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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Eduard von Banernfeld

einer dürftigen Handlung, einer allzu spitzfindigen Charakteristik dennoch bei
einigen schwächern Werken Bauernfelds zutrifft, wollen wir nicht verhehlen.
Er ist so reich, daß er drei Viertel seines Besitztums ruhig deu zausenden
Kritikern überlassen darf.

In einem so langen Leben, wie er es gelebt hat, läßt sich viel zusammen¬
schreiben, und Vauerufeld hat das beinahe siebzig Jahre hindurch gethan. Die
Zahl seiner Stücke wird auf ein volles Hundert geschätzt, wovon im Jahre
1828 allein neun gearbeitet sind! Die glänzendste Bühne Deutschlands, das
Hofburgtheater in Wien, hat 49 seiner Stücke gebracht, und manches darunter,
so die "Bekenntnisse" und "Bürgerlich und Romantisch," steht seit 56 Jahren
mit gleicher Zugkraft auf dem Repertoire fast aller deutschen Bühnen der
Welt. Das meiste ist freilich jetzt verschollen und weder ans der Bühne noch
ans einem Buche zu studiren, da Bauernfeld in rühmlicher Selbstkritik nur
ungefähr dreißig Stücke in seine "Gesammelten Schriften" aufgenommen hat.

Er fing früh an und hörte eigentlich nie auf. Als er 18 Jahre alt war,
wurde bereits sein "Magnetiseur," ein Lustspiel in Kotzebues Manier, in der
Zeitschrift "Cicade" abgedruckt, drei Jahre später war das an Tieck erinnernde
Lustspiel ,,Die Geschwister von Nürnberg" fertig, aber noch fünf Jahre ver¬
gingen, ehe er mit dem ,,Brautwerber," einem Lustspiel in Alexandrinern,
auf die Bretter des Burgtheaters gelangte. Der Erfolg war weniger als
mittelmäßig, und etwas mißmutig vergrub sich der Dichter in andre Arbeit.
Endlich im Jahre 1831 schlug "Leichtsinn aus Liebe" und bald darauf auch
das "Liebesprotokoll" vollständig durch.

Wir deuteten schon an, daß Banernfeld von einer alleinseligmachenden
Doktrin weit entfernt gewesen sei. Die Romantik, begünstigt durch seine
vertraute Freundschaft mit Moritz Schwind und Franz Schubert, beherrschte
seine früheste Zeit; damit steht seine Vorliebe für Bilder aus der deutschen
Vergangenheit im Zusammenhang. Die "Geschwister von Nürnberg" sind eine
ganz artige Umarbeitung des Grundgedankens der beiden "Edelleute von
Verona." Es fehlt ihnen nicht an theatralischer Wirkung, um so geringer ist
aber hier wie in andern romantischen Stücken die psychologische Vertiefung.
Auch die Behandlung des fünffüßigen Jambus ist bei Vauerufeld, einem ge-
bornen Epigrammatiker, vou dem bald selig, bald stürmisch wogenden Flusse
Schillers weit entfernt und erinnert viel mehr an das uach zwei Zeilen stets
zusammenklappende antithetische Wesen des Alexandriners. Auch der "Musikus
vou Augsburg" (1835), obwohl er viele heitere und anziehende Züge enthält,
leidet an ähnlichen Mängeln. Noch ein drittesmal versuchte sich der Dichter
in der Romantik: er brachte auf das Josefstädter Theater sein dramatisches
Märchen "Fortnnat," zugleich mit der gesamten phantastischen Zuthat von
Zaubersäckel und Wünschhütlein, wie es bei Tieck beliebt war. Aber auch
dieses Stück fand keinen Anklang.


Eduard von Banernfeld

einer dürftigen Handlung, einer allzu spitzfindigen Charakteristik dennoch bei
einigen schwächern Werken Bauernfelds zutrifft, wollen wir nicht verhehlen.
Er ist so reich, daß er drei Viertel seines Besitztums ruhig deu zausenden
Kritikern überlassen darf.

In einem so langen Leben, wie er es gelebt hat, läßt sich viel zusammen¬
schreiben, und Vauerufeld hat das beinahe siebzig Jahre hindurch gethan. Die
Zahl seiner Stücke wird auf ein volles Hundert geschätzt, wovon im Jahre
1828 allein neun gearbeitet sind! Die glänzendste Bühne Deutschlands, das
Hofburgtheater in Wien, hat 49 seiner Stücke gebracht, und manches darunter,
so die „Bekenntnisse" und „Bürgerlich und Romantisch," steht seit 56 Jahren
mit gleicher Zugkraft auf dem Repertoire fast aller deutschen Bühnen der
Welt. Das meiste ist freilich jetzt verschollen und weder ans der Bühne noch
ans einem Buche zu studiren, da Bauernfeld in rühmlicher Selbstkritik nur
ungefähr dreißig Stücke in seine „Gesammelten Schriften" aufgenommen hat.

Er fing früh an und hörte eigentlich nie auf. Als er 18 Jahre alt war,
wurde bereits sein „Magnetiseur," ein Lustspiel in Kotzebues Manier, in der
Zeitschrift „Cicade" abgedruckt, drei Jahre später war das an Tieck erinnernde
Lustspiel ,,Die Geschwister von Nürnberg" fertig, aber noch fünf Jahre ver¬
gingen, ehe er mit dem ,,Brautwerber," einem Lustspiel in Alexandrinern,
auf die Bretter des Burgtheaters gelangte. Der Erfolg war weniger als
mittelmäßig, und etwas mißmutig vergrub sich der Dichter in andre Arbeit.
Endlich im Jahre 1831 schlug „Leichtsinn aus Liebe" und bald darauf auch
das „Liebesprotokoll" vollständig durch.

Wir deuteten schon an, daß Banernfeld von einer alleinseligmachenden
Doktrin weit entfernt gewesen sei. Die Romantik, begünstigt durch seine
vertraute Freundschaft mit Moritz Schwind und Franz Schubert, beherrschte
seine früheste Zeit; damit steht seine Vorliebe für Bilder aus der deutschen
Vergangenheit im Zusammenhang. Die „Geschwister von Nürnberg" sind eine
ganz artige Umarbeitung des Grundgedankens der beiden „Edelleute von
Verona." Es fehlt ihnen nicht an theatralischer Wirkung, um so geringer ist
aber hier wie in andern romantischen Stücken die psychologische Vertiefung.
Auch die Behandlung des fünffüßigen Jambus ist bei Vauerufeld, einem ge-
bornen Epigrammatiker, vou dem bald selig, bald stürmisch wogenden Flusse
Schillers weit entfernt und erinnert viel mehr an das uach zwei Zeilen stets
zusammenklappende antithetische Wesen des Alexandriners. Auch der „Musikus
vou Augsburg" (1835), obwohl er viele heitere und anziehende Züge enthält,
leidet an ähnlichen Mängeln. Noch ein drittesmal versuchte sich der Dichter
in der Romantik: er brachte auf das Josefstädter Theater sein dramatisches
Märchen „Fortnnat," zugleich mit der gesamten phantastischen Zuthat von
Zaubersäckel und Wünschhütlein, wie es bei Tieck beliebt war. Aber auch
dieses Stück fand keinen Anklang.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/466>, abgerufen am 28.09.2024.