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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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schied"en Punkten her ihre Weisungen erhalten. Dabei ist die Möglichkeit
eines völligen Bruches zwischen deu verbündeten Mächten noch gar nicht in
Rechnung gezogen. Und doch, wie nahe liegt diese Gefahr! Wie leicht ist es
möglich, daß die Verhältnisse sich ändern, die zum Abschluß des Bündnisses
geführt haben, und daß dann diese oder jene Macht sich- versucht fühlt, ja
vielleicht gezwungen sieht, die gemeinsame Sache zu verlassen und den eignen
Borten auf kosten der andern oder doch ohne Rücksicht auf sie zu verfolgen!

Freilich nur als eine Ausnahme, nicht als die Regel wird man ein so
Schmachvolles Verhalten gelten lassen wie das, wodurch sich England im sieben¬
jährigen Krieg entehrt hat. Damals hatte sich Georg II. mit Friedrich ver¬
bündet, um sein deutsches Land Hannover, den angestammten Besitz seines
Hauses, mit preußischer Hilfe gegen die Franzosen zu verteidigen. Geführt
von dein Prinzen Ferdinand von Braunschweig, hatten die englischen Söldner,
größtenteils Deutsche von Geburt, bei Krefeld und bei Minden herrliche Siege
erfochten; und was noch mehr war als dieser unmittelbare Erfolg, die Franzosen
hatten fo viel Kraft auf den Krieg in Deutschland verwenden müssen, daß es
ihnen unmöglich gewesen war, in Ostindien, in Nordamerika, in Westafrika
sich gegen die Engländer zu behaupten. Nun starb aber Georg II., und sein
Nachfolger Georg III. verfiel bald ganz und gar dein Einfluß eines beschränkten
Hofmannes, des Lords Bude, dessen Losung war: Friede um jeden Preis.
So lange das verbündete Preußen im Vorteil, so lange die englischen Heere
überall siegreich waren, konnte er nicht hoffen, daß auch das englische
Volk seine Friedenssehnsncht rückhaltlos teilen und die Bedingungen billigen
würde, die er den Gegnern, Frankreich und Spanien, einzuräumen geneigt
war. Darum sehen wir ihn, den englischen Minister, bemüht, die Lage für
England und seine Verbündeten ungünstiger zu gestalten. Er arbeitet Friedrich
insgeheim entgegen, wo er kann; ja er beschwört im Vertrauen die französische
Regierung, doch mit größerm Nachdruck in Deutschland vorzugehen und wo¬
möglich dem Heere des Prinzen von Braunschweig einige Verluste beizubringen,
damit das englische Parlament dein Frieden günstiger gestimmt werde. Diese
Hinterlist des falschen Freundes hätte für Friedrich verhängnisvoll werden
müssen, wenn nicht zu seinem Glück anch die Verbindung seiner Gegner ge¬
sprengt worden wäre durch den Tod der Kaiserin Elisabeth von Rußland,
deren Nachfolger, Peter III., ein begeisterter Verehrer des großen Preußen-
königs, sofort Frieden und Freundschaft mit ihm schloß.

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so niederträchtig, hatte sich England
übrigens auch schon fünfzig Jahre vorher im spanischen Erbfvlgekriege be¬
nommen. Lange Zeit kämpfte" damals kaiserliche und englische Heere Seite
an Seite und vereitelten dnrch eine Reihe glänzender Siege den Plan der
Weltherrschaft, dem Ludwig XIV. ein langes, thatenreiches Lebe" gewidmet
hatte. So la"ge die Gemahlin des englischen Heerführers, des Herzogs von


schied»en Punkten her ihre Weisungen erhalten. Dabei ist die Möglichkeit
eines völligen Bruches zwischen deu verbündeten Mächten noch gar nicht in
Rechnung gezogen. Und doch, wie nahe liegt diese Gefahr! Wie leicht ist es
möglich, daß die Verhältnisse sich ändern, die zum Abschluß des Bündnisses
geführt haben, und daß dann diese oder jene Macht sich- versucht fühlt, ja
vielleicht gezwungen sieht, die gemeinsame Sache zu verlassen und den eignen
Borten auf kosten der andern oder doch ohne Rücksicht auf sie zu verfolgen!

Freilich nur als eine Ausnahme, nicht als die Regel wird man ein so
Schmachvolles Verhalten gelten lassen wie das, wodurch sich England im sieben¬
jährigen Krieg entehrt hat. Damals hatte sich Georg II. mit Friedrich ver¬
bündet, um sein deutsches Land Hannover, den angestammten Besitz seines
Hauses, mit preußischer Hilfe gegen die Franzosen zu verteidigen. Geführt
von dein Prinzen Ferdinand von Braunschweig, hatten die englischen Söldner,
größtenteils Deutsche von Geburt, bei Krefeld und bei Minden herrliche Siege
erfochten; und was noch mehr war als dieser unmittelbare Erfolg, die Franzosen
hatten fo viel Kraft auf den Krieg in Deutschland verwenden müssen, daß es
ihnen unmöglich gewesen war, in Ostindien, in Nordamerika, in Westafrika
sich gegen die Engländer zu behaupten. Nun starb aber Georg II., und sein
Nachfolger Georg III. verfiel bald ganz und gar dein Einfluß eines beschränkten
Hofmannes, des Lords Bude, dessen Losung war: Friede um jeden Preis.
So lange das verbündete Preußen im Vorteil, so lange die englischen Heere
überall siegreich waren, konnte er nicht hoffen, daß auch das englische
Volk seine Friedenssehnsncht rückhaltlos teilen und die Bedingungen billigen
würde, die er den Gegnern, Frankreich und Spanien, einzuräumen geneigt
war. Darum sehen wir ihn, den englischen Minister, bemüht, die Lage für
England und seine Verbündeten ungünstiger zu gestalten. Er arbeitet Friedrich
insgeheim entgegen, wo er kann; ja er beschwört im Vertrauen die französische
Regierung, doch mit größerm Nachdruck in Deutschland vorzugehen und wo¬
möglich dem Heere des Prinzen von Braunschweig einige Verluste beizubringen,
damit das englische Parlament dein Frieden günstiger gestimmt werde. Diese
Hinterlist des falschen Freundes hätte für Friedrich verhängnisvoll werden
müssen, wenn nicht zu seinem Glück anch die Verbindung seiner Gegner ge¬
sprengt worden wäre durch den Tod der Kaiserin Elisabeth von Rußland,
deren Nachfolger, Peter III., ein begeisterter Verehrer des großen Preußen-
königs, sofort Frieden und Freundschaft mit ihm schloß.

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so niederträchtig, hatte sich England
übrigens auch schon fünfzig Jahre vorher im spanischen Erbfvlgekriege be¬
nommen. Lange Zeit kämpfte» damals kaiserliche und englische Heere Seite
an Seite und vereitelten dnrch eine Reihe glänzender Siege den Plan der
Weltherrschaft, dem Ludwig XIV. ein langes, thatenreiches Lebe» gewidmet
hatte. So la»ge die Gemahlin des englischen Heerführers, des Herzogs von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/80>, abgerufen am 29.06.2024.