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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Kolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

Verwaltung sein, für eine richtige Stellung von Arbeitern und deren Verteilung
unter die Ansiedler zu sorgen. Um dies zu bewerkstelligen, stehen uns zwei
Mittel zu Gebote. Erstens die Lokalisation der unser Wirtschaftsgebiet be¬
wohnenden Eingebornen, zweitens die Anwendung des in manchen Kolonien
bestehenden lap ok inäsuturs auf diese, oder wie Herr Hübbe-Schleiden. der
es auf unsre kolonialen Verhältnisse sehr praktisch zugeschnitten hat, es nennt,
das Vertragssystem.

Die Lokalisirung der Eingebornen ist nicht etwa so aufzufassen, daß die
Eingebornen von Haus und Hof verjagt, ihres urbar gemachten Landes be¬
raubt und in unwirtbare Gegenden vertrieben werden sollen. Sie vollzieht
sich vielmehr in der Weise, daß nach und nach die Eingebornen veranlaßt
werden, sich in bestimmte und für den Zweck besonders ausgesuchte "Reserven"
zu begeben, wo Europäern sich anzubauen nicht erlaubt ist. Fremde Ein-
geborne, die in das Wirtschaftsgebiet übersiedeln wollen, dürfen sich überhaupt
nur in den Reserven niederlassen.

Das Vertragssystem besteht nach der Auslegung Hübbe-Schleidens darin,
das Haupt einer farbigen Familie dafür verantwortlich zu machen, daß ein mit
deren Mitgliedern abgeschlossener Arbeitsvertrag auch von diesen gehalten werde.

Bei dem. Zusammenwohnen der Eingebornen auf genau bestimmtem Gebiet
und der dadurch bedeutend erleichterten Kontrolle ließen sich nun mehrere
Einrichtungen einführen, die in Java großen Erfolg haben. Eine davon wäre
der sogenannte "Heeredienst," eine gewisse Arbeitsleistung für die Regie¬
rung. Diese geschieht unentgeltlich und sollte vor allen Dingen für die An¬
legung brauchbarer Verkehrswege im Wirtschaftsgebiete verwandt werden.
Ferner wäre der Anbau leicht verkäuflicher Rohprodukte durch die Eingebornen
in den Lokationen zu empfehlen. Der Gewinn, den Java aus dem für die
Regierung in ähnlicher Weise gebauten Kaffee erzielt, beläuft sich jährlich auf
Millionen. Nur ist in Afrika die Lokation der Eingebornen vorher einzu¬
führen, da die Methode ohne Kontrolle nicht durchführbar wäre.

Auch der Mission öffnet sich ein weites Feld der Thätigkeit. Sie sollte,
weit mehr als es bisher geschehen ist, aus der Zahl ihrer farbigen Bekehrten
Missionare ausbilden und energischer mit der Errichtung von Industrieschulen
vorgehen. Die aus solchen Schulen hervorgehenden Handwerker und ge¬
schulten Arbeiter bilden in allen Kolonien, wo sie sich finden, eine gesuchte
Menschenklasse.

Der arbeitende Neger aber erwirbt, und er gelangt zu Besitz, mithin wird
er steuerfähig. Die Lokationen aber gewähren uns den Vorteil, eine Steuer,
wenn sie einmal eingeführt ist, verhältnismäßig leicht zu erheben. Die Steuer
wird der Eingeborne zu leisten haben als Entgelt für die erzieherische Sorgfalt,
die die Negierung auf ihn verwandt hat, gerade wie sie jedem Staatsbürger
im Staatsinteresse erwächst. Diese Steuerleistung wird sich ausdrücken können


Der Kolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

Verwaltung sein, für eine richtige Stellung von Arbeitern und deren Verteilung
unter die Ansiedler zu sorgen. Um dies zu bewerkstelligen, stehen uns zwei
Mittel zu Gebote. Erstens die Lokalisation der unser Wirtschaftsgebiet be¬
wohnenden Eingebornen, zweitens die Anwendung des in manchen Kolonien
bestehenden lap ok inäsuturs auf diese, oder wie Herr Hübbe-Schleiden. der
es auf unsre kolonialen Verhältnisse sehr praktisch zugeschnitten hat, es nennt,
das Vertragssystem.

Die Lokalisirung der Eingebornen ist nicht etwa so aufzufassen, daß die
Eingebornen von Haus und Hof verjagt, ihres urbar gemachten Landes be¬
raubt und in unwirtbare Gegenden vertrieben werden sollen. Sie vollzieht
sich vielmehr in der Weise, daß nach und nach die Eingebornen veranlaßt
werden, sich in bestimmte und für den Zweck besonders ausgesuchte „Reserven"
zu begeben, wo Europäern sich anzubauen nicht erlaubt ist. Fremde Ein-
geborne, die in das Wirtschaftsgebiet übersiedeln wollen, dürfen sich überhaupt
nur in den Reserven niederlassen.

Das Vertragssystem besteht nach der Auslegung Hübbe-Schleidens darin,
das Haupt einer farbigen Familie dafür verantwortlich zu machen, daß ein mit
deren Mitgliedern abgeschlossener Arbeitsvertrag auch von diesen gehalten werde.

Bei dem. Zusammenwohnen der Eingebornen auf genau bestimmtem Gebiet
und der dadurch bedeutend erleichterten Kontrolle ließen sich nun mehrere
Einrichtungen einführen, die in Java großen Erfolg haben. Eine davon wäre
der sogenannte „Heeredienst," eine gewisse Arbeitsleistung für die Regie¬
rung. Diese geschieht unentgeltlich und sollte vor allen Dingen für die An¬
legung brauchbarer Verkehrswege im Wirtschaftsgebiete verwandt werden.
Ferner wäre der Anbau leicht verkäuflicher Rohprodukte durch die Eingebornen
in den Lokationen zu empfehlen. Der Gewinn, den Java aus dem für die
Regierung in ähnlicher Weise gebauten Kaffee erzielt, beläuft sich jährlich auf
Millionen. Nur ist in Afrika die Lokation der Eingebornen vorher einzu¬
führen, da die Methode ohne Kontrolle nicht durchführbar wäre.

Auch der Mission öffnet sich ein weites Feld der Thätigkeit. Sie sollte,
weit mehr als es bisher geschehen ist, aus der Zahl ihrer farbigen Bekehrten
Missionare ausbilden und energischer mit der Errichtung von Industrieschulen
vorgehen. Die aus solchen Schulen hervorgehenden Handwerker und ge¬
schulten Arbeiter bilden in allen Kolonien, wo sie sich finden, eine gesuchte
Menschenklasse.

Der arbeitende Neger aber erwirbt, und er gelangt zu Besitz, mithin wird
er steuerfähig. Die Lokationen aber gewähren uns den Vorteil, eine Steuer,
wenn sie einmal eingeführt ist, verhältnismäßig leicht zu erheben. Die Steuer
wird der Eingeborne zu leisten haben als Entgelt für die erzieherische Sorgfalt,
die die Negierung auf ihn verwandt hat, gerade wie sie jedem Staatsbürger
im Staatsinteresse erwächst. Diese Steuerleistung wird sich ausdrücken können


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[0538] Der Kolonialrat und die Zukunft Gstafrikas Verwaltung sein, für eine richtige Stellung von Arbeitern und deren Verteilung unter die Ansiedler zu sorgen. Um dies zu bewerkstelligen, stehen uns zwei Mittel zu Gebote. Erstens die Lokalisation der unser Wirtschaftsgebiet be¬ wohnenden Eingebornen, zweitens die Anwendung des in manchen Kolonien bestehenden lap ok inäsuturs auf diese, oder wie Herr Hübbe-Schleiden. der es auf unsre kolonialen Verhältnisse sehr praktisch zugeschnitten hat, es nennt, das Vertragssystem. Die Lokalisirung der Eingebornen ist nicht etwa so aufzufassen, daß die Eingebornen von Haus und Hof verjagt, ihres urbar gemachten Landes be¬ raubt und in unwirtbare Gegenden vertrieben werden sollen. Sie vollzieht sich vielmehr in der Weise, daß nach und nach die Eingebornen veranlaßt werden, sich in bestimmte und für den Zweck besonders ausgesuchte „Reserven" zu begeben, wo Europäern sich anzubauen nicht erlaubt ist. Fremde Ein- geborne, die in das Wirtschaftsgebiet übersiedeln wollen, dürfen sich überhaupt nur in den Reserven niederlassen. Das Vertragssystem besteht nach der Auslegung Hübbe-Schleidens darin, das Haupt einer farbigen Familie dafür verantwortlich zu machen, daß ein mit deren Mitgliedern abgeschlossener Arbeitsvertrag auch von diesen gehalten werde. Bei dem. Zusammenwohnen der Eingebornen auf genau bestimmtem Gebiet und der dadurch bedeutend erleichterten Kontrolle ließen sich nun mehrere Einrichtungen einführen, die in Java großen Erfolg haben. Eine davon wäre der sogenannte „Heeredienst," eine gewisse Arbeitsleistung für die Regie¬ rung. Diese geschieht unentgeltlich und sollte vor allen Dingen für die An¬ legung brauchbarer Verkehrswege im Wirtschaftsgebiete verwandt werden. Ferner wäre der Anbau leicht verkäuflicher Rohprodukte durch die Eingebornen in den Lokationen zu empfehlen. Der Gewinn, den Java aus dem für die Regierung in ähnlicher Weise gebauten Kaffee erzielt, beläuft sich jährlich auf Millionen. Nur ist in Afrika die Lokation der Eingebornen vorher einzu¬ führen, da die Methode ohne Kontrolle nicht durchführbar wäre. Auch der Mission öffnet sich ein weites Feld der Thätigkeit. Sie sollte, weit mehr als es bisher geschehen ist, aus der Zahl ihrer farbigen Bekehrten Missionare ausbilden und energischer mit der Errichtung von Industrieschulen vorgehen. Die aus solchen Schulen hervorgehenden Handwerker und ge¬ schulten Arbeiter bilden in allen Kolonien, wo sie sich finden, eine gesuchte Menschenklasse. Der arbeitende Neger aber erwirbt, und er gelangt zu Besitz, mithin wird er steuerfähig. Die Lokationen aber gewähren uns den Vorteil, eine Steuer, wenn sie einmal eingeführt ist, verhältnismäßig leicht zu erheben. Die Steuer wird der Eingeborne zu leisten haben als Entgelt für die erzieherische Sorgfalt, die die Negierung auf ihn verwandt hat, gerade wie sie jedem Staatsbürger im Staatsinteresse erwächst. Diese Steuerleistung wird sich ausdrücken können

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/538>, abgerufen am 28.09.2024.