Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Erweiterung der Erbschaftssteuer

Meistens pflegt man bei der Erbschaftssteuer nur an "lachende Erben"
zu denken, und diesen gegenüber kann man sogar eine gewisse Befriedigung
fühlen, daß ihnen von dem unverhofften Gewinne der Staat etwas abnimmt.
In dem nächsten Familienkreise aber liegen die Verhältnisse durchaus nicht
immer so. Oft ist für diese schon der Todesfall an sich ein schweres Unglück.
Wenn ein Vater, der durch seine geistige Thätigkeit (als Geschäftsmann, Arzt,
Anwalt u. f. w.) seiner Familie ein Leben in reichlichem Wohlstand ermöglichte,
plötzlich vom Tode dahingerafft wird, dann fragt wohl alle Welt erschrocken:
"Ist denn wenigstens einiges Vermögen vorhanden, von dem die unglücklichen
Menschen notdürftig leben können?" Wenn dann aber zu allererst der Staat
nach denn wenigen Vermögen feine Hand ausstreckt und sagt: "Erst muß ich
meine Steuern haben!" und wenn dann die schwer betroffene Familie auch
noch als erste Folge des Todesfalles die widerwärtigen Plackereien erledigen
muß, mit denen die Feststellung der Erbschaftssteuer unabweislich verbanden
ist, so macht das den peinlichsten Eindruck.

Eine Steuer, die in ihren hohen Beträgen auf das menschliche Gefühl
oft so verletzend wirkt, wird stets die Versuchung anregen, sich ihr zu ent¬
ziehen. Mancher, der einer vollen Besteuerung feines Einkommens vielleicht
nicht widerstreben würde, wird sich doch kein Gewissen daraus machen, an der
hohen Summe einer Erbschaftssteuer so viel wie möglich zu kürzen. Die
hierfür gegebene Möglichkeit ist aber durchaus verschieden je nach der Art des
ererbten Vermögens. Wer Grundeigentum erbt, würde, da dieses offen vor¬
liegt, dessen ganzen Wert versteuern müssen. Anders, wenn die Erbschaft in
beweglichem Vermögen besteht. Den größten Bestand des beweglichen Ver¬
mögens bilden heutzutage Wertpapiere auf Inhaber. Sowie man aber nie¬
mandem ansieht, wie viel Wertpapiere er besitzt, so sieht mau auch keinem
Wertpapier um, woher es stammt. Zunächst kann nun der Erblasser selbst die
Steuer umgehen. Wenn er seinen Tod herannahen fühlt, so giebt er noch
lebend sein Vermögen seineu Angehörigen in die Hände, und dann ist es der
Erbschaftssteuer entzogen. Aber auch dem Erben selbst wird es in den meisten
Füllen nicht allzu schwer werden, sich der Steuer zu entziehen. Wenn er in
dem Geldschranke des Erblassers Wertpapiere im Betrage von 500000 Mark
vorfindet, bei der Steuerbehörde aber nur 100000 Mark als gefunden an¬
giebt, wer will ihm das Gegenteil beweisen? Natürlich sind die nächsten An¬
gehörigen des Erblassers, die mit ihm zusammen wohnen oder im Hause ab-
und zugehen, uoch weit besser als jeder andre Erbe in der Lage, den Bestand
des Vermögens zu unterdrücke". Und tausendfach wird von dieser Möglichkeit,
wie man auch über die sittliche Seite der Sache denken mag, Gebrauch ge¬
macht werden. So wird diese Steuer dadurch, daß der wirkliche Zwang zu
ihrer Entrichtung die Einzelnen ganz verschieden trifft, thatsächlich auch zu
einer relativ ungerechten.


Die Erweiterung der Erbschaftssteuer

Meistens pflegt man bei der Erbschaftssteuer nur an „lachende Erben"
zu denken, und diesen gegenüber kann man sogar eine gewisse Befriedigung
fühlen, daß ihnen von dem unverhofften Gewinne der Staat etwas abnimmt.
In dem nächsten Familienkreise aber liegen die Verhältnisse durchaus nicht
immer so. Oft ist für diese schon der Todesfall an sich ein schweres Unglück.
Wenn ein Vater, der durch seine geistige Thätigkeit (als Geschäftsmann, Arzt,
Anwalt u. f. w.) seiner Familie ein Leben in reichlichem Wohlstand ermöglichte,
plötzlich vom Tode dahingerafft wird, dann fragt wohl alle Welt erschrocken:
„Ist denn wenigstens einiges Vermögen vorhanden, von dem die unglücklichen
Menschen notdürftig leben können?" Wenn dann aber zu allererst der Staat
nach denn wenigen Vermögen feine Hand ausstreckt und sagt: „Erst muß ich
meine Steuern haben!" und wenn dann die schwer betroffene Familie auch
noch als erste Folge des Todesfalles die widerwärtigen Plackereien erledigen
muß, mit denen die Feststellung der Erbschaftssteuer unabweislich verbanden
ist, so macht das den peinlichsten Eindruck.

Eine Steuer, die in ihren hohen Beträgen auf das menschliche Gefühl
oft so verletzend wirkt, wird stets die Versuchung anregen, sich ihr zu ent¬
ziehen. Mancher, der einer vollen Besteuerung feines Einkommens vielleicht
nicht widerstreben würde, wird sich doch kein Gewissen daraus machen, an der
hohen Summe einer Erbschaftssteuer so viel wie möglich zu kürzen. Die
hierfür gegebene Möglichkeit ist aber durchaus verschieden je nach der Art des
ererbten Vermögens. Wer Grundeigentum erbt, würde, da dieses offen vor¬
liegt, dessen ganzen Wert versteuern müssen. Anders, wenn die Erbschaft in
beweglichem Vermögen besteht. Den größten Bestand des beweglichen Ver¬
mögens bilden heutzutage Wertpapiere auf Inhaber. Sowie man aber nie¬
mandem ansieht, wie viel Wertpapiere er besitzt, so sieht mau auch keinem
Wertpapier um, woher es stammt. Zunächst kann nun der Erblasser selbst die
Steuer umgehen. Wenn er seinen Tod herannahen fühlt, so giebt er noch
lebend sein Vermögen seineu Angehörigen in die Hände, und dann ist es der
Erbschaftssteuer entzogen. Aber auch dem Erben selbst wird es in den meisten
Füllen nicht allzu schwer werden, sich der Steuer zu entziehen. Wenn er in
dem Geldschranke des Erblassers Wertpapiere im Betrage von 500000 Mark
vorfindet, bei der Steuerbehörde aber nur 100000 Mark als gefunden an¬
giebt, wer will ihm das Gegenteil beweisen? Natürlich sind die nächsten An¬
gehörigen des Erblassers, die mit ihm zusammen wohnen oder im Hause ab-
und zugehen, uoch weit besser als jeder andre Erbe in der Lage, den Bestand
des Vermögens zu unterdrücke». Und tausendfach wird von dieser Möglichkeit,
wie man auch über die sittliche Seite der Sache denken mag, Gebrauch ge¬
macht werden. So wird diese Steuer dadurch, daß der wirkliche Zwang zu
ihrer Entrichtung die Einzelnen ganz verschieden trifft, thatsächlich auch zu
einer relativ ungerechten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0492" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208429"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Erweiterung der Erbschaftssteuer</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1535"> Meistens pflegt man bei der Erbschaftssteuer nur an &#x201E;lachende Erben"<lb/>
zu denken, und diesen gegenüber kann man sogar eine gewisse Befriedigung<lb/>
fühlen, daß ihnen von dem unverhofften Gewinne der Staat etwas abnimmt.<lb/>
In dem nächsten Familienkreise aber liegen die Verhältnisse durchaus nicht<lb/>
immer so. Oft ist für diese schon der Todesfall an sich ein schweres Unglück.<lb/>
Wenn ein Vater, der durch seine geistige Thätigkeit (als Geschäftsmann, Arzt,<lb/>
Anwalt u. f. w.) seiner Familie ein Leben in reichlichem Wohlstand ermöglichte,<lb/>
plötzlich vom Tode dahingerafft wird, dann fragt wohl alle Welt erschrocken:<lb/>
&#x201E;Ist denn wenigstens einiges Vermögen vorhanden, von dem die unglücklichen<lb/>
Menschen notdürftig leben können?" Wenn dann aber zu allererst der Staat<lb/>
nach denn wenigen Vermögen feine Hand ausstreckt und sagt: &#x201E;Erst muß ich<lb/>
meine Steuern haben!" und wenn dann die schwer betroffene Familie auch<lb/>
noch als erste Folge des Todesfalles die widerwärtigen Plackereien erledigen<lb/>
muß, mit denen die Feststellung der Erbschaftssteuer unabweislich verbanden<lb/>
ist, so macht das den peinlichsten Eindruck.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1536"> Eine Steuer, die in ihren hohen Beträgen auf das menschliche Gefühl<lb/>
oft so verletzend wirkt, wird stets die Versuchung anregen, sich ihr zu ent¬<lb/>
ziehen. Mancher, der einer vollen Besteuerung feines Einkommens vielleicht<lb/>
nicht widerstreben würde, wird sich doch kein Gewissen daraus machen, an der<lb/>
hohen Summe einer Erbschaftssteuer so viel wie möglich zu kürzen. Die<lb/>
hierfür gegebene Möglichkeit ist aber durchaus verschieden je nach der Art des<lb/>
ererbten Vermögens. Wer Grundeigentum erbt, würde, da dieses offen vor¬<lb/>
liegt, dessen ganzen Wert versteuern müssen. Anders, wenn die Erbschaft in<lb/>
beweglichem Vermögen besteht. Den größten Bestand des beweglichen Ver¬<lb/>
mögens bilden heutzutage Wertpapiere auf Inhaber. Sowie man aber nie¬<lb/>
mandem ansieht, wie viel Wertpapiere er besitzt, so sieht mau auch keinem<lb/>
Wertpapier um, woher es stammt. Zunächst kann nun der Erblasser selbst die<lb/>
Steuer umgehen. Wenn er seinen Tod herannahen fühlt, so giebt er noch<lb/>
lebend sein Vermögen seineu Angehörigen in die Hände, und dann ist es der<lb/>
Erbschaftssteuer entzogen. Aber auch dem Erben selbst wird es in den meisten<lb/>
Füllen nicht allzu schwer werden, sich der Steuer zu entziehen. Wenn er in<lb/>
dem Geldschranke des Erblassers Wertpapiere im Betrage von 500000 Mark<lb/>
vorfindet, bei der Steuerbehörde aber nur 100000 Mark als gefunden an¬<lb/>
giebt, wer will ihm das Gegenteil beweisen? Natürlich sind die nächsten An¬<lb/>
gehörigen des Erblassers, die mit ihm zusammen wohnen oder im Hause ab-<lb/>
und zugehen, uoch weit besser als jeder andre Erbe in der Lage, den Bestand<lb/>
des Vermögens zu unterdrücke». Und tausendfach wird von dieser Möglichkeit,<lb/>
wie man auch über die sittliche Seite der Sache denken mag, Gebrauch ge¬<lb/>
macht werden. So wird diese Steuer dadurch, daß der wirkliche Zwang zu<lb/>
ihrer Entrichtung die Einzelnen ganz verschieden trifft, thatsächlich auch zu<lb/>
einer relativ ungerechten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0492] Die Erweiterung der Erbschaftssteuer Meistens pflegt man bei der Erbschaftssteuer nur an „lachende Erben" zu denken, und diesen gegenüber kann man sogar eine gewisse Befriedigung fühlen, daß ihnen von dem unverhofften Gewinne der Staat etwas abnimmt. In dem nächsten Familienkreise aber liegen die Verhältnisse durchaus nicht immer so. Oft ist für diese schon der Todesfall an sich ein schweres Unglück. Wenn ein Vater, der durch seine geistige Thätigkeit (als Geschäftsmann, Arzt, Anwalt u. f. w.) seiner Familie ein Leben in reichlichem Wohlstand ermöglichte, plötzlich vom Tode dahingerafft wird, dann fragt wohl alle Welt erschrocken: „Ist denn wenigstens einiges Vermögen vorhanden, von dem die unglücklichen Menschen notdürftig leben können?" Wenn dann aber zu allererst der Staat nach denn wenigen Vermögen feine Hand ausstreckt und sagt: „Erst muß ich meine Steuern haben!" und wenn dann die schwer betroffene Familie auch noch als erste Folge des Todesfalles die widerwärtigen Plackereien erledigen muß, mit denen die Feststellung der Erbschaftssteuer unabweislich verbanden ist, so macht das den peinlichsten Eindruck. Eine Steuer, die in ihren hohen Beträgen auf das menschliche Gefühl oft so verletzend wirkt, wird stets die Versuchung anregen, sich ihr zu ent¬ ziehen. Mancher, der einer vollen Besteuerung feines Einkommens vielleicht nicht widerstreben würde, wird sich doch kein Gewissen daraus machen, an der hohen Summe einer Erbschaftssteuer so viel wie möglich zu kürzen. Die hierfür gegebene Möglichkeit ist aber durchaus verschieden je nach der Art des ererbten Vermögens. Wer Grundeigentum erbt, würde, da dieses offen vor¬ liegt, dessen ganzen Wert versteuern müssen. Anders, wenn die Erbschaft in beweglichem Vermögen besteht. Den größten Bestand des beweglichen Ver¬ mögens bilden heutzutage Wertpapiere auf Inhaber. Sowie man aber nie¬ mandem ansieht, wie viel Wertpapiere er besitzt, so sieht mau auch keinem Wertpapier um, woher es stammt. Zunächst kann nun der Erblasser selbst die Steuer umgehen. Wenn er seinen Tod herannahen fühlt, so giebt er noch lebend sein Vermögen seineu Angehörigen in die Hände, und dann ist es der Erbschaftssteuer entzogen. Aber auch dem Erben selbst wird es in den meisten Füllen nicht allzu schwer werden, sich der Steuer zu entziehen. Wenn er in dem Geldschranke des Erblassers Wertpapiere im Betrage von 500000 Mark vorfindet, bei der Steuerbehörde aber nur 100000 Mark als gefunden an¬ giebt, wer will ihm das Gegenteil beweisen? Natürlich sind die nächsten An¬ gehörigen des Erblassers, die mit ihm zusammen wohnen oder im Hause ab- und zugehen, uoch weit besser als jeder andre Erbe in der Lage, den Bestand des Vermögens zu unterdrücke». Und tausendfach wird von dieser Möglichkeit, wie man auch über die sittliche Seite der Sache denken mag, Gebrauch ge¬ macht werden. So wird diese Steuer dadurch, daß der wirkliche Zwang zu ihrer Entrichtung die Einzelnen ganz verschieden trifft, thatsächlich auch zu einer relativ ungerechten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/492
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/492>, abgerufen am 29.06.2024.