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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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und von "de grüßante Dirranne" zu sprechen, da seien sie von den Lands-
leuten einfach ausgelacht worden; als aber die vom Konvent geschickten Redner
französisch zu donnern anfingen, da hätten die Leute geglaubt mitmachen zu
müssen, wenn auch nur meist, um ihren höhern Bildungsgrad zu beweisen
und um nicht ausgelacht zu werden.

Mit der französischen Sprache ist nur zwar die Phrase aus den Ver¬
handlungen des Landesausschusses verschwunden; einige Neste dieser Gewöh¬
nung bekommen wir aber doch manchmal auch noch in deutscher Sprache zu
hören. In keiner Volksvertretung der alten Welt kaun man so oft von "mut-
voller Verteidigung der Interessen," von "Kämpfen für einen Grundsatz," von
"unermüdlicher Ausdauer" u. s. w. reden hören. Alle Wahlprogramme bis
hinunter zu den Kreistagen strotzen von solchen heldenmütigen Redensarten;
damit meint aber der eine eine Straßenbahn, der andre deckt das Schild über
die heimliche allgemeine Hypothek, und ein Dritter zuckt das Schwert für nor¬
mannische Hengste. Das sind nur rudimentäre Reste aus einer frühern Zeit,
wo man gegen eine cäsarische Tyrannei ankämpfte. Die Hauptsache ist, daß
mit der Einführung der deutschen Geschnftssprache die Lust an der Besprechung
politischer Angelegenheiten, wie Diktaturparagraph, Sprachzwang n. s. w. ge¬
schwunden ist, womit man sonst in Frankreich Ruhm erntete. Der früher
drüben hinter den Vogesen stets bereite Beifall wird aber jetzt verkümmert
durch die Mühsal der Übersetzung. Wenn das französische Publikum durch
die deutsche Kammersprache den Reden und Verhandlungen immer weiter ent¬
fremdet werden wird, daun wird wohl einmal der Zeitpunkt eintreten, wo man
sich in Paris für die Beratungen des Landesansschusses von Elsaß-Lothringen
ungefähr ebenso erwärmen wird, wie für Zänkereien im Gcneralrate des De¬
partements Morbihan wegen ungerechter Verteilung der Unterstützungen für
Wegebauten. Es läßt sich nicht verkennen, daß die Verhandlungen des Landes¬
ausschusses immer mehr den Charakter einer nüchternen und kühlen, sachlichen
und prunklvsen Interessenvertretung gewonnen haben. Der Statthalter Fürst
v. Hohenlohe konnte die Sachlage und die vorliegenden Bedürfnisse nicht
treffender kennzeichnen als durch sein Programm: "Die beste Politik ist eine
gute Verwaltung." Die dadurch in Aussicht gestellte ehrgeizlose schlichte Pflicht¬
erfüllung entspricht dem nüchternen praktischen Sinne des Volkes, der im
Grunde doch noch vorherrscht. Die Aufgabe, die dem Lande gestellt ist, ist
kein politisches, sondern ein Arbeitsprvgramm. Wie der Reichskanzler v. Ca-
privi mit dem glücklichen Worte, daß seine Politik im Reiche wohl langweilig
sein werde, den Beginn eines Zeitabschnittes der innern Sammlung und ruhigen
Ansreifens angekündigt hat, so hat auch Fürst v. Hohenlohe durch sein Pro-
gramm der Beschäftigung mit den unabweislichen eignen Angelegenheiten das
Land in die Bahn einer ruhigen, gedeihlichen Entwicklung aus der unruhigen
Strömung hinübergeleitet, in die es durch die tastende und hastende, nach


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und von „de grüßante Dirranne" zu sprechen, da seien sie von den Lands-
leuten einfach ausgelacht worden; als aber die vom Konvent geschickten Redner
französisch zu donnern anfingen, da hätten die Leute geglaubt mitmachen zu
müssen, wenn auch nur meist, um ihren höhern Bildungsgrad zu beweisen
und um nicht ausgelacht zu werden.

Mit der französischen Sprache ist nur zwar die Phrase aus den Ver¬
handlungen des Landesausschusses verschwunden; einige Neste dieser Gewöh¬
nung bekommen wir aber doch manchmal auch noch in deutscher Sprache zu
hören. In keiner Volksvertretung der alten Welt kaun man so oft von „mut-
voller Verteidigung der Interessen," von „Kämpfen für einen Grundsatz," von
„unermüdlicher Ausdauer" u. s. w. reden hören. Alle Wahlprogramme bis
hinunter zu den Kreistagen strotzen von solchen heldenmütigen Redensarten;
damit meint aber der eine eine Straßenbahn, der andre deckt das Schild über
die heimliche allgemeine Hypothek, und ein Dritter zuckt das Schwert für nor¬
mannische Hengste. Das sind nur rudimentäre Reste aus einer frühern Zeit,
wo man gegen eine cäsarische Tyrannei ankämpfte. Die Hauptsache ist, daß
mit der Einführung der deutschen Geschnftssprache die Lust an der Besprechung
politischer Angelegenheiten, wie Diktaturparagraph, Sprachzwang n. s. w. ge¬
schwunden ist, womit man sonst in Frankreich Ruhm erntete. Der früher
drüben hinter den Vogesen stets bereite Beifall wird aber jetzt verkümmert
durch die Mühsal der Übersetzung. Wenn das französische Publikum durch
die deutsche Kammersprache den Reden und Verhandlungen immer weiter ent¬
fremdet werden wird, daun wird wohl einmal der Zeitpunkt eintreten, wo man
sich in Paris für die Beratungen des Landesansschusses von Elsaß-Lothringen
ungefähr ebenso erwärmen wird, wie für Zänkereien im Gcneralrate des De¬
partements Morbihan wegen ungerechter Verteilung der Unterstützungen für
Wegebauten. Es läßt sich nicht verkennen, daß die Verhandlungen des Landes¬
ausschusses immer mehr den Charakter einer nüchternen und kühlen, sachlichen
und prunklvsen Interessenvertretung gewonnen haben. Der Statthalter Fürst
v. Hohenlohe konnte die Sachlage und die vorliegenden Bedürfnisse nicht
treffender kennzeichnen als durch sein Programm: „Die beste Politik ist eine
gute Verwaltung." Die dadurch in Aussicht gestellte ehrgeizlose schlichte Pflicht¬
erfüllung entspricht dem nüchternen praktischen Sinne des Volkes, der im
Grunde doch noch vorherrscht. Die Aufgabe, die dem Lande gestellt ist, ist
kein politisches, sondern ein Arbeitsprvgramm. Wie der Reichskanzler v. Ca-
privi mit dem glücklichen Worte, daß seine Politik im Reiche wohl langweilig
sein werde, den Beginn eines Zeitabschnittes der innern Sammlung und ruhigen
Ansreifens angekündigt hat, so hat auch Fürst v. Hohenlohe durch sein Pro-
gramm der Beschäftigung mit den unabweislichen eignen Angelegenheiten das
Land in die Bahn einer ruhigen, gedeihlichen Entwicklung aus der unruhigen
Strömung hinübergeleitet, in die es durch die tastende und hastende, nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/260>, abgerufen am 26.06.2024.