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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Marlborough, dos Vertrauen der Königin Anna genoß, so lange seine Freunde
und Gesinnungsgenossen ans den Ministerstühlen saßen, blieb das Waffen-
Bündnis unangetastet. Aber kirchliche und staatliche Beschwerden, Schuldenlast
und Steuerdruck führten einen Unischwung in England herbei, der, lauge vor¬
bereitet, durch ein persönliches Zerwürfnis zwischen der Königin und der stolzen
Herzogin Marlborough beschleunigt wurde. Die neuen Minister brauchten
deu Frieden schon deshalb, weil sie nur so ihren verhaßten Gegner, den sieg¬
reichen Feldherrn, los werden konnten. Überdies hatte England erreicht, was
es irgend verlangen konnte: Gibraltar und Minvrca, große Gebiete in Nord¬
amerika, dazu, was für dieses Kaufmannsvolk schou damals besonders schwer
Ms Gewicht fiel, die Aussicht auf günstige Handelsverträge mit Frankreich
und Spanien. Daß die Engländer unter diesen Umständen keine Lust hatte",
zu Gunsten des Hauses Österreich einen Krieg fortzusetzen, der zwar reiche
Lorbeeren brachte, aber auch schwere Opfer auferlegte, das war ihnen an sich
'naht zu verargen. Aber die Art ihres Vorgehens widersprach doch jedem
Gefühl des Anstandes und der Ehrlichkeit. Ohne daß Graf Gnllas, der
Üuserliche Botschafter in London, ein Wort davon erfuhr, wurden insgeheim
Friedensverhandlungen mit Frankreich angeknüpft; längst war ein Friedens¬
kongreß mit dem Gegner verabredet, ehe dem Bundesgenossen die ersten An¬
deutungen über die Notwendigkeit eines solchen Schrittes gemacht wurden.

So verständigte sich 1696 Viktor Amadeus von Savoyen insgeheim mit
Franzosen und trat von dein große" europäischen Bündnis gegen
Ludwig XI V. zurück, sodaß die französischen Heeresabteilungen, die bisher mit
^Un gefochten hatten, jetzt in den Niederlande" "ut in.Katalonien gegen seine
sichern Verbündete" verwendet werden konnten. Ehre seinem Nachkommen,
^em König Viktor Emnnuel von Italien, daß er eine ähnliche Versuchung, die
'U Jahre 1866 auch an ihn herantrat, siegreich überwunden hat!

^ Jm österreichischen Erbfolgekriege verließ 1742 Preußen, 1745 Baiern
as Bündnis gegen Österreich, der preußische König, nachdem er sein nächstes
<>U'l, die Erwerbung Schlesiens, erreicht, der bairische .Kurfürst, nachdem er
Ach überzeugt hatte, daß die Fortsetzung des Krieges ihm keinen Gewinn,
ändern nur Gefahr und Vernichtung bringen könne.

Im ersten Koalitionskriege konnte Kaiser Franz endlich im Jahre 1796
'of die Ankunft eiues längst versprochenen russischen Hilfsheeres rechnen. Da
die Kaiserin Katharina; ihr Nachfolger Paul hatte zunächst keine Lust,
u den Krieg mit Frankreich einzutreten, und Österreichs Hoffnung war ver¬
achtet. Am zweiten Koalitionskriege beteiligte sich Paul mit der ganzen Hitze
^"es leidenschaftlichen Wesens. Aber die früher berührten Zerwürfnisse
^sehen seinem Feldherr,, Suwarosf und dein Wiener Hofe, die Mißerfolge,
c>u einem so glänzenden Anfange der Mangel einer einheitlichen Leitung
" Ende herbeiführte, erbitterten ihn so, daß er mitten im Kriege sein Heer'


Greiizboten II 1890 in

Marlborough, dos Vertrauen der Königin Anna genoß, so lange seine Freunde
und Gesinnungsgenossen ans den Ministerstühlen saßen, blieb das Waffen-
Bündnis unangetastet. Aber kirchliche und staatliche Beschwerden, Schuldenlast
und Steuerdruck führten einen Unischwung in England herbei, der, lauge vor¬
bereitet, durch ein persönliches Zerwürfnis zwischen der Königin und der stolzen
Herzogin Marlborough beschleunigt wurde. Die neuen Minister brauchten
deu Frieden schon deshalb, weil sie nur so ihren verhaßten Gegner, den sieg¬
reichen Feldherrn, los werden konnten. Überdies hatte England erreicht, was
es irgend verlangen konnte: Gibraltar und Minvrca, große Gebiete in Nord¬
amerika, dazu, was für dieses Kaufmannsvolk schou damals besonders schwer
Ms Gewicht fiel, die Aussicht auf günstige Handelsverträge mit Frankreich
und Spanien. Daß die Engländer unter diesen Umständen keine Lust hatte»,
zu Gunsten des Hauses Österreich einen Krieg fortzusetzen, der zwar reiche
Lorbeeren brachte, aber auch schwere Opfer auferlegte, das war ihnen an sich
'naht zu verargen. Aber die Art ihres Vorgehens widersprach doch jedem
Gefühl des Anstandes und der Ehrlichkeit. Ohne daß Graf Gnllas, der
Üuserliche Botschafter in London, ein Wort davon erfuhr, wurden insgeheim
Friedensverhandlungen mit Frankreich angeknüpft; längst war ein Friedens¬
kongreß mit dem Gegner verabredet, ehe dem Bundesgenossen die ersten An¬
deutungen über die Notwendigkeit eines solchen Schrittes gemacht wurden.

So verständigte sich 1696 Viktor Amadeus von Savoyen insgeheim mit
Franzosen und trat von dein große» europäischen Bündnis gegen
Ludwig XI V. zurück, sodaß die französischen Heeresabteilungen, die bisher mit
^Un gefochten hatten, jetzt in den Niederlande» »ut in.Katalonien gegen seine
sichern Verbündete» verwendet werden konnten. Ehre seinem Nachkommen,
^em König Viktor Emnnuel von Italien, daß er eine ähnliche Versuchung, die
'U Jahre 1866 auch an ihn herantrat, siegreich überwunden hat!

^ Jm österreichischen Erbfolgekriege verließ 1742 Preußen, 1745 Baiern
as Bündnis gegen Österreich, der preußische König, nachdem er sein nächstes
<>U'l, die Erwerbung Schlesiens, erreicht, der bairische .Kurfürst, nachdem er
Ach überzeugt hatte, daß die Fortsetzung des Krieges ihm keinen Gewinn,
ändern nur Gefahr und Vernichtung bringen könne.

Im ersten Koalitionskriege konnte Kaiser Franz endlich im Jahre 1796
'of die Ankunft eiues längst versprochenen russischen Hilfsheeres rechnen. Da
die Kaiserin Katharina; ihr Nachfolger Paul hatte zunächst keine Lust,
u den Krieg mit Frankreich einzutreten, und Österreichs Hoffnung war ver¬
achtet. Am zweiten Koalitionskriege beteiligte sich Paul mit der ganzen Hitze
^»es leidenschaftlichen Wesens. Aber die früher berührten Zerwürfnisse
^sehen seinem Feldherr,, Suwarosf und dein Wiener Hofe, die Mißerfolge,
c>u einem so glänzenden Anfange der Mangel einer einheitlichen Leitung
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[0081] Marlborough, dos Vertrauen der Königin Anna genoß, so lange seine Freunde und Gesinnungsgenossen ans den Ministerstühlen saßen, blieb das Waffen- Bündnis unangetastet. Aber kirchliche und staatliche Beschwerden, Schuldenlast und Steuerdruck führten einen Unischwung in England herbei, der, lauge vor¬ bereitet, durch ein persönliches Zerwürfnis zwischen der Königin und der stolzen Herzogin Marlborough beschleunigt wurde. Die neuen Minister brauchten deu Frieden schon deshalb, weil sie nur so ihren verhaßten Gegner, den sieg¬ reichen Feldherrn, los werden konnten. Überdies hatte England erreicht, was es irgend verlangen konnte: Gibraltar und Minvrca, große Gebiete in Nord¬ amerika, dazu, was für dieses Kaufmannsvolk schou damals besonders schwer Ms Gewicht fiel, die Aussicht auf günstige Handelsverträge mit Frankreich und Spanien. Daß die Engländer unter diesen Umständen keine Lust hatte», zu Gunsten des Hauses Österreich einen Krieg fortzusetzen, der zwar reiche Lorbeeren brachte, aber auch schwere Opfer auferlegte, das war ihnen an sich 'naht zu verargen. Aber die Art ihres Vorgehens widersprach doch jedem Gefühl des Anstandes und der Ehrlichkeit. Ohne daß Graf Gnllas, der Üuserliche Botschafter in London, ein Wort davon erfuhr, wurden insgeheim Friedensverhandlungen mit Frankreich angeknüpft; längst war ein Friedens¬ kongreß mit dem Gegner verabredet, ehe dem Bundesgenossen die ersten An¬ deutungen über die Notwendigkeit eines solchen Schrittes gemacht wurden. So verständigte sich 1696 Viktor Amadeus von Savoyen insgeheim mit Franzosen und trat von dein große» europäischen Bündnis gegen Ludwig XI V. zurück, sodaß die französischen Heeresabteilungen, die bisher mit ^Un gefochten hatten, jetzt in den Niederlande» »ut in.Katalonien gegen seine sichern Verbündete» verwendet werden konnten. Ehre seinem Nachkommen, ^em König Viktor Emnnuel von Italien, daß er eine ähnliche Versuchung, die 'U Jahre 1866 auch an ihn herantrat, siegreich überwunden hat! ^ Jm österreichischen Erbfolgekriege verließ 1742 Preußen, 1745 Baiern as Bündnis gegen Österreich, der preußische König, nachdem er sein nächstes <>U'l, die Erwerbung Schlesiens, erreicht, der bairische .Kurfürst, nachdem er Ach überzeugt hatte, daß die Fortsetzung des Krieges ihm keinen Gewinn, ändern nur Gefahr und Vernichtung bringen könne. Im ersten Koalitionskriege konnte Kaiser Franz endlich im Jahre 1796 'of die Ankunft eiues längst versprochenen russischen Hilfsheeres rechnen. Da die Kaiserin Katharina; ihr Nachfolger Paul hatte zunächst keine Lust, u den Krieg mit Frankreich einzutreten, und Österreichs Hoffnung war ver¬ achtet. Am zweiten Koalitionskriege beteiligte sich Paul mit der ganzen Hitze ^»es leidenschaftlichen Wesens. Aber die früher berührten Zerwürfnisse ^sehen seinem Feldherr,, Suwarosf und dein Wiener Hofe, die Mißerfolge, c>u einem so glänzenden Anfange der Mangel einer einheitlichen Leitung " Ende herbeiführte, erbitterten ihn so, daß er mitten im Kriege sein Heer' Greiizboten II 1890 in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/81>, abgerufen am 01.07.2024.