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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Das deutsch-englische Abkommen

und dennoch vermochte England die Franzosen an der Eroberung Belgiens
und Hollands nicht zu verhindern, sobald sich Österreich hier zurückzog. Es
wirkte dann wesentlich mit bei der Begründung der zweiten Koalition im Jahre
1799, weil die Franzosen mit der Eroberung Maltas und Ägyptens die eng¬
lische Herrschaft im Mittelmeer und in Ostindien bedrohte", und verdarb dann
doch den Erfolg des glänzenden oberitalienischen Feldzuges Suworows im
Jahre 1799 durch die Forderung an Österreich, den besten Teil seines Heeres
nach dem Niederrhein zu entsenden, um einen englischen Angriff auf Holland
zu unterstützen und den Russen Suworow von den Küsten des Mittelmeers
zu entfernen, weil Kaiser Paul I. selber an die Erwerbung Maltas dachte.
Die Sprengung der Koalition war das Ergebnis, und der Friede von Lüne-
ville 1801, also auch der Verlust des linken Rheümfers, war die Folge; Eng¬
land aber hatte sich inzwischen Ceylons, des Vorgebirges der guten Hoffnung,
Maltas und andrer Besitzungen bemächtigt und gab dann auch die nicht heraus,
die es im Frieden von Amiens 1802 zurückzugeben versprochen hatte, sodaß
der Krieg mit Frankreich abermals ausbrach. Als das geschehen war, that
England doch im Jahre 1803 gar nichts, um Hannover vor der französischen
Besitzergreifung zu schützen, dies Land, dessen tapfere Sohne ihm seine besten
Soldaten stellten und einen guten Teil jenes strahlenden Waffcnruhmes er¬
fochten haben, den dann die Briten unbefangen für sich in Anspruch nahmen;
wohl aber trieb die englische Politik Rußland und Österreich 1805 zu einer
dritten Koalition und vermochte dann doch selbst durch Nelsons Seesieg bei
Trafalgar nicht das geringste dazu beizutragen, um die kläglichsten Nieder¬
lagen und die schwersten Verluste von seinen Verbündeten abzuwenden. Aber
die französische Kriegsflotte war vernichtet, und die Alleinherrschaft Englands
auf dem Meere begründet. Und als dann die haltlose preußische Politik sich
1806 von Napoleon zur Besetzung Hannovers drängen und damit in einen
Gegensatz zu England hineintreiben ließ, da benutzte dies England, um in
einem rücksichtslosen Kaperkriege die blühende preußische Handelsschiffahrt fast
gänzlich zu vernichten. Nach dem Zusammenbruche des preußischen Staates
1806--1807, als sich 1809 Österreich erhob und die norddeutschen Patrioten
ebenfalls zu der Erhebung drängten, auf die alles seit Jahren vor allem in
Preußen zugeschnitten und vorbereitet war, da hätte England durch die Landung
einer ansehnlichen Streitmacht an der deutschen Nordseeküste dieser Erhebung
einen festen Rückhalt bieten, auf diese Weise den zaubernden König von Preußen
mit sich fortreißen und damit den Krieg gegen Napoleon entscheiden können.
Statt dessen unternahm es eine schließlich völlig vergebliche Landung in Holland,
Preußen blieb ruhig, Österreich unterlag und schloß sich eng an Frankreich
an; die Knechtschaft Europas wurde durch Englands Mitschuld um mehrere
Jahre verlängert. Wie haben dann 1813 die preußischen Staatsmänner und
Generale feilschen und markten müssen um jeden Pfennig englischer Hilfsgelder,


Das deutsch-englische Abkommen

und dennoch vermochte England die Franzosen an der Eroberung Belgiens
und Hollands nicht zu verhindern, sobald sich Österreich hier zurückzog. Es
wirkte dann wesentlich mit bei der Begründung der zweiten Koalition im Jahre
1799, weil die Franzosen mit der Eroberung Maltas und Ägyptens die eng¬
lische Herrschaft im Mittelmeer und in Ostindien bedrohte», und verdarb dann
doch den Erfolg des glänzenden oberitalienischen Feldzuges Suworows im
Jahre 1799 durch die Forderung an Österreich, den besten Teil seines Heeres
nach dem Niederrhein zu entsenden, um einen englischen Angriff auf Holland
zu unterstützen und den Russen Suworow von den Küsten des Mittelmeers
zu entfernen, weil Kaiser Paul I. selber an die Erwerbung Maltas dachte.
Die Sprengung der Koalition war das Ergebnis, und der Friede von Lüne-
ville 1801, also auch der Verlust des linken Rheümfers, war die Folge; Eng¬
land aber hatte sich inzwischen Ceylons, des Vorgebirges der guten Hoffnung,
Maltas und andrer Besitzungen bemächtigt und gab dann auch die nicht heraus,
die es im Frieden von Amiens 1802 zurückzugeben versprochen hatte, sodaß
der Krieg mit Frankreich abermals ausbrach. Als das geschehen war, that
England doch im Jahre 1803 gar nichts, um Hannover vor der französischen
Besitzergreifung zu schützen, dies Land, dessen tapfere Sohne ihm seine besten
Soldaten stellten und einen guten Teil jenes strahlenden Waffcnruhmes er¬
fochten haben, den dann die Briten unbefangen für sich in Anspruch nahmen;
wohl aber trieb die englische Politik Rußland und Österreich 1805 zu einer
dritten Koalition und vermochte dann doch selbst durch Nelsons Seesieg bei
Trafalgar nicht das geringste dazu beizutragen, um die kläglichsten Nieder¬
lagen und die schwersten Verluste von seinen Verbündeten abzuwenden. Aber
die französische Kriegsflotte war vernichtet, und die Alleinherrschaft Englands
auf dem Meere begründet. Und als dann die haltlose preußische Politik sich
1806 von Napoleon zur Besetzung Hannovers drängen und damit in einen
Gegensatz zu England hineintreiben ließ, da benutzte dies England, um in
einem rücksichtslosen Kaperkriege die blühende preußische Handelsschiffahrt fast
gänzlich zu vernichten. Nach dem Zusammenbruche des preußischen Staates
1806—1807, als sich 1809 Österreich erhob und die norddeutschen Patrioten
ebenfalls zu der Erhebung drängten, auf die alles seit Jahren vor allem in
Preußen zugeschnitten und vorbereitet war, da hätte England durch die Landung
einer ansehnlichen Streitmacht an der deutschen Nordseeküste dieser Erhebung
einen festen Rückhalt bieten, auf diese Weise den zaubernden König von Preußen
mit sich fortreißen und damit den Krieg gegen Napoleon entscheiden können.
Statt dessen unternahm es eine schließlich völlig vergebliche Landung in Holland,
Preußen blieb ruhig, Österreich unterlag und schloß sich eng an Frankreich
an; die Knechtschaft Europas wurde durch Englands Mitschuld um mehrere
Jahre verlängert. Wie haben dann 1813 die preußischen Staatsmänner und
Generale feilschen und markten müssen um jeden Pfennig englischer Hilfsgelder,


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[0626] Das deutsch-englische Abkommen und dennoch vermochte England die Franzosen an der Eroberung Belgiens und Hollands nicht zu verhindern, sobald sich Österreich hier zurückzog. Es wirkte dann wesentlich mit bei der Begründung der zweiten Koalition im Jahre 1799, weil die Franzosen mit der Eroberung Maltas und Ägyptens die eng¬ lische Herrschaft im Mittelmeer und in Ostindien bedrohte», und verdarb dann doch den Erfolg des glänzenden oberitalienischen Feldzuges Suworows im Jahre 1799 durch die Forderung an Österreich, den besten Teil seines Heeres nach dem Niederrhein zu entsenden, um einen englischen Angriff auf Holland zu unterstützen und den Russen Suworow von den Küsten des Mittelmeers zu entfernen, weil Kaiser Paul I. selber an die Erwerbung Maltas dachte. Die Sprengung der Koalition war das Ergebnis, und der Friede von Lüne- ville 1801, also auch der Verlust des linken Rheümfers, war die Folge; Eng¬ land aber hatte sich inzwischen Ceylons, des Vorgebirges der guten Hoffnung, Maltas und andrer Besitzungen bemächtigt und gab dann auch die nicht heraus, die es im Frieden von Amiens 1802 zurückzugeben versprochen hatte, sodaß der Krieg mit Frankreich abermals ausbrach. Als das geschehen war, that England doch im Jahre 1803 gar nichts, um Hannover vor der französischen Besitzergreifung zu schützen, dies Land, dessen tapfere Sohne ihm seine besten Soldaten stellten und einen guten Teil jenes strahlenden Waffcnruhmes er¬ fochten haben, den dann die Briten unbefangen für sich in Anspruch nahmen; wohl aber trieb die englische Politik Rußland und Österreich 1805 zu einer dritten Koalition und vermochte dann doch selbst durch Nelsons Seesieg bei Trafalgar nicht das geringste dazu beizutragen, um die kläglichsten Nieder¬ lagen und die schwersten Verluste von seinen Verbündeten abzuwenden. Aber die französische Kriegsflotte war vernichtet, und die Alleinherrschaft Englands auf dem Meere begründet. Und als dann die haltlose preußische Politik sich 1806 von Napoleon zur Besetzung Hannovers drängen und damit in einen Gegensatz zu England hineintreiben ließ, da benutzte dies England, um in einem rücksichtslosen Kaperkriege die blühende preußische Handelsschiffahrt fast gänzlich zu vernichten. Nach dem Zusammenbruche des preußischen Staates 1806—1807, als sich 1809 Österreich erhob und die norddeutschen Patrioten ebenfalls zu der Erhebung drängten, auf die alles seit Jahren vor allem in Preußen zugeschnitten und vorbereitet war, da hätte England durch die Landung einer ansehnlichen Streitmacht an der deutschen Nordseeküste dieser Erhebung einen festen Rückhalt bieten, auf diese Weise den zaubernden König von Preußen mit sich fortreißen und damit den Krieg gegen Napoleon entscheiden können. Statt dessen unternahm es eine schließlich völlig vergebliche Landung in Holland, Preußen blieb ruhig, Österreich unterlag und schloß sich eng an Frankreich an; die Knechtschaft Europas wurde durch Englands Mitschuld um mehrere Jahre verlängert. Wie haben dann 1813 die preußischen Staatsmänner und Generale feilschen und markten müssen um jeden Pfennig englischer Hilfsgelder,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/626>, abgerufen am 27.06.2024.