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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Il-apa llatans

Obwohl Briefeschreiben sonst nicht Blaus Sache war, bekam ich doch
nach einer Woche einen Brief von ihm, worin er mit Begeisterung die
Schönheit der Gegend schilderte und sich sehr hoffnungsvoll darüber aussprach,
rmtMs zu finden, "tot oder lebend," wie er sich ausdrückte. Du
kannst übrigens glauben, es ist beschwerlich, auf Entdeckung nach unterirdischen
Pflanzen zu gehen, schrieb er, denn es giebt keinen andern Ausweg als ringsum
in den Seeufern zu waten, zwischen Schilf und Rohr, manchmal mit dem
halben Leib im Wasser; dazu ein ziemlich paradiesisches Kostüm: Strohhut,
Halstuch, Leinwandweste, dito Rock und Holzschuhe, vonn tont! Einzelne
Seltenheiten habe ich gefunden, und es geht mir im ganzen genommen vor¬
trefflich. Ich wohne bei dem wohlgeborner Kristen Thomsen, Aalfänger im
Sommer und Holzschuhschnitzer im Winter, und bin sehr intim mit der ganzen
Familie. Im übrigen liegt ein großes Gut Kragebjerg in der Nähe, aber
dort gewesen bin ich noch nicht, werde auch schwerlich hinkommen.

Blau sollte jedoch mehr mit Kragebjerg zu thun bekommen, als er
ahnte, und sollte sich der Familie auf eine mehr als originelle Weife vor¬
stellen.

Wie er später selbst mit großer Zufriedenheit erzählte, war er eines Tages
bei der Untersuchung eines neuen Sees selbstverständlich im Wasserkostüm. Er
war gerade dabei, sich durch ein Röhricht zu winden, als er sich plötzlich vor
einer großen fliegenden Brücke befand, auf der die ganze Familie des dahinter
liegenden Kragebjerg ihren Nachmittagskaffee trank. Jeder andre würde gewiß
möglichst schnell den Rückzug angetreten haben, aber in dem Bewußtsein, daß
von seiner Person das, was über dein Wasser war, ziemlich untadelhaft sei,
nahm er den Strohhut ab, stellte sich vor und bat um Entschuldigung wegen
seines Eindringens auf fremdem Boden. Kragebjergs Besitzer, Herr Johcmsen,
der ein gastfreier Mann war, wollte durchaus Blau auf die Brücke haben, um
mit der Familie Kaffee zu trinken, aber dieser erklärte aufs bestimmteste, daß
er nie Kaffee trinke, und nachdem er das feste Versprechen abgelegt hatte,
eitlen Besuch ans dein Gute zu machen, gab man ihn schließlich frei. Der
Besuch wurde gemacht, es folgten andre, und eines schönen Tages überraschte
Otus Blau, dessen Leben ja im ganzen genommen aus einer Reihe von
Improvisationen bestand, Freunde und Bekannte mit dem Kauf von Kragebjerg,
das sein Besitzer gern hatte los sein wollen, da es eines jener Besitztümer
war, die vortrefflich für einen Mann mit Vermögen passen, die sich aber nicht
bezahlen.

?rg.pg. nÄtans fand Man in diesem Sommer nicht, aber ich habe ihn
immer im Stillen in dem Verdachte gehabt, daß die Hoffnung, die Unter-
sttchungen an den vielen kleinen Seen fortsetzen zu können, bei dem Kaufe
von Kragebjerg fiir ihn mitbestimmend war. Nun war er also Grundbesitzer,
nahm sich einen tüchtigen Verwalter, war vernünftig genug, diesen in allein


Il-apa llatans

Obwohl Briefeschreiben sonst nicht Blaus Sache war, bekam ich doch
nach einer Woche einen Brief von ihm, worin er mit Begeisterung die
Schönheit der Gegend schilderte und sich sehr hoffnungsvoll darüber aussprach,
rmtMs zu finden, „tot oder lebend," wie er sich ausdrückte. Du
kannst übrigens glauben, es ist beschwerlich, auf Entdeckung nach unterirdischen
Pflanzen zu gehen, schrieb er, denn es giebt keinen andern Ausweg als ringsum
in den Seeufern zu waten, zwischen Schilf und Rohr, manchmal mit dem
halben Leib im Wasser; dazu ein ziemlich paradiesisches Kostüm: Strohhut,
Halstuch, Leinwandweste, dito Rock und Holzschuhe, vonn tont! Einzelne
Seltenheiten habe ich gefunden, und es geht mir im ganzen genommen vor¬
trefflich. Ich wohne bei dem wohlgeborner Kristen Thomsen, Aalfänger im
Sommer und Holzschuhschnitzer im Winter, und bin sehr intim mit der ganzen
Familie. Im übrigen liegt ein großes Gut Kragebjerg in der Nähe, aber
dort gewesen bin ich noch nicht, werde auch schwerlich hinkommen.

Blau sollte jedoch mehr mit Kragebjerg zu thun bekommen, als er
ahnte, und sollte sich der Familie auf eine mehr als originelle Weife vor¬
stellen.

Wie er später selbst mit großer Zufriedenheit erzählte, war er eines Tages
bei der Untersuchung eines neuen Sees selbstverständlich im Wasserkostüm. Er
war gerade dabei, sich durch ein Röhricht zu winden, als er sich plötzlich vor
einer großen fliegenden Brücke befand, auf der die ganze Familie des dahinter
liegenden Kragebjerg ihren Nachmittagskaffee trank. Jeder andre würde gewiß
möglichst schnell den Rückzug angetreten haben, aber in dem Bewußtsein, daß
von seiner Person das, was über dein Wasser war, ziemlich untadelhaft sei,
nahm er den Strohhut ab, stellte sich vor und bat um Entschuldigung wegen
seines Eindringens auf fremdem Boden. Kragebjergs Besitzer, Herr Johcmsen,
der ein gastfreier Mann war, wollte durchaus Blau auf die Brücke haben, um
mit der Familie Kaffee zu trinken, aber dieser erklärte aufs bestimmteste, daß
er nie Kaffee trinke, und nachdem er das feste Versprechen abgelegt hatte,
eitlen Besuch ans dein Gute zu machen, gab man ihn schließlich frei. Der
Besuch wurde gemacht, es folgten andre, und eines schönen Tages überraschte
Otus Blau, dessen Leben ja im ganzen genommen aus einer Reihe von
Improvisationen bestand, Freunde und Bekannte mit dem Kauf von Kragebjerg,
das sein Besitzer gern hatte los sein wollen, da es eines jener Besitztümer
war, die vortrefflich für einen Mann mit Vermögen passen, die sich aber nicht
bezahlen.

?rg.pg. nÄtans fand Man in diesem Sommer nicht, aber ich habe ihn
immer im Stillen in dem Verdachte gehabt, daß die Hoffnung, die Unter-
sttchungen an den vielen kleinen Seen fortsetzen zu können, bei dem Kaufe
von Kragebjerg fiir ihn mitbestimmend war. Nun war er also Grundbesitzer,
nahm sich einen tüchtigen Verwalter, war vernünftig genug, diesen in allein


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[0339] Il-apa llatans Obwohl Briefeschreiben sonst nicht Blaus Sache war, bekam ich doch nach einer Woche einen Brief von ihm, worin er mit Begeisterung die Schönheit der Gegend schilderte und sich sehr hoffnungsvoll darüber aussprach, rmtMs zu finden, „tot oder lebend," wie er sich ausdrückte. Du kannst übrigens glauben, es ist beschwerlich, auf Entdeckung nach unterirdischen Pflanzen zu gehen, schrieb er, denn es giebt keinen andern Ausweg als ringsum in den Seeufern zu waten, zwischen Schilf und Rohr, manchmal mit dem halben Leib im Wasser; dazu ein ziemlich paradiesisches Kostüm: Strohhut, Halstuch, Leinwandweste, dito Rock und Holzschuhe, vonn tont! Einzelne Seltenheiten habe ich gefunden, und es geht mir im ganzen genommen vor¬ trefflich. Ich wohne bei dem wohlgeborner Kristen Thomsen, Aalfänger im Sommer und Holzschuhschnitzer im Winter, und bin sehr intim mit der ganzen Familie. Im übrigen liegt ein großes Gut Kragebjerg in der Nähe, aber dort gewesen bin ich noch nicht, werde auch schwerlich hinkommen. Blau sollte jedoch mehr mit Kragebjerg zu thun bekommen, als er ahnte, und sollte sich der Familie auf eine mehr als originelle Weife vor¬ stellen. Wie er später selbst mit großer Zufriedenheit erzählte, war er eines Tages bei der Untersuchung eines neuen Sees selbstverständlich im Wasserkostüm. Er war gerade dabei, sich durch ein Röhricht zu winden, als er sich plötzlich vor einer großen fliegenden Brücke befand, auf der die ganze Familie des dahinter liegenden Kragebjerg ihren Nachmittagskaffee trank. Jeder andre würde gewiß möglichst schnell den Rückzug angetreten haben, aber in dem Bewußtsein, daß von seiner Person das, was über dein Wasser war, ziemlich untadelhaft sei, nahm er den Strohhut ab, stellte sich vor und bat um Entschuldigung wegen seines Eindringens auf fremdem Boden. Kragebjergs Besitzer, Herr Johcmsen, der ein gastfreier Mann war, wollte durchaus Blau auf die Brücke haben, um mit der Familie Kaffee zu trinken, aber dieser erklärte aufs bestimmteste, daß er nie Kaffee trinke, und nachdem er das feste Versprechen abgelegt hatte, eitlen Besuch ans dein Gute zu machen, gab man ihn schließlich frei. Der Besuch wurde gemacht, es folgten andre, und eines schönen Tages überraschte Otus Blau, dessen Leben ja im ganzen genommen aus einer Reihe von Improvisationen bestand, Freunde und Bekannte mit dem Kauf von Kragebjerg, das sein Besitzer gern hatte los sein wollen, da es eines jener Besitztümer war, die vortrefflich für einen Mann mit Vermögen passen, die sich aber nicht bezahlen. ?rg.pg. nÄtans fand Man in diesem Sommer nicht, aber ich habe ihn immer im Stillen in dem Verdachte gehabt, daß die Hoffnung, die Unter- sttchungen an den vielen kleinen Seen fortsetzen zu können, bei dem Kaufe von Kragebjerg fiir ihn mitbestimmend war. Nun war er also Grundbesitzer, nahm sich einen tüchtigen Verwalter, war vernünftig genug, diesen in allein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/339>, abgerufen am 26.06.2024.