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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Aus Llsaß-Lothringen

rein militärische Interesse des Reiches an der Herstellung dieser Linien wurde
als Vorwmid für die Ablehnung genommen, die keineswegs politischen Motiven
entsprang, wie man etwa annehmen könnte; es war nur eine Strafe für die
Regierung, die dem Plane, das Land mit einem Netze von Straßenbahnen zu
überziehen, nach anfänglicher Mithilfe plötzlich weitere Handreichung versagt
hatte, wohl auf Rücksicht auf die Interessen der Reichseisenbahnverwaltuug,
eine Strafe dafür, daß die Wünsche der Vertreter, die in solchen Dingen
solidarisch auftreten, nicht genügend beachtet worden waren.

Ziemlich weitgehend war der vom Bürgermeister Back von Straßbnrg
vertretene Initiativantrag, daß das aus Altdeutschland eingeführte starke Bier
einer erhöhten Übergangssteuer t)Z,20 Mark statt 2,90 Mark) unterworfen werden
mochte. Der Landesallsschuß hat den Antrag mit allen gegen eine Stimme
angenommen. Die Bierbrauer des Reichslandes befinden sich in einer Übeln
Lage. Ihr Gebrnu zieht nicht mehr recht. Tacitus hat das germanische Bier
ein weimihnliches Getränk genannt -- xows in ejMnäam vini similitucliusni
eori'uxt.u8; in unsrer Zeit wurde auf den Ausstellungen in Paris und Wien
das Gebräu von Straßburg und Umgegend als boisson, als "bierähnliches
Getränk" bezeichnet und gelobt, aber nicht mit dem ehrlichen Namen Bier
beehrt. Seitdem hat sich viel gebessert, und es giebt bierehrliche Trinker aus
Altdeutschland, die sich mit Genuß und Überzeugung an "Schiltigheimer" und
"Königshvfer" laben; aber die Elsässer selbst fallen ab und huldigen nicht nur
deu Münchner Expvrtbieren, die, wie allenthalben, im Siegeszuge das Land
gewonnen haben, sondern auch den Bieren aus der Pfalz und dem Badischen,
die trotz des erhöhten Preises das euiheinlische Gebräu immer mehr verdrängell.
Dazu kommt, daß auch Frankreich, das nicht nur den Straßburgern, sondern
auch den Baiern die Geheimnisse eines herzerfreuenden Sudes abgelernt zu
haben glaubt, deu Eiugaugszoll auf fremde Biere erhöht hat. Nach Deutsch¬
land hat Elsaß niemals nennenswerten Absatz gehabt, die Ausfuhr nach Frank¬
reich sinkt fortwährend, und der Absatz im Lande wird geschmälert durch den
Wettbewerb aus Altdeutschland. nachgerade unterliegt nun das Elsaß, wenn
auch noch mit Protest, einer andern, geläuterten Geschmacksrichtung. Der
Laudesnusschuß hielt es offenbar für eine Ehrensache, dein einheimischen Brau¬
gewerbe durch eine Art von Binnenschntzzoll wieder aufzuhelfen. Die Regierung
hat die vorsichtig gefaßte Versicherung gegeben, im Bundesrate vorzutragen,
was zu Gunsten des Antrages spricht. Der schwache Punkt des Antrages
liegt wohl in der Berechnung des Verhältnisses der theoretischen Steuer zur
Effektivsteuer, was bei der Verschiedenheit der Brauarten, der Einstenerung
und der Gutschreibuugen wohl zu Meinuttgsverschiedeuheiteu führen wird.
Dazu kommt noch die Frage, ob nicht durch stärkern Einsud und nachträgliche
Verdünnung die verfassungsmäßigen Bestimmungen über die einheitlichen Grund¬
lagen des Wettbewerbes umgangen werden können. Bor der ausgleichenden


Aus Llsaß-Lothringen

rein militärische Interesse des Reiches an der Herstellung dieser Linien wurde
als Vorwmid für die Ablehnung genommen, die keineswegs politischen Motiven
entsprang, wie man etwa annehmen könnte; es war nur eine Strafe für die
Regierung, die dem Plane, das Land mit einem Netze von Straßenbahnen zu
überziehen, nach anfänglicher Mithilfe plötzlich weitere Handreichung versagt
hatte, wohl auf Rücksicht auf die Interessen der Reichseisenbahnverwaltuug,
eine Strafe dafür, daß die Wünsche der Vertreter, die in solchen Dingen
solidarisch auftreten, nicht genügend beachtet worden waren.

Ziemlich weitgehend war der vom Bürgermeister Back von Straßbnrg
vertretene Initiativantrag, daß das aus Altdeutschland eingeführte starke Bier
einer erhöhten Übergangssteuer t)Z,20 Mark statt 2,90 Mark) unterworfen werden
mochte. Der Landesallsschuß hat den Antrag mit allen gegen eine Stimme
angenommen. Die Bierbrauer des Reichslandes befinden sich in einer Übeln
Lage. Ihr Gebrnu zieht nicht mehr recht. Tacitus hat das germanische Bier
ein weimihnliches Getränk genannt — xows in ejMnäam vini similitucliusni
eori'uxt.u8; in unsrer Zeit wurde auf den Ausstellungen in Paris und Wien
das Gebräu von Straßburg und Umgegend als boisson, als „bierähnliches
Getränk" bezeichnet und gelobt, aber nicht mit dem ehrlichen Namen Bier
beehrt. Seitdem hat sich viel gebessert, und es giebt bierehrliche Trinker aus
Altdeutschland, die sich mit Genuß und Überzeugung an „Schiltigheimer" und
„Königshvfer" laben; aber die Elsässer selbst fallen ab und huldigen nicht nur
deu Münchner Expvrtbieren, die, wie allenthalben, im Siegeszuge das Land
gewonnen haben, sondern auch den Bieren aus der Pfalz und dem Badischen,
die trotz des erhöhten Preises das euiheinlische Gebräu immer mehr verdrängell.
Dazu kommt, daß auch Frankreich, das nicht nur den Straßburgern, sondern
auch den Baiern die Geheimnisse eines herzerfreuenden Sudes abgelernt zu
haben glaubt, deu Eiugaugszoll auf fremde Biere erhöht hat. Nach Deutsch¬
land hat Elsaß niemals nennenswerten Absatz gehabt, die Ausfuhr nach Frank¬
reich sinkt fortwährend, und der Absatz im Lande wird geschmälert durch den
Wettbewerb aus Altdeutschland. nachgerade unterliegt nun das Elsaß, wenn
auch noch mit Protest, einer andern, geläuterten Geschmacksrichtung. Der
Laudesnusschuß hielt es offenbar für eine Ehrensache, dein einheimischen Brau¬
gewerbe durch eine Art von Binnenschntzzoll wieder aufzuhelfen. Die Regierung
hat die vorsichtig gefaßte Versicherung gegeben, im Bundesrate vorzutragen,
was zu Gunsten des Antrages spricht. Der schwache Punkt des Antrages
liegt wohl in der Berechnung des Verhältnisses der theoretischen Steuer zur
Effektivsteuer, was bei der Verschiedenheit der Brauarten, der Einstenerung
und der Gutschreibuugen wohl zu Meinuttgsverschiedeuheiteu führen wird.
Dazu kommt noch die Frage, ob nicht durch stärkern Einsud und nachträgliche
Verdünnung die verfassungsmäßigen Bestimmungen über die einheitlichen Grund¬
lagen des Wettbewerbes umgangen werden können. Bor der ausgleichenden


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[0263] Aus Llsaß-Lothringen rein militärische Interesse des Reiches an der Herstellung dieser Linien wurde als Vorwmid für die Ablehnung genommen, die keineswegs politischen Motiven entsprang, wie man etwa annehmen könnte; es war nur eine Strafe für die Regierung, die dem Plane, das Land mit einem Netze von Straßenbahnen zu überziehen, nach anfänglicher Mithilfe plötzlich weitere Handreichung versagt hatte, wohl auf Rücksicht auf die Interessen der Reichseisenbahnverwaltuug, eine Strafe dafür, daß die Wünsche der Vertreter, die in solchen Dingen solidarisch auftreten, nicht genügend beachtet worden waren. Ziemlich weitgehend war der vom Bürgermeister Back von Straßbnrg vertretene Initiativantrag, daß das aus Altdeutschland eingeführte starke Bier einer erhöhten Übergangssteuer t)Z,20 Mark statt 2,90 Mark) unterworfen werden mochte. Der Landesallsschuß hat den Antrag mit allen gegen eine Stimme angenommen. Die Bierbrauer des Reichslandes befinden sich in einer Übeln Lage. Ihr Gebrnu zieht nicht mehr recht. Tacitus hat das germanische Bier ein weimihnliches Getränk genannt — xows in ejMnäam vini similitucliusni eori'uxt.u8; in unsrer Zeit wurde auf den Ausstellungen in Paris und Wien das Gebräu von Straßburg und Umgegend als boisson, als „bierähnliches Getränk" bezeichnet und gelobt, aber nicht mit dem ehrlichen Namen Bier beehrt. Seitdem hat sich viel gebessert, und es giebt bierehrliche Trinker aus Altdeutschland, die sich mit Genuß und Überzeugung an „Schiltigheimer" und „Königshvfer" laben; aber die Elsässer selbst fallen ab und huldigen nicht nur deu Münchner Expvrtbieren, die, wie allenthalben, im Siegeszuge das Land gewonnen haben, sondern auch den Bieren aus der Pfalz und dem Badischen, die trotz des erhöhten Preises das euiheinlische Gebräu immer mehr verdrängell. Dazu kommt, daß auch Frankreich, das nicht nur den Straßburgern, sondern auch den Baiern die Geheimnisse eines herzerfreuenden Sudes abgelernt zu haben glaubt, deu Eiugaugszoll auf fremde Biere erhöht hat. Nach Deutsch¬ land hat Elsaß niemals nennenswerten Absatz gehabt, die Ausfuhr nach Frank¬ reich sinkt fortwährend, und der Absatz im Lande wird geschmälert durch den Wettbewerb aus Altdeutschland. nachgerade unterliegt nun das Elsaß, wenn auch noch mit Protest, einer andern, geläuterten Geschmacksrichtung. Der Laudesnusschuß hielt es offenbar für eine Ehrensache, dein einheimischen Brau¬ gewerbe durch eine Art von Binnenschntzzoll wieder aufzuhelfen. Die Regierung hat die vorsichtig gefaßte Versicherung gegeben, im Bundesrate vorzutragen, was zu Gunsten des Antrages spricht. Der schwache Punkt des Antrages liegt wohl in der Berechnung des Verhältnisses der theoretischen Steuer zur Effektivsteuer, was bei der Verschiedenheit der Brauarten, der Einstenerung und der Gutschreibuugen wohl zu Meinuttgsverschiedeuheiteu führen wird. Dazu kommt noch die Frage, ob nicht durch stärkern Einsud und nachträgliche Verdünnung die verfassungsmäßigen Bestimmungen über die einheitlichen Grund¬ lagen des Wettbewerbes umgangen werden können. Bor der ausgleichenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/263>, abgerufen am 26.06.2024.