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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Der Aolomalrat und die Zukunft Gswfrikas

reits 1200000 Mark. Der Wert der Gcsamtnusfuhr ans dein dentsch-
ostafrikanischen Gebiete betrug laut Aufstellung der Ostafrikanischen Gesellschaft
in dem Jahre August 1888 Ins August 1889 rund 4200000 Mark. Wenn
wir annehme", daß nach Abzug von allerhaud Kosten u. s. w. die Hälfte dieser
Summe wirklich Einnahme gewesen sei, so erweisen wir der Produktionsfähig-
keit Ostafrikas und der Verwaltung des Gebietes alle Ehre. Diese Hälfte
beträgt 2100000 Mark. Nach Abzug der Unterhaltungskosten für 1700 Mann
bleiben uns 900000 Mark zur Bestreitung der Ofsiziersgehalte, der Unter¬
haltung der Dampfer und des ganzen Verwaltungsapparates. Das hieße aber
diese Verwaltung um ihrer selbst willen unterhalten, selbst wenn diese 900000
Mark hinreichten, alle weitern Unkosten zu decken. Ich kann nun nicht glauben,
daß eine Kolonie uns von Vorteil sein kann, wenn sie nnr Geldopfer erheischt,
statt Einkünfte zu bringen, denn wie gesagt, das Endziel unsrer Kolonialpolitik
kann nur materieller Vorteil für das Mutterland sein.

Man kann nun entgegnen, daß die Truppe immer uoch nötig sei, um in
unserm Gebiete Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, das Emporblühen
von Handel und Gewerbe zu unterstützen u. s. w. Das sind jedoch billige
Redensarten. Entweder -- und es wäre ein schlechtes Kompliment für den
Herrn Reichskommissar, daran zu zweifeln -- ist Ruhe und Ordnung her¬
gestellt und die Eingebornen haben ihre Unterwerfung erklärt, dann ist eine
so große Truppenmacht unnötig; den Zustand des Friedens zu erhalten, würde
eine kleinere Macht genügen. Oder es sind noch Keime des Aufstandes vor¬
handen, dann ist es ein Unrecht, zu sagen, der Aufstand sei unterdrückt; es wäre
aber auch ein Zeichen, daß es noch lange dauern wird, ehe wir wirklich Herr
der Situation werden, und es müßte, dn wir uns, um unsern Besitz zu halten,
zur Unterhaltung einer bedeutenden Truppenzahl genötigt sehen, die Entstehung
eines militärischen Kolonisativnsshstems zur Folge haben, wie wir an allen
romanischen Kvlouisationsversnchen sehen tonnen, des denkbar untauglichsten.

Aber die Truppen sind nötig, um das Emporblühen von Handel und
Gewerbe zu schützen! Daß Handel und Gewerbe eines sichern Schutzes, der
Bürgschaft für Leben und Eigentum bedürfen, wird niemand bestreiten, aber
erstens fragt es sich, ob dieser Schutz durch eine solche Truppe wirklich aus¬
geübt werden kann, zweitens ob er sich nicht auf andre Weise herbeiführen
läßt, drittens ist es doch ein eigentümlicher Schlitz, der die Einkünfte des
Landes verzehrt, ja das Land in Schulden stürzt.

Aber uoch ein andrer Punkt erregt unser Bedenken. Welche Absicht liegt
dem Unterhalt einer größern Truppenmacht nach Herstellung des Friedens zu
Grunde? Meines Erachtens der, wenn auch nicht ausgesprochene, so doch
vielleicht empfundene, unklar empfundene Wunsch, das ostafrikanische Gebiet zu
beherrschen. Das klingt sehr einfach, gewinnt aber gleich ganz andre Bedeutung,
wenn wir das Wort "beherrschen" ein wenig zergliedern und auslegen. Nehmen


Der Aolomalrat und die Zukunft Gswfrikas

reits 1200000 Mark. Der Wert der Gcsamtnusfuhr ans dein dentsch-
ostafrikanischen Gebiete betrug laut Aufstellung der Ostafrikanischen Gesellschaft
in dem Jahre August 1888 Ins August 1889 rund 4200000 Mark. Wenn
wir annehme», daß nach Abzug von allerhaud Kosten u. s. w. die Hälfte dieser
Summe wirklich Einnahme gewesen sei, so erweisen wir der Produktionsfähig-
keit Ostafrikas und der Verwaltung des Gebietes alle Ehre. Diese Hälfte
beträgt 2100000 Mark. Nach Abzug der Unterhaltungskosten für 1700 Mann
bleiben uns 900000 Mark zur Bestreitung der Ofsiziersgehalte, der Unter¬
haltung der Dampfer und des ganzen Verwaltungsapparates. Das hieße aber
diese Verwaltung um ihrer selbst willen unterhalten, selbst wenn diese 900000
Mark hinreichten, alle weitern Unkosten zu decken. Ich kann nun nicht glauben,
daß eine Kolonie uns von Vorteil sein kann, wenn sie nnr Geldopfer erheischt,
statt Einkünfte zu bringen, denn wie gesagt, das Endziel unsrer Kolonialpolitik
kann nur materieller Vorteil für das Mutterland sein.

Man kann nun entgegnen, daß die Truppe immer uoch nötig sei, um in
unserm Gebiete Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, das Emporblühen
von Handel und Gewerbe zu unterstützen u. s. w. Das sind jedoch billige
Redensarten. Entweder — und es wäre ein schlechtes Kompliment für den
Herrn Reichskommissar, daran zu zweifeln — ist Ruhe und Ordnung her¬
gestellt und die Eingebornen haben ihre Unterwerfung erklärt, dann ist eine
so große Truppenmacht unnötig; den Zustand des Friedens zu erhalten, würde
eine kleinere Macht genügen. Oder es sind noch Keime des Aufstandes vor¬
handen, dann ist es ein Unrecht, zu sagen, der Aufstand sei unterdrückt; es wäre
aber auch ein Zeichen, daß es noch lange dauern wird, ehe wir wirklich Herr
der Situation werden, und es müßte, dn wir uns, um unsern Besitz zu halten,
zur Unterhaltung einer bedeutenden Truppenzahl genötigt sehen, die Entstehung
eines militärischen Kolonisativnsshstems zur Folge haben, wie wir an allen
romanischen Kvlouisationsversnchen sehen tonnen, des denkbar untauglichsten.

Aber die Truppen sind nötig, um das Emporblühen von Handel und
Gewerbe zu schützen! Daß Handel und Gewerbe eines sichern Schutzes, der
Bürgschaft für Leben und Eigentum bedürfen, wird niemand bestreiten, aber
erstens fragt es sich, ob dieser Schutz durch eine solche Truppe wirklich aus¬
geübt werden kann, zweitens ob er sich nicht auf andre Weise herbeiführen
läßt, drittens ist es doch ein eigentümlicher Schlitz, der die Einkünfte des
Landes verzehrt, ja das Land in Schulden stürzt.

Aber uoch ein andrer Punkt erregt unser Bedenken. Welche Absicht liegt
dem Unterhalt einer größern Truppenmacht nach Herstellung des Friedens zu
Grunde? Meines Erachtens der, wenn auch nicht ausgesprochene, so doch
vielleicht empfundene, unklar empfundene Wunsch, das ostafrikanische Gebiet zu
beherrschen. Das klingt sehr einfach, gewinnt aber gleich ganz andre Bedeutung,
wenn wir das Wort „beherrschen" ein wenig zergliedern und auslegen. Nehmen


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[0447] Der Aolomalrat und die Zukunft Gswfrikas reits 1200000 Mark. Der Wert der Gcsamtnusfuhr ans dein dentsch- ostafrikanischen Gebiete betrug laut Aufstellung der Ostafrikanischen Gesellschaft in dem Jahre August 1888 Ins August 1889 rund 4200000 Mark. Wenn wir annehme», daß nach Abzug von allerhaud Kosten u. s. w. die Hälfte dieser Summe wirklich Einnahme gewesen sei, so erweisen wir der Produktionsfähig- keit Ostafrikas und der Verwaltung des Gebietes alle Ehre. Diese Hälfte beträgt 2100000 Mark. Nach Abzug der Unterhaltungskosten für 1700 Mann bleiben uns 900000 Mark zur Bestreitung der Ofsiziersgehalte, der Unter¬ haltung der Dampfer und des ganzen Verwaltungsapparates. Das hieße aber diese Verwaltung um ihrer selbst willen unterhalten, selbst wenn diese 900000 Mark hinreichten, alle weitern Unkosten zu decken. Ich kann nun nicht glauben, daß eine Kolonie uns von Vorteil sein kann, wenn sie nnr Geldopfer erheischt, statt Einkünfte zu bringen, denn wie gesagt, das Endziel unsrer Kolonialpolitik kann nur materieller Vorteil für das Mutterland sein. Man kann nun entgegnen, daß die Truppe immer uoch nötig sei, um in unserm Gebiete Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, das Emporblühen von Handel und Gewerbe zu unterstützen u. s. w. Das sind jedoch billige Redensarten. Entweder — und es wäre ein schlechtes Kompliment für den Herrn Reichskommissar, daran zu zweifeln — ist Ruhe und Ordnung her¬ gestellt und die Eingebornen haben ihre Unterwerfung erklärt, dann ist eine so große Truppenmacht unnötig; den Zustand des Friedens zu erhalten, würde eine kleinere Macht genügen. Oder es sind noch Keime des Aufstandes vor¬ handen, dann ist es ein Unrecht, zu sagen, der Aufstand sei unterdrückt; es wäre aber auch ein Zeichen, daß es noch lange dauern wird, ehe wir wirklich Herr der Situation werden, und es müßte, dn wir uns, um unsern Besitz zu halten, zur Unterhaltung einer bedeutenden Truppenzahl genötigt sehen, die Entstehung eines militärischen Kolonisativnsshstems zur Folge haben, wie wir an allen romanischen Kvlouisationsversnchen sehen tonnen, des denkbar untauglichsten. Aber die Truppen sind nötig, um das Emporblühen von Handel und Gewerbe zu schützen! Daß Handel und Gewerbe eines sichern Schutzes, der Bürgschaft für Leben und Eigentum bedürfen, wird niemand bestreiten, aber erstens fragt es sich, ob dieser Schutz durch eine solche Truppe wirklich aus¬ geübt werden kann, zweitens ob er sich nicht auf andre Weise herbeiführen läßt, drittens ist es doch ein eigentümlicher Schlitz, der die Einkünfte des Landes verzehrt, ja das Land in Schulden stürzt. Aber uoch ein andrer Punkt erregt unser Bedenken. Welche Absicht liegt dem Unterhalt einer größern Truppenmacht nach Herstellung des Friedens zu Grunde? Meines Erachtens der, wenn auch nicht ausgesprochene, so doch vielleicht empfundene, unklar empfundene Wunsch, das ostafrikanische Gebiet zu beherrschen. Das klingt sehr einfach, gewinnt aber gleich ganz andre Bedeutung, wenn wir das Wort „beherrschen" ein wenig zergliedern und auslegen. Nehmen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/447>, abgerufen am 28.09.2024.