Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der Zivilisation darstellt. Der sechste, die Zeit der Bürgschaft (Mr-me-ismo),
in der sich der Gedanke der Association teilweise verwirklicht, leitet den siebenten
und letzten Zeitraum ein, in dem sich die eigentliche Vereinigung, der Zu¬
sammentritt der einzelnen Genossenschaften der Menschen zu einem einzigen
großen Bunde vollzieht. Dieser Übergang, der als "Sprung ans dein Chaos
in die Harmonie" bezeichnet wird, bildet den Beginn einer Periode von
35,000 Jahren höchsten und doch stets wachsenden Glückes, denen andre Z5000
folgen werden, wo das Glück nach und nach abnimmt, und nach deren Ablauf
die Erde noch 8000 Jahre als alterndes und absterbendes Gestirn lebt, um
sich schließlich in das Weltall aufzulösen. Auch die Periode der Zivilisation
hat wieder ihre innere Entwicklung mit Anfang, Gipfelpunkt und Ende, deren
Behandlung manche geistreiche Wendung zeigt. Doch ist immer nur die Kritik
der heutigen gesellschaftlichen Zustande brauchbar und bedeutend. Hier ist der
sonst bizarre Philosoph des Kramladens sehr gut zu Hause und reich an weiten
und tiefen Beobachtungen. Unter anderm weist er überzeugend nach, daß einer¬
seits die Zerstückelung des Grundbesitzes, die in der That in Frankreich sehr
weit geht, den Ertrag, den er nbznwerfen imstande wäre, wesentlich schmälert,
und daß anderseits der Handel von der Selbstsucht der Kaufleute zum großen
Nachteile des Ganzen ausgebeutet wird. Was Fourier hierüber sagt, trifft
vielfach die Grundursache manches Elends und mancher Klage, aber es wäre
schöner und wirksamer gewesen, wenn er es einfacher, kürzer und klarer ans-
besprvchen hätte.

Wir haben nnn den letzten und wichtigsten Teil der Fourierschen Lehre,
das, was als Senfkorn von ihr in den Boden der Gesellschaft siel und in
ihm aufgehoben blieb, zu betrachten, die Beantwortung der Fragen: Wie kann
die Arbeit ihre hohe Aufgabe erfüllen, die Bestimmung der Menschheit, ihr
Glück herbeizuführen? Und was ist zu thun, damit die Menschheit das Werk
mit deu rechten Mitteln anfaßt und betreibt? Die Antwort des Philosophen
knetet: Da die Arbeit eine Notwendigkeit ist, so muß sie selbst in ihrer Weise
dein ewigen Grundgesetz aller Dinge, der Harmonie der Triebe dnrch die
Serie entsprechen, mit anderm Ausdruck: soll die Arbeit harmonisch sein
und so beglücken, so muß sie sich serienweise verteilen und feder Einzelne die
besondre Arbeit übernehmen, zu der er sich getrieben fühlt oder Lust hat.
Das ist das Prinzip des harmonischen Arbeitens, dessen Grundlage die That¬
sache ist, daß die Arbeit, die mit Vergnügen verrichtet wird, das Glück des
Arbeiters erhöht und die mit ihr ins Auge gefaßten Güter besser und rascher
herstellt als jede andre. Das Ideal der Arbeitsweise entsteht, indem für die
Menschheit eine Ordnung geschaffen wird, bei der alle die Herstellung der
Güter gemeinschaftlich mit zweckmäßig verteilten Kräften und Trieben betreiben-
Jeder arbeitet, was er mag lind nicht länger, als er mag. Damit dies aber
möglich sei, muß das Ergebnis der Arbeit, der Verdienst, das Gut, der Besitz


Periode der Zivilisation darstellt. Der sechste, die Zeit der Bürgschaft (Mr-me-ismo),
in der sich der Gedanke der Association teilweise verwirklicht, leitet den siebenten
und letzten Zeitraum ein, in dem sich die eigentliche Vereinigung, der Zu¬
sammentritt der einzelnen Genossenschaften der Menschen zu einem einzigen
großen Bunde vollzieht. Dieser Übergang, der als „Sprung ans dein Chaos
in die Harmonie" bezeichnet wird, bildet den Beginn einer Periode von
35,000 Jahren höchsten und doch stets wachsenden Glückes, denen andre Z5000
folgen werden, wo das Glück nach und nach abnimmt, und nach deren Ablauf
die Erde noch 8000 Jahre als alterndes und absterbendes Gestirn lebt, um
sich schließlich in das Weltall aufzulösen. Auch die Periode der Zivilisation
hat wieder ihre innere Entwicklung mit Anfang, Gipfelpunkt und Ende, deren
Behandlung manche geistreiche Wendung zeigt. Doch ist immer nur die Kritik
der heutigen gesellschaftlichen Zustande brauchbar und bedeutend. Hier ist der
sonst bizarre Philosoph des Kramladens sehr gut zu Hause und reich an weiten
und tiefen Beobachtungen. Unter anderm weist er überzeugend nach, daß einer¬
seits die Zerstückelung des Grundbesitzes, die in der That in Frankreich sehr
weit geht, den Ertrag, den er nbznwerfen imstande wäre, wesentlich schmälert,
und daß anderseits der Handel von der Selbstsucht der Kaufleute zum großen
Nachteile des Ganzen ausgebeutet wird. Was Fourier hierüber sagt, trifft
vielfach die Grundursache manches Elends und mancher Klage, aber es wäre
schöner und wirksamer gewesen, wenn er es einfacher, kürzer und klarer ans-
besprvchen hätte.

Wir haben nnn den letzten und wichtigsten Teil der Fourierschen Lehre,
das, was als Senfkorn von ihr in den Boden der Gesellschaft siel und in
ihm aufgehoben blieb, zu betrachten, die Beantwortung der Fragen: Wie kann
die Arbeit ihre hohe Aufgabe erfüllen, die Bestimmung der Menschheit, ihr
Glück herbeizuführen? Und was ist zu thun, damit die Menschheit das Werk
mit deu rechten Mitteln anfaßt und betreibt? Die Antwort des Philosophen
knetet: Da die Arbeit eine Notwendigkeit ist, so muß sie selbst in ihrer Weise
dein ewigen Grundgesetz aller Dinge, der Harmonie der Triebe dnrch die
Serie entsprechen, mit anderm Ausdruck: soll die Arbeit harmonisch sein
und so beglücken, so muß sie sich serienweise verteilen und feder Einzelne die
besondre Arbeit übernehmen, zu der er sich getrieben fühlt oder Lust hat.
Das ist das Prinzip des harmonischen Arbeitens, dessen Grundlage die That¬
sache ist, daß die Arbeit, die mit Vergnügen verrichtet wird, das Glück des
Arbeiters erhöht und die mit ihr ins Auge gefaßten Güter besser und rascher
herstellt als jede andre. Das Ideal der Arbeitsweise entsteht, indem für die
Menschheit eine Ordnung geschaffen wird, bei der alle die Herstellung der
Güter gemeinschaftlich mit zweckmäßig verteilten Kräften und Trieben betreiben-
Jeder arbeitet, was er mag lind nicht länger, als er mag. Damit dies aber
möglich sei, muß das Ergebnis der Arbeit, der Verdienst, das Gut, der Besitz


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0074" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207369"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_193" prev="#ID_192"> Periode der Zivilisation darstellt. Der sechste, die Zeit der Bürgschaft (Mr-me-ismo),<lb/>
in der sich der Gedanke der Association teilweise verwirklicht, leitet den siebenten<lb/>
und letzten Zeitraum ein, in dem sich die eigentliche Vereinigung, der Zu¬<lb/>
sammentritt der einzelnen Genossenschaften der Menschen zu einem einzigen<lb/>
großen Bunde vollzieht. Dieser Übergang, der als &#x201E;Sprung ans dein Chaos<lb/>
in die Harmonie" bezeichnet wird, bildet den Beginn einer Periode von<lb/>
35,000 Jahren höchsten und doch stets wachsenden Glückes, denen andre Z5000<lb/>
folgen werden, wo das Glück nach und nach abnimmt, und nach deren Ablauf<lb/>
die Erde noch 8000 Jahre als alterndes und absterbendes Gestirn lebt, um<lb/>
sich schließlich in das Weltall aufzulösen. Auch die Periode der Zivilisation<lb/>
hat wieder ihre innere Entwicklung mit Anfang, Gipfelpunkt und Ende, deren<lb/>
Behandlung manche geistreiche Wendung zeigt. Doch ist immer nur die Kritik<lb/>
der heutigen gesellschaftlichen Zustande brauchbar und bedeutend. Hier ist der<lb/>
sonst bizarre Philosoph des Kramladens sehr gut zu Hause und reich an weiten<lb/>
und tiefen Beobachtungen. Unter anderm weist er überzeugend nach, daß einer¬<lb/>
seits die Zerstückelung des Grundbesitzes, die in der That in Frankreich sehr<lb/>
weit geht, den Ertrag, den er nbznwerfen imstande wäre, wesentlich schmälert,<lb/>
und daß anderseits der Handel von der Selbstsucht der Kaufleute zum großen<lb/>
Nachteile des Ganzen ausgebeutet wird. Was Fourier hierüber sagt, trifft<lb/>
vielfach die Grundursache manches Elends und mancher Klage, aber es wäre<lb/>
schöner und wirksamer gewesen, wenn er es einfacher, kürzer und klarer ans-<lb/>
besprvchen hätte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_194" next="#ID_195"> Wir haben nnn den letzten und wichtigsten Teil der Fourierschen Lehre,<lb/>
das, was als Senfkorn von ihr in den Boden der Gesellschaft siel und in<lb/>
ihm aufgehoben blieb, zu betrachten, die Beantwortung der Fragen: Wie kann<lb/>
die Arbeit ihre hohe Aufgabe erfüllen, die Bestimmung der Menschheit, ihr<lb/>
Glück herbeizuführen? Und was ist zu thun, damit die Menschheit das Werk<lb/>
mit deu rechten Mitteln anfaßt und betreibt? Die Antwort des Philosophen<lb/>
knetet: Da die Arbeit eine Notwendigkeit ist, so muß sie selbst in ihrer Weise<lb/>
dein ewigen Grundgesetz aller Dinge, der Harmonie der Triebe dnrch die<lb/>
Serie entsprechen, mit anderm Ausdruck: soll die Arbeit harmonisch sein<lb/>
und so beglücken, so muß sie sich serienweise verteilen und feder Einzelne die<lb/>
besondre Arbeit übernehmen, zu der er sich getrieben fühlt oder Lust hat.<lb/>
Das ist das Prinzip des harmonischen Arbeitens, dessen Grundlage die That¬<lb/>
sache ist, daß die Arbeit, die mit Vergnügen verrichtet wird, das Glück des<lb/>
Arbeiters erhöht und die mit ihr ins Auge gefaßten Güter besser und rascher<lb/>
herstellt als jede andre. Das Ideal der Arbeitsweise entsteht, indem für die<lb/>
Menschheit eine Ordnung geschaffen wird, bei der alle die Herstellung der<lb/>
Güter gemeinschaftlich mit zweckmäßig verteilten Kräften und Trieben betreiben-<lb/>
Jeder arbeitet, was er mag lind nicht länger, als er mag. Damit dies aber<lb/>
möglich sei, muß das Ergebnis der Arbeit, der Verdienst, das Gut, der Besitz</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] Periode der Zivilisation darstellt. Der sechste, die Zeit der Bürgschaft (Mr-me-ismo), in der sich der Gedanke der Association teilweise verwirklicht, leitet den siebenten und letzten Zeitraum ein, in dem sich die eigentliche Vereinigung, der Zu¬ sammentritt der einzelnen Genossenschaften der Menschen zu einem einzigen großen Bunde vollzieht. Dieser Übergang, der als „Sprung ans dein Chaos in die Harmonie" bezeichnet wird, bildet den Beginn einer Periode von 35,000 Jahren höchsten und doch stets wachsenden Glückes, denen andre Z5000 folgen werden, wo das Glück nach und nach abnimmt, und nach deren Ablauf die Erde noch 8000 Jahre als alterndes und absterbendes Gestirn lebt, um sich schließlich in das Weltall aufzulösen. Auch die Periode der Zivilisation hat wieder ihre innere Entwicklung mit Anfang, Gipfelpunkt und Ende, deren Behandlung manche geistreiche Wendung zeigt. Doch ist immer nur die Kritik der heutigen gesellschaftlichen Zustande brauchbar und bedeutend. Hier ist der sonst bizarre Philosoph des Kramladens sehr gut zu Hause und reich an weiten und tiefen Beobachtungen. Unter anderm weist er überzeugend nach, daß einer¬ seits die Zerstückelung des Grundbesitzes, die in der That in Frankreich sehr weit geht, den Ertrag, den er nbznwerfen imstande wäre, wesentlich schmälert, und daß anderseits der Handel von der Selbstsucht der Kaufleute zum großen Nachteile des Ganzen ausgebeutet wird. Was Fourier hierüber sagt, trifft vielfach die Grundursache manches Elends und mancher Klage, aber es wäre schöner und wirksamer gewesen, wenn er es einfacher, kürzer und klarer ans- besprvchen hätte. Wir haben nnn den letzten und wichtigsten Teil der Fourierschen Lehre, das, was als Senfkorn von ihr in den Boden der Gesellschaft siel und in ihm aufgehoben blieb, zu betrachten, die Beantwortung der Fragen: Wie kann die Arbeit ihre hohe Aufgabe erfüllen, die Bestimmung der Menschheit, ihr Glück herbeizuführen? Und was ist zu thun, damit die Menschheit das Werk mit deu rechten Mitteln anfaßt und betreibt? Die Antwort des Philosophen knetet: Da die Arbeit eine Notwendigkeit ist, so muß sie selbst in ihrer Weise dein ewigen Grundgesetz aller Dinge, der Harmonie der Triebe dnrch die Serie entsprechen, mit anderm Ausdruck: soll die Arbeit harmonisch sein und so beglücken, so muß sie sich serienweise verteilen und feder Einzelne die besondre Arbeit übernehmen, zu der er sich getrieben fühlt oder Lust hat. Das ist das Prinzip des harmonischen Arbeitens, dessen Grundlage die That¬ sache ist, daß die Arbeit, die mit Vergnügen verrichtet wird, das Glück des Arbeiters erhöht und die mit ihr ins Auge gefaßten Güter besser und rascher herstellt als jede andre. Das Ideal der Arbeitsweise entsteht, indem für die Menschheit eine Ordnung geschaffen wird, bei der alle die Herstellung der Güter gemeinschaftlich mit zweckmäßig verteilten Kräften und Trieben betreiben- Jeder arbeitet, was er mag lind nicht länger, als er mag. Damit dies aber möglich sei, muß das Ergebnis der Arbeit, der Verdienst, das Gut, der Besitz

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/74
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/74>, abgerufen am 03.07.2024.