor¬
trefflich ausführen könnte und wozu Soldaten unnötig sind.

Die Herbeiziehung des Negers zur Tragung der Staatslasten führt uns
zur finanziellen Entwicklung des Landes im allgemeinen. Die Besteuerung
des Negers setzt Verhältnisse voraus, die die Durchführung der Maßnahme
ermöglichen. Da diese erst geschaffen werden müssen, so liegt das angestrebte
Ergebnis noch in einiger Ferne. Anders liegt die Sache mit den Händlern,
die jetzt schon unmittelbaren Verdienst erzielen. Diese sollten zu einer Gewerbe¬
steuer herangezogen werden, umsomehr, weil, wenn der Handel durch Europäer
betrieben würde, das Land einen größern mittelbaren Nutzen davon hätte.
Zur Zeit befindet sich der Kleinhandel hauptsächlich in den Händen von
Arabern und einigen Indern. Von beiden hat das Land keinen Nutzen. Der
Araber verkriecht sich in irgend einen Winkel im Innern des Landes, kauft
sich Frauen für feinen Harem und lebt von den Erzeugnissen des Landes fast
kostenlos. Der Inder legt seinen Verdienst ebenfalls nicht im Lande an,
sondern hinterlegt ihn in indischen Banken, um einst in seiner Heimat als
wohlhabender Mann leben zu können. Europäer, die allerdings durch die
klimatischen Verhältnisse verhindert sind, den Handel in der Weise wie Araber
oder Inder zu betreiben, würden einen Teil ihrer Einnahmen zur Anschaffung
von Lebensbedürfnissen und Luxusartikeln wieder ausgeben, das gewonnene
Geld bliebe in Umlauf, die Einfuhr höbe sich, es mehrte sich der National¬
wohlstand. Dem Lande entgeht also ein gewisser Vorteil, der sich in einem
Zahlenwert ausdrücken laßt. Dieser wäre zu finden durch eine Rechnung, ge¬
gründet auf die Anzahl der arabischen und indischen Händler und den Ver¬
brauch von europäischen Waren und Luxusartikeln durch eine gleiche Anzahl
von Europäern. Das Facit ergäbe den auf die Händler zu verteilenden
Steuerbetrag, zu dem die durch die Erhebung dieser Steuer verursachten
Kosten hinzngeschlagen werden müßten.

Eine weitere Einnahmequelle ließe sich aus dem an der Küste bestehenden
Dhowverkehr -- die Dhow ist ein arabisches Fahrzeug -- herstellen. Dieser
Verkehr ist äußerst rege und dürfte schwerlich durch den Umstand vermindert
werden, daß jeder Dhoweigentümer angehalten würde, eine kleine Abgabe zu
entrichten für die Erlaubnis, sein Fahrzeug zu führen.


Der Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

in Gestalt einer für jede Hütte zu zahlenden jährlichen Abgabe, in Lieferung
von Naturalien im Werte derselben Summe oder durch persönliche Arbeits¬
leistung für bestimmte Zeitdauer innerhalb des Jahres.

Wir sehen nun auch, daß sich für unsre Truppe Arbeit genug findet.
Diese würde vollauf in Anspruch genommen sein durch die Ausgabe, die Lo-
kation zu überwachen, die Ruhe darin aufrecht zu erhalten, sie gegen fremde
Eindringlinge zu schützen, für die richtige Stellung der Arbeiter zu sorgen, die
Wegebauten und den Anbau von Produkten zu beaufsichtigen, Steuern einzu¬
treiben u. s. w. Aber alles dies wären Aufgaben, die eine Gendarmerie vor¬
trefflich ausführen könnte und wozu Soldaten unnötig sind.

Die Herbeiziehung des Negers zur Tragung der Staatslasten führt uns
zur finanziellen Entwicklung des Landes im allgemeinen. Die Besteuerung
des Negers setzt Verhältnisse voraus, die die Durchführung der Maßnahme
ermöglichen. Da diese erst geschaffen werden müssen, so liegt das angestrebte
Ergebnis noch in einiger Ferne. Anders liegt die Sache mit den Händlern,
die jetzt schon unmittelbaren Verdienst erzielen. Diese sollten zu einer Gewerbe¬
steuer herangezogen werden, umsomehr, weil, wenn der Handel durch Europäer
betrieben würde, das Land einen größern mittelbaren Nutzen davon hätte.
Zur Zeit befindet sich der Kleinhandel hauptsächlich in den Händen von
Arabern und einigen Indern. Von beiden hat das Land keinen Nutzen. Der
Araber verkriecht sich in irgend einen Winkel im Innern des Landes, kauft
sich Frauen für feinen Harem und lebt von den Erzeugnissen des Landes fast
kostenlos. Der Inder legt seinen Verdienst ebenfalls nicht im Lande an,
sondern hinterlegt ihn in indischen Banken, um einst in seiner Heimat als
wohlhabender Mann leben zu können. Europäer, die allerdings durch die
klimatischen Verhältnisse verhindert sind, den Handel in der Weise wie Araber
oder Inder zu betreiben, würden einen Teil ihrer Einnahmen zur Anschaffung
von Lebensbedürfnissen und Luxusartikeln wieder ausgeben, das gewonnene
Geld bliebe in Umlauf, die Einfuhr höbe sich, es mehrte sich der National¬
wohlstand. Dem Lande entgeht also ein gewisser Vorteil, der sich in einem
Zahlenwert ausdrücken laßt. Dieser wäre zu finden durch eine Rechnung, ge¬
gründet auf die Anzahl der arabischen und indischen Händler und den Ver¬
brauch von europäischen Waren und Luxusartikeln durch eine gleiche Anzahl
von Europäern. Das Facit ergäbe den auf die Händler zu verteilenden
Steuerbetrag, zu dem die durch die Erhebung dieser Steuer verursachten
Kosten hinzngeschlagen werden müßten.

Eine weitere Einnahmequelle ließe sich aus dem an der Küste bestehenden
Dhowverkehr — die Dhow ist ein arabisches Fahrzeug — herstellen. Dieser
Verkehr ist äußerst rege und dürfte schwerlich durch den Umstand vermindert
werden, daß jeder Dhoweigentümer angehalten würde, eine kleine Abgabe zu
entrichten für die Erlaubnis, sein Fahrzeug zu führen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/539>, abgerufen am 29.06.2024.