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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische Frühlingsbilder

auf Wagen und Wege, Schade nur, daß uns die vortrefflichen Winke wenig
helfen konnten. Denn am Morgen des zweiten Ostertages waren wir wohl
rechtzeitig wach und fertig, aber weit und breit zeigte sich kein einziger der
sonst so zudringlichen Kutscher, die namentlich auf der unserm Quartier benach¬
barten Piazza ti Spagna das Ein- und Abfangen der Fremden mit Nachdruck
und Erfolg betrieben. Unter bedauerndem Achselzucken erklärten die mit den
Droschken im seeleninnigsten Einverständnis befindlichen Portiers, daß die
Kutscher nicht eingespannt hätten, um nicht früh um sieben Uhr nach dem
geringfügigen Tarif fahren zu müssen. Für zehn, zwölf, fünfzehn Lire sei wohl
noch ein Wagen zu erhalten, aber es gelte raschen Entschluß. Wohl oder
übel schickten sich die meisten der Beteiligten darein, die Prellforderungen der
Rosselenker zu bewilligen. Wer sich entschloß, den weiten Weg zum Petersplatz
zu Fuß anzutreten, der fand vielleicht noch unterwegs einen Kutscher, der keine
oder doch nur eine mäßige Überforderung stellte. In langen Reihen und von
drei Zugängen her rollten, trotz des Scheinstreiks, die Wagen schon eine Stunde
vor Beginn der Messe der Engelsbrücke zu, ein Beweis, daß das außerordent¬
liche Ostergeschäft gut gewesen war.

Die Equipagen dürfen bei Anlässen wie diesem in den Cortile ti San
Damaso einfahren, die einspännigen Droschken müssen vor dem großen Portone
ti Bronzo, dem gewöhnlichen, allen Besuchern der Rafaelischen Fresken, der
Pinakothek und der Sixtinischen Kapelle wohlbekannten Eingange halten. Mit
dem Schritt durchs Thor betritt man nun das wunderbare Gebiet, in dem der
Papst fortfährt, als Souverän zu herrschen, nachdem das Patrimonium Petri
an das Königreich Italien verloren gegangen ist. Die Schweizergarde in ihrer
halb mittelalterlichen, halb modern militärischen Kleidung hält in dichten
Gruppen jeden Eingang besetzt, ihre Gewehre klirren so kriegerisch auf dem
Marmorboden, als dächten sie, bei Gelegenheit im Ernst Blut zu vergießen;
Purpurne Kämmerlinge weisen den Weg. Die prachtvolle, wahrhaft königliche
Scala Regia bleibt links liegen, der Hof des heiligen Damasus mit den Loggien
Brcnncmtes wird flüchtig überschritten, denn der Zudrang zur Hauptthür der
rechten Palastseite erweckt die Vorstellung, daß Eile nötig sei. Mit jedem
Schritte weiter, jedem Schritt empor mehrt sich der königliche Pomp, die
bunte und fremdartige Pracht der Erscheinungen, alle mit einem Anstrich, der
sie wesentlich von den Erscheinungen in einem weltlichen Königspalast unter¬
scheidet. Nicht nur die zahlreichen geistlichen Gewänder, die zwischen den
Nvbelgarden, den Schweizer Hellebardieren, den besondern Trachten der päpst¬
lichen Hausdienerschaft auftauchen, nicht nur Notstrumpf und Violetstrumpf und
die goldnen Abzeichen der Camerieri ti Cappa e Spada, die uns zahlreich auf
der Scala nobile und im Saal der Schweizer begegnen -- die ganze Palast¬
einrichtung, die weiten Galerien, Säle und Zimmerfluchten selbst tragen ein
Gepräge, das keinem andern Herrscherschlosse eigentümlich ist. Denn bei aller


Brenzboten 111 1890 3b
Römische Frühlingsbilder

auf Wagen und Wege, Schade nur, daß uns die vortrefflichen Winke wenig
helfen konnten. Denn am Morgen des zweiten Ostertages waren wir wohl
rechtzeitig wach und fertig, aber weit und breit zeigte sich kein einziger der
sonst so zudringlichen Kutscher, die namentlich auf der unserm Quartier benach¬
barten Piazza ti Spagna das Ein- und Abfangen der Fremden mit Nachdruck
und Erfolg betrieben. Unter bedauerndem Achselzucken erklärten die mit den
Droschken im seeleninnigsten Einverständnis befindlichen Portiers, daß die
Kutscher nicht eingespannt hätten, um nicht früh um sieben Uhr nach dem
geringfügigen Tarif fahren zu müssen. Für zehn, zwölf, fünfzehn Lire sei wohl
noch ein Wagen zu erhalten, aber es gelte raschen Entschluß. Wohl oder
übel schickten sich die meisten der Beteiligten darein, die Prellforderungen der
Rosselenker zu bewilligen. Wer sich entschloß, den weiten Weg zum Petersplatz
zu Fuß anzutreten, der fand vielleicht noch unterwegs einen Kutscher, der keine
oder doch nur eine mäßige Überforderung stellte. In langen Reihen und von
drei Zugängen her rollten, trotz des Scheinstreiks, die Wagen schon eine Stunde
vor Beginn der Messe der Engelsbrücke zu, ein Beweis, daß das außerordent¬
liche Ostergeschäft gut gewesen war.

Die Equipagen dürfen bei Anlässen wie diesem in den Cortile ti San
Damaso einfahren, die einspännigen Droschken müssen vor dem großen Portone
ti Bronzo, dem gewöhnlichen, allen Besuchern der Rafaelischen Fresken, der
Pinakothek und der Sixtinischen Kapelle wohlbekannten Eingange halten. Mit
dem Schritt durchs Thor betritt man nun das wunderbare Gebiet, in dem der
Papst fortfährt, als Souverän zu herrschen, nachdem das Patrimonium Petri
an das Königreich Italien verloren gegangen ist. Die Schweizergarde in ihrer
halb mittelalterlichen, halb modern militärischen Kleidung hält in dichten
Gruppen jeden Eingang besetzt, ihre Gewehre klirren so kriegerisch auf dem
Marmorboden, als dächten sie, bei Gelegenheit im Ernst Blut zu vergießen;
Purpurne Kämmerlinge weisen den Weg. Die prachtvolle, wahrhaft königliche
Scala Regia bleibt links liegen, der Hof des heiligen Damasus mit den Loggien
Brcnncmtes wird flüchtig überschritten, denn der Zudrang zur Hauptthür der
rechten Palastseite erweckt die Vorstellung, daß Eile nötig sei. Mit jedem
Schritte weiter, jedem Schritt empor mehrt sich der königliche Pomp, die
bunte und fremdartige Pracht der Erscheinungen, alle mit einem Anstrich, der
sie wesentlich von den Erscheinungen in einem weltlichen Königspalast unter¬
scheidet. Nicht nur die zahlreichen geistlichen Gewänder, die zwischen den
Nvbelgarden, den Schweizer Hellebardieren, den besondern Trachten der päpst¬
lichen Hausdienerschaft auftauchen, nicht nur Notstrumpf und Violetstrumpf und
die goldnen Abzeichen der Camerieri ti Cappa e Spada, die uns zahlreich auf
der Scala nobile und im Saal der Schweizer begegnen — die ganze Palast¬
einrichtung, die weiten Galerien, Säle und Zimmerfluchten selbst tragen ein
Gepräge, das keinem andern Herrscherschlosse eigentümlich ist. Denn bei aller


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[0281] Römische Frühlingsbilder auf Wagen und Wege, Schade nur, daß uns die vortrefflichen Winke wenig helfen konnten. Denn am Morgen des zweiten Ostertages waren wir wohl rechtzeitig wach und fertig, aber weit und breit zeigte sich kein einziger der sonst so zudringlichen Kutscher, die namentlich auf der unserm Quartier benach¬ barten Piazza ti Spagna das Ein- und Abfangen der Fremden mit Nachdruck und Erfolg betrieben. Unter bedauerndem Achselzucken erklärten die mit den Droschken im seeleninnigsten Einverständnis befindlichen Portiers, daß die Kutscher nicht eingespannt hätten, um nicht früh um sieben Uhr nach dem geringfügigen Tarif fahren zu müssen. Für zehn, zwölf, fünfzehn Lire sei wohl noch ein Wagen zu erhalten, aber es gelte raschen Entschluß. Wohl oder übel schickten sich die meisten der Beteiligten darein, die Prellforderungen der Rosselenker zu bewilligen. Wer sich entschloß, den weiten Weg zum Petersplatz zu Fuß anzutreten, der fand vielleicht noch unterwegs einen Kutscher, der keine oder doch nur eine mäßige Überforderung stellte. In langen Reihen und von drei Zugängen her rollten, trotz des Scheinstreiks, die Wagen schon eine Stunde vor Beginn der Messe der Engelsbrücke zu, ein Beweis, daß das außerordent¬ liche Ostergeschäft gut gewesen war. Die Equipagen dürfen bei Anlässen wie diesem in den Cortile ti San Damaso einfahren, die einspännigen Droschken müssen vor dem großen Portone ti Bronzo, dem gewöhnlichen, allen Besuchern der Rafaelischen Fresken, der Pinakothek und der Sixtinischen Kapelle wohlbekannten Eingange halten. Mit dem Schritt durchs Thor betritt man nun das wunderbare Gebiet, in dem der Papst fortfährt, als Souverän zu herrschen, nachdem das Patrimonium Petri an das Königreich Italien verloren gegangen ist. Die Schweizergarde in ihrer halb mittelalterlichen, halb modern militärischen Kleidung hält in dichten Gruppen jeden Eingang besetzt, ihre Gewehre klirren so kriegerisch auf dem Marmorboden, als dächten sie, bei Gelegenheit im Ernst Blut zu vergießen; Purpurne Kämmerlinge weisen den Weg. Die prachtvolle, wahrhaft königliche Scala Regia bleibt links liegen, der Hof des heiligen Damasus mit den Loggien Brcnncmtes wird flüchtig überschritten, denn der Zudrang zur Hauptthür der rechten Palastseite erweckt die Vorstellung, daß Eile nötig sei. Mit jedem Schritte weiter, jedem Schritt empor mehrt sich der königliche Pomp, die bunte und fremdartige Pracht der Erscheinungen, alle mit einem Anstrich, der sie wesentlich von den Erscheinungen in einem weltlichen Königspalast unter¬ scheidet. Nicht nur die zahlreichen geistlichen Gewänder, die zwischen den Nvbelgarden, den Schweizer Hellebardieren, den besondern Trachten der päpst¬ lichen Hausdienerschaft auftauchen, nicht nur Notstrumpf und Violetstrumpf und die goldnen Abzeichen der Camerieri ti Cappa e Spada, die uns zahlreich auf der Scala nobile und im Saal der Schweizer begegnen — die ganze Palast¬ einrichtung, die weiten Galerien, Säle und Zimmerfluchten selbst tragen ein Gepräge, das keinem andern Herrscherschlosse eigentümlich ist. Denn bei aller Brenzboten 111 1890 3b

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/281>, abgerufen am 26.06.2024.