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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Her Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

wir vor der Hand bloß an, es bedeute Beherrschung der größten Karawanen-
straßcn, Anlegung von Forts an den wichtigsten Plätzen, Bestrafung großer
Verbrechen u. s. w. Dann mache man sich klar, daß Ostafrika etwa 1000000
Quadratkilometer groß ist, etwa doppelt so groß als das deutsche Reich, daß
keine Wege und keine Verkehrsmittel vorhanden sind, daß Teile des Landes
zu gewissen Jahreszeiten unpassirbar sind, und ich glaube, es wird auch dem
größten Schwärmer erklärlich sein, daß 1700 Mann, selbst bei allem guten
Willen und unter der schneidigsten Führung, nicht ausreichen, diese Aufgabe
zu erfüllen. Auf der einen Seite ist also die Truppe zu klein, auf der andern
zu kostspielig, viel zu groß.

Daraus geht eigentlich ziemlich dentlich die Notwendigkeit wenigstens ihrer
allmählichen Herabsetzung hervor. Man wird einwerfen, dann höre die Truppe
ja ganz auf, Truppe zu sein, was sollten eine Hand voll Soldaten in der
Kolonie? Das ist keine ganz unrichtige Frage, und es bleibt uns ebeu nur
die Antwort darauf: Wir brauchen leine Truppe in der Kolonie, wenigstens
nicht das, was man unter "Truppe" zu verstehen Pflegt. Wohl bedürfen
wir einer Exekutivgewalt, allein der Beweis ist noch nicht erbracht, daß diese
durchaus die Gestalt von geschulten Soldaten annehmen müsse.

Vergessen wir ferner eins nicht. Mit einer größern Truppeumenge im
Innern des Landes zu operiren, ist überhaupt ausgeschlossen, auch eine größere
Truppenmacht würde doch ihre Thätigkeit auf die Küste und deren Nähe be¬
schränken müssen, sie hat es auch bei alleu Kämpfen gethan. In allen Verwick¬
lungen ist sie aber, und zwar aufs wirksamste, von unsrer Marine unter¬
stützt worden, ja sie hätte vielleicht sogar ohne deren Hilfe alle die schönen
vorliegenden Erfolge viel schwerer erkaufen müssen. Vermindern oder ändern
wir nun auch unsre Landmacht in Zahl oder Charakter, des kräftigen Bei¬
standes unsrer tüchtigen Kriegsmarine bleiben wir ja nach wie vor gewiß.

Aus dem Gesichtspunkte der Sparsamkeit heraus, sowohl als um den
Fehler zu vermeiden, Unternehmen zu beginnen, deren Ausführung unsre Kräfte
gänzlich übersteigt, erscheint es also ratsam, die ostafrikanische Kolouialtruppe zu
vermindern; dennoch werden wir sie auf solchem Machtfuße halten müssen, daß
sie als Exekutivgewalt wirksam bleibt.

Um zu bemessen, bei welcher Stärke dies erst der Fall sei, werden wir
uus zunächst darüber klar werden müssen, was wir denn eigentlich von der
Truppe -- so wollen wir sie auch in ihrer verminderten oder veränderten
Gestalt weiter benennen -- fordern oder erwarten. Schutz unsers Lebens und
unsrer Unternehmungen in Ostafrika, wird natürlich jeder antworten und es
unbegreiflich finden, daß man darüber einen Augenblick im Zweifel sein kann.
Nun soll es aber einem besonders unternehmenden Deutschen einfallen, einen
Hcmdelszug nach Ukvuvugv zu machen, ein andrer hält Jturu für ein aus¬
gezeichnetes Gebiet, um eine Elfenbeinniederlage zu errichten. Sie versprechen


Her Rolonialrat und die Zukunft Gstafrikas

wir vor der Hand bloß an, es bedeute Beherrschung der größten Karawanen-
straßcn, Anlegung von Forts an den wichtigsten Plätzen, Bestrafung großer
Verbrechen u. s. w. Dann mache man sich klar, daß Ostafrika etwa 1000000
Quadratkilometer groß ist, etwa doppelt so groß als das deutsche Reich, daß
keine Wege und keine Verkehrsmittel vorhanden sind, daß Teile des Landes
zu gewissen Jahreszeiten unpassirbar sind, und ich glaube, es wird auch dem
größten Schwärmer erklärlich sein, daß 1700 Mann, selbst bei allem guten
Willen und unter der schneidigsten Führung, nicht ausreichen, diese Aufgabe
zu erfüllen. Auf der einen Seite ist also die Truppe zu klein, auf der andern
zu kostspielig, viel zu groß.

Daraus geht eigentlich ziemlich dentlich die Notwendigkeit wenigstens ihrer
allmählichen Herabsetzung hervor. Man wird einwerfen, dann höre die Truppe
ja ganz auf, Truppe zu sein, was sollten eine Hand voll Soldaten in der
Kolonie? Das ist keine ganz unrichtige Frage, und es bleibt uns ebeu nur
die Antwort darauf: Wir brauchen leine Truppe in der Kolonie, wenigstens
nicht das, was man unter „Truppe" zu verstehen Pflegt. Wohl bedürfen
wir einer Exekutivgewalt, allein der Beweis ist noch nicht erbracht, daß diese
durchaus die Gestalt von geschulten Soldaten annehmen müsse.

Vergessen wir ferner eins nicht. Mit einer größern Truppeumenge im
Innern des Landes zu operiren, ist überhaupt ausgeschlossen, auch eine größere
Truppenmacht würde doch ihre Thätigkeit auf die Küste und deren Nähe be¬
schränken müssen, sie hat es auch bei alleu Kämpfen gethan. In allen Verwick¬
lungen ist sie aber, und zwar aufs wirksamste, von unsrer Marine unter¬
stützt worden, ja sie hätte vielleicht sogar ohne deren Hilfe alle die schönen
vorliegenden Erfolge viel schwerer erkaufen müssen. Vermindern oder ändern
wir nun auch unsre Landmacht in Zahl oder Charakter, des kräftigen Bei¬
standes unsrer tüchtigen Kriegsmarine bleiben wir ja nach wie vor gewiß.

Aus dem Gesichtspunkte der Sparsamkeit heraus, sowohl als um den
Fehler zu vermeiden, Unternehmen zu beginnen, deren Ausführung unsre Kräfte
gänzlich übersteigt, erscheint es also ratsam, die ostafrikanische Kolouialtruppe zu
vermindern; dennoch werden wir sie auf solchem Machtfuße halten müssen, daß
sie als Exekutivgewalt wirksam bleibt.

Um zu bemessen, bei welcher Stärke dies erst der Fall sei, werden wir
uus zunächst darüber klar werden müssen, was wir denn eigentlich von der
Truppe — so wollen wir sie auch in ihrer verminderten oder veränderten
Gestalt weiter benennen — fordern oder erwarten. Schutz unsers Lebens und
unsrer Unternehmungen in Ostafrika, wird natürlich jeder antworten und es
unbegreiflich finden, daß man darüber einen Augenblick im Zweifel sein kann.
Nun soll es aber einem besonders unternehmenden Deutschen einfallen, einen
Hcmdelszug nach Ukvuvugv zu machen, ein andrer hält Jturu für ein aus¬
gezeichnetes Gebiet, um eine Elfenbeinniederlage zu errichten. Sie versprechen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/448>, abgerufen am 25.06.2024.