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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Ich leugne das nicht, antwortete Ebbn, die sicherlich ebenso erfüllt war
von dem Sprecher selbst, als von dein, was er sagte; aber wenn Sie nun
Irtt-xg. finden, was dann?

Ja, was dann? -- dann habe ich nichts mehr zu suchen, antwortete Blau
lächelnd.

Gar nichts mehr? fragte sie, das wäre ja traurig.

O ja, vielleicht doch! Ich fange an zu glauben, daß das Leben mir ein
neues Gedicht gönnt.

Es entstand eine längere Pause. Edda ging bald darauf zur Ruhe, aber
der Pachter und Blau blieben noch eine Zeit lang sitzen.

Da fällt mir ein, sagte Redstedt plötzlich, einer Ihres Namens muß
früher Östbäck besessen haben; ich erinnere mich, daß der Freiherr davon sprach.

Ist das wahr? rief Blau. Irren Sie sich auch uicht?

Es ist mir ganz so. Aber Sie können ja selbst morgen das Archiv
durchstöbern.

Giebt es hier auf dem Gut ein ordentliches Archiv?

Ordentlich will ich es gerade nicht nennen, denn es liegt alles durch
einander auf der Diele in der linken Turmkammer; aber Dokumente und Bücher
giebt es genug, obgleich vor einigen Jahren ein ganzes Fuder Makulatur nach
Kopenhagen verkauft worden ist.

Ich muß hinauf in die Turmkammer, erklärte Blau, es interessirt mich
außerordentlich!

Aber Sie müssen bis morgen warten.

Das mußte er denn auch, so ungern er es auch that. Aber kaum graute
der Tag, so saß Blau auch schou bis über die Ohren in staubigen Aktenstücken.

Eine flüchtige Untersuchung belehrte ihn jedoch bald darüber, daß sich
aus der Turmkammer kaum irgend ein Veitrag zu der Geschichte seines Ge¬
schlechts würde holen lassen, denn was sich fand, waren fast ausschließlich
alte Rechnungen, Quittungen und dergleichen. Die Dokumente, die ein Inter¬
esse gehabt hatten, mußten offenbar anderswohin gebracht worden sein. Gegen
Mittag kam er vom Archiv herunter und ging zum See hinab, um dort sein
tägliches Suchen fortzusetzen.

Er bog gerade aus dem Unterholz hinaus, als er plötzlich etwas sah,
das ihn mit einem Ruck zum Stehenbleiben zwang. Ein paar hundert Schritte
davon saß Edda auf dem Grasabhcmg um See, im Begriff, Schuhe und
Strümpfe auszuziehen; er erblickte einen feinen weißen Fuß, an dem ein
schwarzer Strumpf herabglitt. Blau wandte sich ab und ging in das Gebüsch
zurück, denn er war selbstverständlich eine zu ritterliche Natur, um eine Dame
in dem Augenblicke zu beobachten, wo sie sich unbeobachtet glaubte. Als er
jedoch ein paar Minuten gewartet hatte, kam ihm plötzlich der Gedanke, daß
sie hinab zum See gegangen sein müsse, um zu suche" -- nein, das mußte er


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Ich leugne das nicht, antwortete Ebbn, die sicherlich ebenso erfüllt war
von dem Sprecher selbst, als von dein, was er sagte; aber wenn Sie nun
Irtt-xg. finden, was dann?

Ja, was dann? — dann habe ich nichts mehr zu suchen, antwortete Blau
lächelnd.

Gar nichts mehr? fragte sie, das wäre ja traurig.

O ja, vielleicht doch! Ich fange an zu glauben, daß das Leben mir ein
neues Gedicht gönnt.

Es entstand eine längere Pause. Edda ging bald darauf zur Ruhe, aber
der Pachter und Blau blieben noch eine Zeit lang sitzen.

Da fällt mir ein, sagte Redstedt plötzlich, einer Ihres Namens muß
früher Östbäck besessen haben; ich erinnere mich, daß der Freiherr davon sprach.

Ist das wahr? rief Blau. Irren Sie sich auch uicht?

Es ist mir ganz so. Aber Sie können ja selbst morgen das Archiv
durchstöbern.

Giebt es hier auf dem Gut ein ordentliches Archiv?

Ordentlich will ich es gerade nicht nennen, denn es liegt alles durch
einander auf der Diele in der linken Turmkammer; aber Dokumente und Bücher
giebt es genug, obgleich vor einigen Jahren ein ganzes Fuder Makulatur nach
Kopenhagen verkauft worden ist.

Ich muß hinauf in die Turmkammer, erklärte Blau, es interessirt mich
außerordentlich!

Aber Sie müssen bis morgen warten.

Das mußte er denn auch, so ungern er es auch that. Aber kaum graute
der Tag, so saß Blau auch schou bis über die Ohren in staubigen Aktenstücken.

Eine flüchtige Untersuchung belehrte ihn jedoch bald darüber, daß sich
aus der Turmkammer kaum irgend ein Veitrag zu der Geschichte seines Ge¬
schlechts würde holen lassen, denn was sich fand, waren fast ausschließlich
alte Rechnungen, Quittungen und dergleichen. Die Dokumente, die ein Inter¬
esse gehabt hatten, mußten offenbar anderswohin gebracht worden sein. Gegen
Mittag kam er vom Archiv herunter und ging zum See hinab, um dort sein
tägliches Suchen fortzusetzen.

Er bog gerade aus dem Unterholz hinaus, als er plötzlich etwas sah,
das ihn mit einem Ruck zum Stehenbleiben zwang. Ein paar hundert Schritte
davon saß Edda auf dem Grasabhcmg um See, im Begriff, Schuhe und
Strümpfe auszuziehen; er erblickte einen feinen weißen Fuß, an dem ein
schwarzer Strumpf herabglitt. Blau wandte sich ab und ging in das Gebüsch
zurück, denn er war selbstverständlich eine zu ritterliche Natur, um eine Dame
in dem Augenblicke zu beobachten, wo sie sich unbeobachtet glaubte. Als er
jedoch ein paar Minuten gewartet hatte, kam ihm plötzlich der Gedanke, daß
sie hinab zum See gegangen sein müsse, um zu suche» — nein, das mußte er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/381>, abgerufen am 26.06.2024.