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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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zurückrief und seine Verbündeten allein weiterkämpfen ließ. Ja noch mehr,
aus einem glühenden Hasser der französischen Revolution wurde er ein be¬
geisterter Bewunderer ihres Bändigers Bonnparte; und wenn nicht der Tod,
der Mord dazwischengetreten wäre, so hätten schon damals Rußland und
Frankreich im Bunde den Kampf mit Europa aufgenommen.

Das bekannteste Beispiel für die Sprengung einer Koalition und den
Rücktritt eines Verbündeten ist der Friede von Basel, deu Preuße" 1795 mit
Frankreich abschloß. Man hat aus diesen Frieden schwere Anklagen gegen
Preußen begründet, hat ihm Treubruch und Charakterlosigkeit nud dazu poli¬
tische Kurzsichtigkeit vorgeworfen. Man hat dabei nicht in Rechnung gezogen,
daß Preußen von dem verbündeten Kaiser Franz in der polnischen Angelegen¬
heit ans die unverantwortlichste Weise hintergangen und geschädigt worden
war; man hat nicht bedacht, daß bei dem gegenseitigen Mißtrauen, bei der
Eifersucht und Uneinigkeit der Verbündete" die Fortführung des Krieges keine"
Erfolg verspreche" konnte; man hat übersehen, daß Preußen sich vergeblich
bemüht hatte, Österreich zur gemeinsamen Verhandlung über einen gemein¬
samen Frieden zu bestimmen, der damals ohne allen Zweifel unter annehm¬
bare" Bedingungen Hütte zu stände gebracht werden können. Man ist gewohnt,
den Friede" von Basel in der Beleuchtung der Schlachten bei Jena und Auer-
städt zu sehen, als ob der damalige Rücktritt von dem gemeinsame" Kriege,
und nicht vielmehr die spätere Versäumnis der Kriegsbereitschaft, die unzeitige
Sparsamkeit der Negierung auf Kosten des Heeres, die fast planmäßige Er-
tötung alles kriegerischen Geistes, die weltbürgerliche Vaterlandslosigkeit der
gebildeten Stände, endlich die unentschlossene Schwäche des Königs das Ver¬
derben des Staates herbeigeführt hätten. Der Friede um sich war eine politische
Notwendigkeit, wenn anch der Gang der Verhandlungen im einzelnen einen
beklagenswerten Mangel an Widerstandskraft auf preußischer Seite verrät.

Am wenigsten konnte sich Österreich über Preußens Verhalten beklagen,
seitdem es sich zwei Jahre nachher, im Frieden von Campo Formio, gleich"
falls von seinem Verbündeten, von England, getrennt hatte, sobald ihm die
Möglichkeit eines vorteilhaften Friedens nahegetreten war, eines Friedens,
der in ganz anderm Maße als der von Basel auf Kohle" des deutsche" Reichs
gegangen ist.

Wahrhaft glänzend aber hebt sich der Basler Friede von dein dunkel"
Hintergründe des Friedens von Tilsit ab. Preußen hatte doch wenigstens
seinen nächsten Nachbarn und Bundesgenossen, den norddeutschen Länder",
Sicherheit gegen die Angriffe der Franzosen verbürgt. Dagegen sah Kaiser
Alexander von Rußland die Zertrümmerung des verbündeten Preußens ruhige"
Auges mit an, ließ deu Herzensfreund im Stich, dem er einst über dein Grabe
Friedrichs des Großen ewige Treue geschworen, denn er noch drei Monate
zuvor feierlich zugesagt hatte, daß er mit ihm stehen und fallen wolle;


zurückrief und seine Verbündeten allein weiterkämpfen ließ. Ja noch mehr,
aus einem glühenden Hasser der französischen Revolution wurde er ein be¬
geisterter Bewunderer ihres Bändigers Bonnparte; und wenn nicht der Tod,
der Mord dazwischengetreten wäre, so hätten schon damals Rußland und
Frankreich im Bunde den Kampf mit Europa aufgenommen.

Das bekannteste Beispiel für die Sprengung einer Koalition und den
Rücktritt eines Verbündeten ist der Friede von Basel, deu Preuße» 1795 mit
Frankreich abschloß. Man hat aus diesen Frieden schwere Anklagen gegen
Preußen begründet, hat ihm Treubruch und Charakterlosigkeit nud dazu poli¬
tische Kurzsichtigkeit vorgeworfen. Man hat dabei nicht in Rechnung gezogen,
daß Preußen von dem verbündeten Kaiser Franz in der polnischen Angelegen¬
heit ans die unverantwortlichste Weise hintergangen und geschädigt worden
war; man hat nicht bedacht, daß bei dem gegenseitigen Mißtrauen, bei der
Eifersucht und Uneinigkeit der Verbündete» die Fortführung des Krieges keine»
Erfolg verspreche» konnte; man hat übersehen, daß Preußen sich vergeblich
bemüht hatte, Österreich zur gemeinsamen Verhandlung über einen gemein¬
samen Frieden zu bestimmen, der damals ohne allen Zweifel unter annehm¬
bare» Bedingungen Hütte zu stände gebracht werden können. Man ist gewohnt,
den Friede» von Basel in der Beleuchtung der Schlachten bei Jena und Auer-
städt zu sehen, als ob der damalige Rücktritt von dem gemeinsame» Kriege,
und nicht vielmehr die spätere Versäumnis der Kriegsbereitschaft, die unzeitige
Sparsamkeit der Negierung auf Kosten des Heeres, die fast planmäßige Er-
tötung alles kriegerischen Geistes, die weltbürgerliche Vaterlandslosigkeit der
gebildeten Stände, endlich die unentschlossene Schwäche des Königs das Ver¬
derben des Staates herbeigeführt hätten. Der Friede um sich war eine politische
Notwendigkeit, wenn anch der Gang der Verhandlungen im einzelnen einen
beklagenswerten Mangel an Widerstandskraft auf preußischer Seite verrät.

Am wenigsten konnte sich Österreich über Preußens Verhalten beklagen,
seitdem es sich zwei Jahre nachher, im Frieden von Campo Formio, gleich"
falls von seinem Verbündeten, von England, getrennt hatte, sobald ihm die
Möglichkeit eines vorteilhaften Friedens nahegetreten war, eines Friedens,
der in ganz anderm Maße als der von Basel auf Kohle» des deutsche» Reichs
gegangen ist.

Wahrhaft glänzend aber hebt sich der Basler Friede von dein dunkel»
Hintergründe des Friedens von Tilsit ab. Preußen hatte doch wenigstens
seinen nächsten Nachbarn und Bundesgenossen, den norddeutschen Länder»,
Sicherheit gegen die Angriffe der Franzosen verbürgt. Dagegen sah Kaiser
Alexander von Rußland die Zertrümmerung des verbündeten Preußens ruhige»
Auges mit an, ließ deu Herzensfreund im Stich, dem er einst über dein Grabe
Friedrichs des Großen ewige Treue geschworen, denn er noch drei Monate
zuvor feierlich zugesagt hatte, daß er mit ihm stehen und fallen wolle;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/82>, abgerufen am 28.12.2024.