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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Wesentlichen schalten und walten zu lassen, aber früh und spät war er auf
den Beinen, bald auf der Jagd, bald beim Fischfang, bald beschäftigt, ein
Hünengrab bloßzulegen, bald in botanische Studien oder Beobachtungen über
die Ankunftszeit der Zugvögel vertieft.

Blau lebte schon zwei Jahre auf Kragebjcrg, ohne daß es mir möglich
gewesen wäre, seinen inständiger und wiederholten Aufforderungen zu folgen
und ihm einen Besuch zu machen. Als ich aber eines Tages einen Brief von
ihm erhielt, mit einer sehr lebendigen Schilderung der Entenjagd, die auf
seinem Gebiete vorhanden sei, wo es außerdem Gelegenheit gebe, Reiher und
Rohrdommeln zu schießen, und da die Einladung mit einem kategorischen Impe¬
rativ schloß, so machte ich mich frei und fuhr zu ihm.

Ich hatte das mich nicht zu bereuen, denn er wußte gar nicht, was er
alles für mich anstellen sollte; er war unermüdlich mit mir in der Umgegend
herumzureiten, führte mich bei den Nachbarfamilien ein und war wirklich, wie
er versprochen hatte, imstande, täglich ein neues Volk herumschwimmender
flügger Entlein zu leisten. Kamen wir dann nach einer Jagd von sechs bis sieben
Stunden, ermüdet und in Schweiß gebadet, heim und hatten wir zu Mittag
gegessen, wozu Blau immer, selbst wenn er ganz allein war, sorgsame Toilette
gemacht hatte, so waren wir beide gleich froh, bei einer guten Zigarre alte
Erinnerungen aufzufrischen.

Er war im wesentlichen unverändert, auch im Äußern; nur war er in
den paar Jahren, wo ich ihn nicht gesehen hatte, ernsthafter geworden, aber
anch zugleich männlich schöner, und seine Haltung und seine Bewegungen,
namentlich wenn er zu Pferde saß, waren von einer Eleganz, die in Verbin¬
dung mit seinem chevaleresken Wesen mich eines Tages zu der Äußerung ver¬
anlaßte, daß ich jetzt alles Ernstes an seine Abstammung von der alten dünischen
Familie der Blaus glaubte.

Ich danke dir für das Kompliment, antwortete er, halb spöttisch, halb
geschmeichelt, aber ich habe wirklich weder deinen noch den Glauben andrer
nötig, um meinen eignen in diesem Punkte zu bekräftigen. Ganz gewiß fehlen
mir verschiedne Mittelglieder, damit ich mein Recht beweisen kann, das Marsche
Wappen zu führen, aber darauf lege ich weiter keinen Wert; ich begnüge mich
mit der Überzeugung, daß sich nicht durch eine Reihe von Familienmitgliedern
eine bestimmte Tradition erhalten kann, ohne daß diese begründet ist. Übrigens
bin ich nach dem, was ich kürzlich erfahren habe, sehr geneigt zu glauben, daß
das Geschlecht wirklich hier zu Lande ausgestorben sei, daß sich aber Glieder
davon in Schonen erhalten haben, von denen vermutlich der Zweig abstammt,
dem ich angehöre.

Aber welche Freude könntest du eigentlich daran haben, deine Abstammung
bewiesen zu habe"? fragte ich. Du bist doch uicht so eitel, daß du --

Nein, es ist reine Gefühlssache, unterbrach er mich, und über so etwas


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Wesentlichen schalten und walten zu lassen, aber früh und spät war er auf
den Beinen, bald auf der Jagd, bald beim Fischfang, bald beschäftigt, ein
Hünengrab bloßzulegen, bald in botanische Studien oder Beobachtungen über
die Ankunftszeit der Zugvögel vertieft.

Blau lebte schon zwei Jahre auf Kragebjcrg, ohne daß es mir möglich
gewesen wäre, seinen inständiger und wiederholten Aufforderungen zu folgen
und ihm einen Besuch zu machen. Als ich aber eines Tages einen Brief von
ihm erhielt, mit einer sehr lebendigen Schilderung der Entenjagd, die auf
seinem Gebiete vorhanden sei, wo es außerdem Gelegenheit gebe, Reiher und
Rohrdommeln zu schießen, und da die Einladung mit einem kategorischen Impe¬
rativ schloß, so machte ich mich frei und fuhr zu ihm.

Ich hatte das mich nicht zu bereuen, denn er wußte gar nicht, was er
alles für mich anstellen sollte; er war unermüdlich mit mir in der Umgegend
herumzureiten, führte mich bei den Nachbarfamilien ein und war wirklich, wie
er versprochen hatte, imstande, täglich ein neues Volk herumschwimmender
flügger Entlein zu leisten. Kamen wir dann nach einer Jagd von sechs bis sieben
Stunden, ermüdet und in Schweiß gebadet, heim und hatten wir zu Mittag
gegessen, wozu Blau immer, selbst wenn er ganz allein war, sorgsame Toilette
gemacht hatte, so waren wir beide gleich froh, bei einer guten Zigarre alte
Erinnerungen aufzufrischen.

Er war im wesentlichen unverändert, auch im Äußern; nur war er in
den paar Jahren, wo ich ihn nicht gesehen hatte, ernsthafter geworden, aber
anch zugleich männlich schöner, und seine Haltung und seine Bewegungen,
namentlich wenn er zu Pferde saß, waren von einer Eleganz, die in Verbin¬
dung mit seinem chevaleresken Wesen mich eines Tages zu der Äußerung ver¬
anlaßte, daß ich jetzt alles Ernstes an seine Abstammung von der alten dünischen
Familie der Blaus glaubte.

Ich danke dir für das Kompliment, antwortete er, halb spöttisch, halb
geschmeichelt, aber ich habe wirklich weder deinen noch den Glauben andrer
nötig, um meinen eignen in diesem Punkte zu bekräftigen. Ganz gewiß fehlen
mir verschiedne Mittelglieder, damit ich mein Recht beweisen kann, das Marsche
Wappen zu führen, aber darauf lege ich weiter keinen Wert; ich begnüge mich
mit der Überzeugung, daß sich nicht durch eine Reihe von Familienmitgliedern
eine bestimmte Tradition erhalten kann, ohne daß diese begründet ist. Übrigens
bin ich nach dem, was ich kürzlich erfahren habe, sehr geneigt zu glauben, daß
das Geschlecht wirklich hier zu Lande ausgestorben sei, daß sich aber Glieder
davon in Schonen erhalten haben, von denen vermutlich der Zweig abstammt,
dem ich angehöre.

Aber welche Freude könntest du eigentlich daran haben, deine Abstammung
bewiesen zu habe»? fragte ich. Du bist doch uicht so eitel, daß du —

Nein, es ist reine Gefühlssache, unterbrach er mich, und über so etwas


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[0340] ng,tans Wesentlichen schalten und walten zu lassen, aber früh und spät war er auf den Beinen, bald auf der Jagd, bald beim Fischfang, bald beschäftigt, ein Hünengrab bloßzulegen, bald in botanische Studien oder Beobachtungen über die Ankunftszeit der Zugvögel vertieft. Blau lebte schon zwei Jahre auf Kragebjcrg, ohne daß es mir möglich gewesen wäre, seinen inständiger und wiederholten Aufforderungen zu folgen und ihm einen Besuch zu machen. Als ich aber eines Tages einen Brief von ihm erhielt, mit einer sehr lebendigen Schilderung der Entenjagd, die auf seinem Gebiete vorhanden sei, wo es außerdem Gelegenheit gebe, Reiher und Rohrdommeln zu schießen, und da die Einladung mit einem kategorischen Impe¬ rativ schloß, so machte ich mich frei und fuhr zu ihm. Ich hatte das mich nicht zu bereuen, denn er wußte gar nicht, was er alles für mich anstellen sollte; er war unermüdlich mit mir in der Umgegend herumzureiten, führte mich bei den Nachbarfamilien ein und war wirklich, wie er versprochen hatte, imstande, täglich ein neues Volk herumschwimmender flügger Entlein zu leisten. Kamen wir dann nach einer Jagd von sechs bis sieben Stunden, ermüdet und in Schweiß gebadet, heim und hatten wir zu Mittag gegessen, wozu Blau immer, selbst wenn er ganz allein war, sorgsame Toilette gemacht hatte, so waren wir beide gleich froh, bei einer guten Zigarre alte Erinnerungen aufzufrischen. Er war im wesentlichen unverändert, auch im Äußern; nur war er in den paar Jahren, wo ich ihn nicht gesehen hatte, ernsthafter geworden, aber anch zugleich männlich schöner, und seine Haltung und seine Bewegungen, namentlich wenn er zu Pferde saß, waren von einer Eleganz, die in Verbin¬ dung mit seinem chevaleresken Wesen mich eines Tages zu der Äußerung ver¬ anlaßte, daß ich jetzt alles Ernstes an seine Abstammung von der alten dünischen Familie der Blaus glaubte. Ich danke dir für das Kompliment, antwortete er, halb spöttisch, halb geschmeichelt, aber ich habe wirklich weder deinen noch den Glauben andrer nötig, um meinen eignen in diesem Punkte zu bekräftigen. Ganz gewiß fehlen mir verschiedne Mittelglieder, damit ich mein Recht beweisen kann, das Marsche Wappen zu führen, aber darauf lege ich weiter keinen Wert; ich begnüge mich mit der Überzeugung, daß sich nicht durch eine Reihe von Familienmitgliedern eine bestimmte Tradition erhalten kann, ohne daß diese begründet ist. Übrigens bin ich nach dem, was ich kürzlich erfahren habe, sehr geneigt zu glauben, daß das Geschlecht wirklich hier zu Lande ausgestorben sei, daß sich aber Glieder davon in Schonen erhalten haben, von denen vermutlich der Zweig abstammt, dem ich angehöre. Aber welche Freude könntest du eigentlich daran haben, deine Abstammung bewiesen zu habe»? fragte ich. Du bist doch uicht so eitel, daß du — Nein, es ist reine Gefühlssache, unterbrach er mich, und über so etwas

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/340>, abgerufen am 25.07.2024.