Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.Ans Elsaß-Lothringen augenblicklichen Erfolgen oder Blendwerken jagende Politik des Amtsvvr- Der Grundzug der Langenweile, dessen Vorherrschen in den reichslän- Ans Elsaß-Lothringen augenblicklichen Erfolgen oder Blendwerken jagende Politik des Amtsvvr- Der Grundzug der Langenweile, dessen Vorherrschen in den reichslän- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/208198"/> <fw type="header" place="top"> Ans Elsaß-Lothringen</fw><lb/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> augenblicklichen Erfolgen oder Blendwerken jagende Politik des Amtsvvr-<lb/> gnngers geraten war- Im Reichslande zeigen sich bereits die Früchte dieser<lb/> Verwaltungspolitik, und wir können daraus Wohl eine günstige Vorbedeutung<lb/> schöpfen, daß unter gleichen Vorbedingungen der Gang der Dinge auch im<lb/> Reiche ein gleicher sein wird-</p><lb/> <p xml:id="ID_698" next="#ID_699"> Der Grundzug der Langenweile, dessen Vorherrschen in den reichslän-<lb/> dischen Angelegenheiten wir wie im Reiche als einen wahren Segen begrüßen<lb/> müssen, beeinträchtigt nun allerdings auch die Aufgabe des Berichterstatters.<lb/> Im Reiche wird man auch wenig Teilnahme dafür finden, in welcher Art sich<lb/> das Reichsland innere Verwaltungsanfgaben zurechtlegt, wie die Bildung von<lb/> Genossenschaften zur Anlage von Feldwegen, die Haltung von Zuchtstieren, die<lb/> Ausübung des Gewerbes der Hufschmiede, Entschädigung bei Viehverlnsten<lb/> durch Milzbrand, die Viehvcrstellung, Vogelschutz und Fischereifrevel, Unter-<lb/> bringung verwahrloster Kinder oder die Rechtsverhältnisse der Professoren an<lb/> der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg; aber im allgemeinen kann man sich<lb/> doch dafür interessiren, wie das Reichsland unter der fürsorgenden Leitung der<lb/> Regierung in den Kreis deutscher Rechtsanschauungen wenn auch zögernd ein¬<lb/> tritt oder sich auf die Höhe der Verwaltungsgrundsätze deutscher Nnchbarstaateu<lb/> aufschwingen oder überhaupt sich daheim behaglich, mitunter vielleicht etwas<lb/> eigenartig einrichten will. Von diesem Standpunkt ans können wir es dem<lb/> Landesansschusse mich nicht sonderlich verargen, daß er die beiden von der<lb/> Regierung eingebrachten Gesetzentwürfe über die Einführung von Grundbüchern<lb/> und über Kosten in Grundbuchsachm, wem, auch nicht grundsätzlich abgelehnt,<lb/> so doch zur nochmaligen Beratung in der nächsten Session verwiesen hat. Wer<lb/> den Segen kennt, der in dein Besitz eines einheitlichen und gemeinverständlich<lb/> verfaßten Gesetzbuches liegt, der wird auch begreifen, daß man sich schwer<lb/> davon trennt: selbst die der Verbesserung bedürftigen Bestimmungen haben<lb/> immerhin den Vorteil vor dem Neuen voraus, daß sie Bestandteil der Nechts-<lb/> kenntnis des Volkes, daß sie Gemeingut geworden sind. Es ist ferner nicht<lb/> nur die Scheu vor Änderungen überhaupt, sondern auch die mangelhafte Ver¬<lb/> trautheit mit dem Gegenstande selbst, die hier hemmend wirkt. Nicht einmal<lb/> über Bedeutung und Tragweite der Sache besteht Übereinstimmung zwischen<lb/> den deutsch geschulten Juristen und den praktischen Geschäftsleuten des Landes,<lb/> wo der persönliche Kredit in erster Linie gilt, sachliche Sicherheit aber erst als<lb/> Notbehelf gesucht oder angeboten wird — nach dem Grundsatze: laut vaut<lb/> 1s tora guiz vaut 1'doraus, während in Deutschland sich das Vertrauen mehr<lb/> der sachlichen Sicherheit zuwendet und die Hypothek die gewöhnliche Art der<lb/> Geldanlegnng bildet. Es mag ja sein, daß hie und da der Wunsch leitend<lb/> ist, die von Frankreich stammenden Einrichtungen für alle Fälle in unberührtem<lb/> Zustande zu erhalten; es machte anch in der That den Eindruck, als ob man<lb/> sich den Wünschen der dentschen Regierung gegenüber wählerisch und vornehm</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
Ans Elsaß-Lothringen
augenblicklichen Erfolgen oder Blendwerken jagende Politik des Amtsvvr-
gnngers geraten war- Im Reichslande zeigen sich bereits die Früchte dieser
Verwaltungspolitik, und wir können daraus Wohl eine günstige Vorbedeutung
schöpfen, daß unter gleichen Vorbedingungen der Gang der Dinge auch im
Reiche ein gleicher sein wird-
Der Grundzug der Langenweile, dessen Vorherrschen in den reichslän-
dischen Angelegenheiten wir wie im Reiche als einen wahren Segen begrüßen
müssen, beeinträchtigt nun allerdings auch die Aufgabe des Berichterstatters.
Im Reiche wird man auch wenig Teilnahme dafür finden, in welcher Art sich
das Reichsland innere Verwaltungsanfgaben zurechtlegt, wie die Bildung von
Genossenschaften zur Anlage von Feldwegen, die Haltung von Zuchtstieren, die
Ausübung des Gewerbes der Hufschmiede, Entschädigung bei Viehverlnsten
durch Milzbrand, die Viehvcrstellung, Vogelschutz und Fischereifrevel, Unter-
bringung verwahrloster Kinder oder die Rechtsverhältnisse der Professoren an
der Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg; aber im allgemeinen kann man sich
doch dafür interessiren, wie das Reichsland unter der fürsorgenden Leitung der
Regierung in den Kreis deutscher Rechtsanschauungen wenn auch zögernd ein¬
tritt oder sich auf die Höhe der Verwaltungsgrundsätze deutscher Nnchbarstaateu
aufschwingen oder überhaupt sich daheim behaglich, mitunter vielleicht etwas
eigenartig einrichten will. Von diesem Standpunkt ans können wir es dem
Landesansschusse mich nicht sonderlich verargen, daß er die beiden von der
Regierung eingebrachten Gesetzentwürfe über die Einführung von Grundbüchern
und über Kosten in Grundbuchsachm, wem, auch nicht grundsätzlich abgelehnt,
so doch zur nochmaligen Beratung in der nächsten Session verwiesen hat. Wer
den Segen kennt, der in dein Besitz eines einheitlichen und gemeinverständlich
verfaßten Gesetzbuches liegt, der wird auch begreifen, daß man sich schwer
davon trennt: selbst die der Verbesserung bedürftigen Bestimmungen haben
immerhin den Vorteil vor dem Neuen voraus, daß sie Bestandteil der Nechts-
kenntnis des Volkes, daß sie Gemeingut geworden sind. Es ist ferner nicht
nur die Scheu vor Änderungen überhaupt, sondern auch die mangelhafte Ver¬
trautheit mit dem Gegenstande selbst, die hier hemmend wirkt. Nicht einmal
über Bedeutung und Tragweite der Sache besteht Übereinstimmung zwischen
den deutsch geschulten Juristen und den praktischen Geschäftsleuten des Landes,
wo der persönliche Kredit in erster Linie gilt, sachliche Sicherheit aber erst als
Notbehelf gesucht oder angeboten wird — nach dem Grundsatze: laut vaut
1s tora guiz vaut 1'doraus, während in Deutschland sich das Vertrauen mehr
der sachlichen Sicherheit zuwendet und die Hypothek die gewöhnliche Art der
Geldanlegnng bildet. Es mag ja sein, daß hie und da der Wunsch leitend
ist, die von Frankreich stammenden Einrichtungen für alle Fälle in unberührtem
Zustande zu erhalten; es machte anch in der That den Eindruck, als ob man
sich den Wünschen der dentschen Regierung gegenüber wählerisch und vornehm
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