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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Römische ^rühlingsbilder

Pracht, dem großartigsten Aufwand von Marmor, von Vergoldung, von Fresken,
von kostbaren Bildwerken und Ornamenten, von schweren Prunkstoffen fällt
die Abwesenheit jedes eigentlichen Komforts, jedes Behagens sofort in die
Augen; hier ist alles Würde, feierliche Größe, die wunderbaren Raumverhält-
nisse, die Ausstattung und der künstlerische Schmuck. ^

Wir folgen den Hunderten, die sich zur Sala del Consistvrc wenden
und deren mäßigen Raum rasch zu füllen beginnen. Unmittelbar an der
Schranke, die den im Saale errichteten Altar und eine Anzahl von Sitzen von
den versammelten Andächtigen trennt, erhalten wir unsre Plätze. Alles, der
dicke Teppich, der den Boden des Saales bedeckt, die Polsterbünke, die rote
Sammetbekleidung des Geländers, ist darauf berechnet, jeden Ton zu dämpfen,
nur ein flüsterndes Geräusch geht durch die dichtgedrängte Versammlung, die
stehend und sitzend den Schlag der achten Stunde und das Erscheinen Seiner
Heiligkeit erwartet.

So viel ich mich umzuschauen und zu beobachten vermochte, waren es
ungefähr gleich viel Herren und Damen, die des Beginnes der Handlung
warteten. Und wenn man nach der Haltung und dem Gesichtsausdruck ur¬
teilen durfte, die freilich täuschen konnte, waren ungefähr zwei Drittel der
Anwesenden oder etwas mehr Katholiken und ein Drittel andern Konfessionen
ungehörige, die sich zunächst durch ihre UnVertrautheit mit gewissen Vorbe¬
reitungen sür die Messe, durch die neugierigen Blicke nach den hohen Geist¬
lichen in Violet und Purpur verrieten, die in den abgeschlossenen Raum ein¬
traten. Etwa zehn Minuten nach der festgesetzten Zeit vernahm man vom
großen Eingang her kurze, gedämpfte Rufe, sah die wachehaltenden Hellebar-
diere ihre mittelalterlichen Waffen Präsentiren, das summende Geräusch im
Saal verstummte augenblicklich, aller Augen wandten sich gespannt der Thür
entgegen, die Mehrzahl der Versammlung kniete nieder, und der Papst mit
einem kleinen Gefolge erschien in dem abgetrennten Altarraum. Dienende
Geistliche entledigten ihn rasch des Purpurs, in dem er eingetreten war, und
bekleideten ihn mit dem goldstrotzendem Meßgewande, und während der Messe,
die der heilige Vater mit leiser, nur in der nächsten Nähe vernehmlicher
Stimme las, während der andern von einem Hausprälaten zelebrirten, die er
hörte, hatten wir anderthalb Stunden Gelegenheit Leo den Dreizehnter genau
zu sehen. Mein Landsmann und nächster Nachbar, der Redakteur einer ultra¬
montanen Zeitung ans Trier oder Koblenz, übrigens ein liebenswürdiger
Rheinländer, der mir mein Ketzertum mit großer Freundlichkeit verzieh, kannte
auch die gesamte Umgebung Seiner Heiligkeit, bis auf den Arzt im geistlichen
Kleide, der den greisen Priesterfürsten auch in diesen Saal begleitet hatte und, wie
mir porteur, mit einer gewissen sorglichen Spannung die Anstrengung beobachtete,
der sich der heilige Bater unterzog. So gewiß der Ausdruck des geistvoll
milden, echt priesterlichen Gesichts Papst Leos auf jeden in der Versammlung


Römische ^rühlingsbilder

Pracht, dem großartigsten Aufwand von Marmor, von Vergoldung, von Fresken,
von kostbaren Bildwerken und Ornamenten, von schweren Prunkstoffen fällt
die Abwesenheit jedes eigentlichen Komforts, jedes Behagens sofort in die
Augen; hier ist alles Würde, feierliche Größe, die wunderbaren Raumverhält-
nisse, die Ausstattung und der künstlerische Schmuck. ^

Wir folgen den Hunderten, die sich zur Sala del Consistvrc wenden
und deren mäßigen Raum rasch zu füllen beginnen. Unmittelbar an der
Schranke, die den im Saale errichteten Altar und eine Anzahl von Sitzen von
den versammelten Andächtigen trennt, erhalten wir unsre Plätze. Alles, der
dicke Teppich, der den Boden des Saales bedeckt, die Polsterbünke, die rote
Sammetbekleidung des Geländers, ist darauf berechnet, jeden Ton zu dämpfen,
nur ein flüsterndes Geräusch geht durch die dichtgedrängte Versammlung, die
stehend und sitzend den Schlag der achten Stunde und das Erscheinen Seiner
Heiligkeit erwartet.

So viel ich mich umzuschauen und zu beobachten vermochte, waren es
ungefähr gleich viel Herren und Damen, die des Beginnes der Handlung
warteten. Und wenn man nach der Haltung und dem Gesichtsausdruck ur¬
teilen durfte, die freilich täuschen konnte, waren ungefähr zwei Drittel der
Anwesenden oder etwas mehr Katholiken und ein Drittel andern Konfessionen
ungehörige, die sich zunächst durch ihre UnVertrautheit mit gewissen Vorbe¬
reitungen sür die Messe, durch die neugierigen Blicke nach den hohen Geist¬
lichen in Violet und Purpur verrieten, die in den abgeschlossenen Raum ein¬
traten. Etwa zehn Minuten nach der festgesetzten Zeit vernahm man vom
großen Eingang her kurze, gedämpfte Rufe, sah die wachehaltenden Hellebar-
diere ihre mittelalterlichen Waffen Präsentiren, das summende Geräusch im
Saal verstummte augenblicklich, aller Augen wandten sich gespannt der Thür
entgegen, die Mehrzahl der Versammlung kniete nieder, und der Papst mit
einem kleinen Gefolge erschien in dem abgetrennten Altarraum. Dienende
Geistliche entledigten ihn rasch des Purpurs, in dem er eingetreten war, und
bekleideten ihn mit dem goldstrotzendem Meßgewande, und während der Messe,
die der heilige Vater mit leiser, nur in der nächsten Nähe vernehmlicher
Stimme las, während der andern von einem Hausprälaten zelebrirten, die er
hörte, hatten wir anderthalb Stunden Gelegenheit Leo den Dreizehnter genau
zu sehen. Mein Landsmann und nächster Nachbar, der Redakteur einer ultra¬
montanen Zeitung ans Trier oder Koblenz, übrigens ein liebenswürdiger
Rheinländer, der mir mein Ketzertum mit großer Freundlichkeit verzieh, kannte
auch die gesamte Umgebung Seiner Heiligkeit, bis auf den Arzt im geistlichen
Kleide, der den greisen Priesterfürsten auch in diesen Saal begleitet hatte und, wie
mir porteur, mit einer gewissen sorglichen Spannung die Anstrengung beobachtete,
der sich der heilige Bater unterzog. So gewiß der Ausdruck des geistvoll
milden, echt priesterlichen Gesichts Papst Leos auf jeden in der Versammlung


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[0282] Römische ^rühlingsbilder Pracht, dem großartigsten Aufwand von Marmor, von Vergoldung, von Fresken, von kostbaren Bildwerken und Ornamenten, von schweren Prunkstoffen fällt die Abwesenheit jedes eigentlichen Komforts, jedes Behagens sofort in die Augen; hier ist alles Würde, feierliche Größe, die wunderbaren Raumverhält- nisse, die Ausstattung und der künstlerische Schmuck. ^ Wir folgen den Hunderten, die sich zur Sala del Consistvrc wenden und deren mäßigen Raum rasch zu füllen beginnen. Unmittelbar an der Schranke, die den im Saale errichteten Altar und eine Anzahl von Sitzen von den versammelten Andächtigen trennt, erhalten wir unsre Plätze. Alles, der dicke Teppich, der den Boden des Saales bedeckt, die Polsterbünke, die rote Sammetbekleidung des Geländers, ist darauf berechnet, jeden Ton zu dämpfen, nur ein flüsterndes Geräusch geht durch die dichtgedrängte Versammlung, die stehend und sitzend den Schlag der achten Stunde und das Erscheinen Seiner Heiligkeit erwartet. So viel ich mich umzuschauen und zu beobachten vermochte, waren es ungefähr gleich viel Herren und Damen, die des Beginnes der Handlung warteten. Und wenn man nach der Haltung und dem Gesichtsausdruck ur¬ teilen durfte, die freilich täuschen konnte, waren ungefähr zwei Drittel der Anwesenden oder etwas mehr Katholiken und ein Drittel andern Konfessionen ungehörige, die sich zunächst durch ihre UnVertrautheit mit gewissen Vorbe¬ reitungen sür die Messe, durch die neugierigen Blicke nach den hohen Geist¬ lichen in Violet und Purpur verrieten, die in den abgeschlossenen Raum ein¬ traten. Etwa zehn Minuten nach der festgesetzten Zeit vernahm man vom großen Eingang her kurze, gedämpfte Rufe, sah die wachehaltenden Hellebar- diere ihre mittelalterlichen Waffen Präsentiren, das summende Geräusch im Saal verstummte augenblicklich, aller Augen wandten sich gespannt der Thür entgegen, die Mehrzahl der Versammlung kniete nieder, und der Papst mit einem kleinen Gefolge erschien in dem abgetrennten Altarraum. Dienende Geistliche entledigten ihn rasch des Purpurs, in dem er eingetreten war, und bekleideten ihn mit dem goldstrotzendem Meßgewande, und während der Messe, die der heilige Vater mit leiser, nur in der nächsten Nähe vernehmlicher Stimme las, während der andern von einem Hausprälaten zelebrirten, die er hörte, hatten wir anderthalb Stunden Gelegenheit Leo den Dreizehnter genau zu sehen. Mein Landsmann und nächster Nachbar, der Redakteur einer ultra¬ montanen Zeitung ans Trier oder Koblenz, übrigens ein liebenswürdiger Rheinländer, der mir mein Ketzertum mit großer Freundlichkeit verzieh, kannte auch die gesamte Umgebung Seiner Heiligkeit, bis auf den Arzt im geistlichen Kleide, der den greisen Priesterfürsten auch in diesen Saal begleitet hatte und, wie mir porteur, mit einer gewissen sorglichen Spannung die Anstrengung beobachtete, der sich der heilige Bater unterzog. So gewiß der Ausdruck des geistvoll milden, echt priesterlichen Gesichts Papst Leos auf jeden in der Versammlung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/282>, abgerufen am 26.06.2024.