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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Die Erweiterung der Erbschaftssteuer

lebendige Familiengefühl zu schonen und keine Gesetze zu erlassen, die, wie man
auch die Sache wenden mag, an den sozialdemokratischen Gedanken anklingen.

Wenn wir nun auch von dieser Grundauffassung ausgehe", daß die Erb¬
schaftssteuer in ihrer Anwendung auf die nächsten Familienglieder dem innersten
Wesen der Familie widerspricht, so haben wir doch noch eine Reihe weiterer,
unmittelbar praktischer Gründe für unsre Ansicht.

Steuern zahlt niemand gern. Und doch muß der Aufwand des Staates
und der Gemeinde aus den Beiträgen ihrer Bürger bestritten werden. Eben
deshalb aber, weil nun einmal die Zahlung von Steuern einem nicht auszu¬
tilgenden Widerwillen begegnet, ist es uuter allen Umständen für den Staat
ratsam, die Steuern so aufzulegen, daß sie von den Zahlenden am wenigsten
empfunden werden. Nun könnte man ja wohl sagen: Die Erbschaftssteuer ist
gerade in dieser Beziehung eine vortreffliche Steuer, denn sie nimmt niemand
etwas, was er schon hat, fondern sie nimmt nur einen Teil von dem, was
jemand erst gewinnen will. Ob aber diese Auffassung bei der Beerbnng
durch die nächsten Angehörigen dein Bewußtsein der Menschen entspricht, ist
doch sehr fraglich. Kinder, Eltern und Ehegatten werden stets die Erbschafts¬
steuer empfinden als Wegnahme eines Stückes von dem Vermögen, das ihnen
schon gehört. Dann aber trifft die Erbschaftssteuer der Vorwurf, daß sie zu
viel auf einmal nimmt. Sie nimmt nicht ein Stück von dem Einkommen der
Menschen, das jeder als die natürliche Grundlage der Besteuerung ansieht,
sondern sie nimmt ein Stück Kapital, und darin liegt für das natürliche Ge¬
fühl etwas Verletzendes.

Nicht minder verletzend wird es in vielen Füllen empfunden werden, daß
die Erbschaftssteuer nötigt, den ganzen Bestand des ererbten Vermögens offen
darzulegen. Meistens betrachten es die Witwe und die .Kinder als eine Ehrensache,
nach dem Tode des Mannes und Vaters das von diesem betriebene Geschäft fort¬
zuführen. Bekanntlich ist es aber uach Lage der Verhältnisse für die Beteiligten
oft von großem Interesse, daß der Stand eines Vermögens nicht offenkundig
werde. Man braucht hierbei nicht an angehende Bankerottirer zu denken. In
manchen geschäftlichen Betrieben wogen die Vermögensverhältnisse auf und ab.
Ein zur Zeit schwach gehendes Geschäft kann sich auch wieder erholen, wenn
es nicht das öffentliche Vertrauen verliert. Gur mancher Kaufmann zahlt zur
Erhaltung seines Kredits die ihm auferlegte Einkommensteuer unverändert fort,
auch wenn sein Geschäft eine Periode durchmacht, die ihn zu einer Herabsetzung
wohl berechtige" würde. Tritt nun aber ein Todesfall ein, dann soll das
ganze Vermögen, der Bestand aller Schulden u. s. w. offen dargelegt werden,
nur damit der Staat seine richtige Steuer erhalte. Daß damit unter Um¬
ständen ernste Verlegenheiten bereitet werden, liegt auf der Hand. Denn zur
Angabe rein fiktiver Werte als Vermögen wird ein Erbe sich doch nicht leicht
verstehen.


Die Erweiterung der Erbschaftssteuer

lebendige Familiengefühl zu schonen und keine Gesetze zu erlassen, die, wie man
auch die Sache wenden mag, an den sozialdemokratischen Gedanken anklingen.

Wenn wir nun auch von dieser Grundauffassung ausgehe«, daß die Erb¬
schaftssteuer in ihrer Anwendung auf die nächsten Familienglieder dem innersten
Wesen der Familie widerspricht, so haben wir doch noch eine Reihe weiterer,
unmittelbar praktischer Gründe für unsre Ansicht.

Steuern zahlt niemand gern. Und doch muß der Aufwand des Staates
und der Gemeinde aus den Beiträgen ihrer Bürger bestritten werden. Eben
deshalb aber, weil nun einmal die Zahlung von Steuern einem nicht auszu¬
tilgenden Widerwillen begegnet, ist es uuter allen Umständen für den Staat
ratsam, die Steuern so aufzulegen, daß sie von den Zahlenden am wenigsten
empfunden werden. Nun könnte man ja wohl sagen: Die Erbschaftssteuer ist
gerade in dieser Beziehung eine vortreffliche Steuer, denn sie nimmt niemand
etwas, was er schon hat, fondern sie nimmt nur einen Teil von dem, was
jemand erst gewinnen will. Ob aber diese Auffassung bei der Beerbnng
durch die nächsten Angehörigen dein Bewußtsein der Menschen entspricht, ist
doch sehr fraglich. Kinder, Eltern und Ehegatten werden stets die Erbschafts¬
steuer empfinden als Wegnahme eines Stückes von dem Vermögen, das ihnen
schon gehört. Dann aber trifft die Erbschaftssteuer der Vorwurf, daß sie zu
viel auf einmal nimmt. Sie nimmt nicht ein Stück von dem Einkommen der
Menschen, das jeder als die natürliche Grundlage der Besteuerung ansieht,
sondern sie nimmt ein Stück Kapital, und darin liegt für das natürliche Ge¬
fühl etwas Verletzendes.

Nicht minder verletzend wird es in vielen Füllen empfunden werden, daß
die Erbschaftssteuer nötigt, den ganzen Bestand des ererbten Vermögens offen
darzulegen. Meistens betrachten es die Witwe und die .Kinder als eine Ehrensache,
nach dem Tode des Mannes und Vaters das von diesem betriebene Geschäft fort¬
zuführen. Bekanntlich ist es aber uach Lage der Verhältnisse für die Beteiligten
oft von großem Interesse, daß der Stand eines Vermögens nicht offenkundig
werde. Man braucht hierbei nicht an angehende Bankerottirer zu denken. In
manchen geschäftlichen Betrieben wogen die Vermögensverhältnisse auf und ab.
Ein zur Zeit schwach gehendes Geschäft kann sich auch wieder erholen, wenn
es nicht das öffentliche Vertrauen verliert. Gur mancher Kaufmann zahlt zur
Erhaltung seines Kredits die ihm auferlegte Einkommensteuer unverändert fort,
auch wenn sein Geschäft eine Periode durchmacht, die ihn zu einer Herabsetzung
wohl berechtige» würde. Tritt nun aber ein Todesfall ein, dann soll das
ganze Vermögen, der Bestand aller Schulden u. s. w. offen dargelegt werden,
nur damit der Staat seine richtige Steuer erhalte. Daß damit unter Um¬
ständen ernste Verlegenheiten bereitet werden, liegt auf der Hand. Denn zur
Angabe rein fiktiver Werte als Vermögen wird ein Erbe sich doch nicht leicht
verstehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/491>, abgerufen am 29.06.2024.