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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Und diese Wendung hat sich der Verfasser der unter dem Namen des Aristaiuetos
senden Briefe (etwa ans dem fünften Jahrhundert n. Chr.) angeeignet. Im
zwanzigsten Briefe des zweiten Buches -- einer kleinen Erzählung, die von der
Briefform nicht mehr als die Überschrift hat -- verteidigt sich eine Schöne mit
großer Lebendigkeit gegen den Vorwurf der Sprödigkeit, der ihr von einem
zurückgewiesenen Liebhaber gemacht wird. "Eure Thränen -- sagt sie zuletzt --
dauern nnr einen Tag >ab werden abgewischt wie Schweiß. Eure Eide aber
gehen, wie ihr selbst sagt, nicht ins Ohr der Götter ein" (-rvvz 8pxove "üiwi
^"i's ^ 7r^S7rT'X"5Li,v ^ni"? <>>^ ^<->v t>s"v).

In ein andres Bild gefaßt erscheint der Gedanke in einem Epigramm des
Meleager (erstes Jahrhundert v. Chr.):


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^or^Lstv, ""kvov ^ 6/"" vo?ror" ^kli/-ceo
^tü^^e, d-^- xo/l?r""s o^>qK "re^in"'.

(Heilige Nacht und Leuchte, zu unserer Schwüre Vertrauten
Haben wir keinen als euch beide Verliebte gewählt.
Und nun schwuren wir zwei, uns nimmer im Leben zu lassen
Sondern in Liebe vereint treu zu einander zu stehn.
Ach! nun sagt er es frei, sein Eid sei in Wasser geschrieben.
Treulos siehst du ihn jetzt, Leuchte, in anderer Arm.)

Ähnlich ist die Vorstellung, daß die Winde die Schwüre der Liebenden fort¬
tragen, die wir schon in den oben mitgeteilten Versen des Lygdamns getroffen
haben. Sie findet sich außerdem in der vierten Elegie des Tibull. Da sagt der
Gartengvtt zu einem Verliebten:


Up" iurasss eins; "Vonoi'is xariuria, vsnti
Irrits, nsr tsrras vt. ersts, summid tvrunt.

Und gleich darauf folgt der Gedanke, der beim Lygdnmus voran stand, daß die
Götter die Meineide der Liebenden ungerächt lassen, in folgender Fassung:


<Zr"ti" müAll" >7moi: voluit p"lor ins" vsloro,
^urasssti enpiilo lsui<l<znicl lumpen" amor;
?or<zuo süss imxnns Sinn ViotMN" soHittas
^ftirines, onnss nor^no Niiinrvn, suo8,

d. h. Jnppiter verwirft die Liebesschwüre als eitel und nichtig, und weder Diana
noch Minerva kümmern sich um den Meineid eines Liebenden, mag er mich bei
den Pfeilen der einen, beim Haupte der andern geschworen haben.

Werden hier bereits im Gegensatz zu der ältern Fassung des Gedankens be¬
stimmte Gottheiten genannt, um in ein deutliches Bild zu treten, so fehlt doch
immer noch der Zug von dem "Lachen des Gottes," der in dem Gedichte des
Lygdamns so plastisch hervortritt. Er findet sich zuerst beim Horaz in der achten
Ode des zweiten Buches. Der Dichter wundert sich, daß die eidbrüchige Barine
keinen Schaden nimmt, sondern schöner und schöner wird und mehr noch als früher
die Herzen der Jünglinge entflammt. Und doch hat sie bei der Asche ihrer
Mutter, bei dem stillen Sternenhimmel, bei den ewigen Göttern ihm Treue ge¬
schworen, die sie um gebrochen hat. Aber, fügt er hinzu:


Rillet üoe, wcmam, Vonns ixsa, riäsut
Limxlioss u/mxli^s, torus ot, Luxiäo
Lompor arüöutss Ävuons fanden."
Lato oruonta,

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Und diese Wendung hat sich der Verfasser der unter dem Namen des Aristaiuetos
senden Briefe (etwa ans dem fünften Jahrhundert n. Chr.) angeeignet. Im
zwanzigsten Briefe des zweiten Buches — einer kleinen Erzählung, die von der
Briefform nicht mehr als die Überschrift hat — verteidigt sich eine Schöne mit
großer Lebendigkeit gegen den Vorwurf der Sprödigkeit, der ihr von einem
zurückgewiesenen Liebhaber gemacht wird. „Eure Thränen — sagt sie zuletzt —
dauern nnr einen Tag >ab werden abgewischt wie Schweiß. Eure Eide aber
gehen, wie ihr selbst sagt, nicht ins Ohr der Götter ein" (-rvvz 8pxove «üiwi
^«i's ^ 7r^S7rT'X«5Li,v ^ni"? <>>^ ^<->v t>s»v).

In ein andres Bild gefaßt erscheint der Gedanke in einem Epigramm des
Meleager (erstes Jahrhundert v. Chr.):


>MvK x«! no/oro^ac^ vo?«»'ax «^ope
^or^Lstv, ««kvov ^ 6/«» vo?ror« ^kli/-ceo
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(Heilige Nacht und Leuchte, zu unserer Schwüre Vertrauten
Haben wir keinen als euch beide Verliebte gewählt.
Und nun schwuren wir zwei, uns nimmer im Leben zu lassen
Sondern in Liebe vereint treu zu einander zu stehn.
Ach! nun sagt er es frei, sein Eid sei in Wasser geschrieben.
Treulos siehst du ihn jetzt, Leuchte, in anderer Arm.)

Ähnlich ist die Vorstellung, daß die Winde die Schwüre der Liebenden fort¬
tragen, die wir schon in den oben mitgeteilten Versen des Lygdamns getroffen
haben. Sie findet sich außerdem in der vierten Elegie des Tibull. Da sagt der
Gartengvtt zu einem Verliebten:


Up« iurasss eins; "Vonoi'is xariuria, vsnti
Irrits, nsr tsrras vt. ersts, summid tvrunt.

Und gleich darauf folgt der Gedanke, der beim Lygdnmus voran stand, daß die
Götter die Meineide der Liebenden ungerächt lassen, in folgender Fassung:


<Zr»ti» müAll» >7moi: voluit p»lor ins» vsloro,
^urasssti enpiilo lsui<l<znicl lumpen» amor;
?or<zuo süss imxnns Sinn ViotMN» soHittas
^ftirines, onnss nor^no Niiinrvn, suo8,

d. h. Jnppiter verwirft die Liebesschwüre als eitel und nichtig, und weder Diana
noch Minerva kümmern sich um den Meineid eines Liebenden, mag er mich bei
den Pfeilen der einen, beim Haupte der andern geschworen haben.

Werden hier bereits im Gegensatz zu der ältern Fassung des Gedankens be¬
stimmte Gottheiten genannt, um in ein deutliches Bild zu treten, so fehlt doch
immer noch der Zug von dem „Lachen des Gottes," der in dem Gedichte des
Lygdamns so plastisch hervortritt. Er findet sich zuerst beim Horaz in der achten
Ode des zweiten Buches. Der Dichter wundert sich, daß die eidbrüchige Barine
keinen Schaden nimmt, sondern schöner und schöner wird und mehr noch als früher
die Herzen der Jünglinge entflammt. Und doch hat sie bei der Asche ihrer
Mutter, bei dem stillen Sternenhimmel, bei den ewigen Göttern ihm Treue ge¬
schworen, die sie um gebrochen hat. Aber, fügt er hinzu:


Rillet üoe, wcmam, Vonns ixsa, riäsut
Limxlioss u/mxli^s, torus ot, Luxiäo
Lompor arüöutss Ävuons fanden.»
Lato oruonta,

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[0580] Maßgebliches und Unmaßgebliches Und diese Wendung hat sich der Verfasser der unter dem Namen des Aristaiuetos senden Briefe (etwa ans dem fünften Jahrhundert n. Chr.) angeeignet. Im zwanzigsten Briefe des zweiten Buches — einer kleinen Erzählung, die von der Briefform nicht mehr als die Überschrift hat — verteidigt sich eine Schöne mit großer Lebendigkeit gegen den Vorwurf der Sprödigkeit, der ihr von einem zurückgewiesenen Liebhaber gemacht wird. „Eure Thränen — sagt sie zuletzt — dauern nnr einen Tag >ab werden abgewischt wie Schweiß. Eure Eide aber gehen, wie ihr selbst sagt, nicht ins Ohr der Götter ein" (-rvvz 8pxove «üiwi ^«i's ^ 7r^S7rT'X«5Li,v ^ni"? <>>^ ^<->v t>s»v). In ein andres Bild gefaßt erscheint der Gedanke in einem Epigramm des Meleager (erstes Jahrhundert v. Chr.): >MvK x«! no/oro^ac^ vo?«»'ax «^ope ^or^Lstv, ««kvov ^ 6/«» vo?ror« ^kli/-ceo ^tü^^e, d-^- xo/l?r»«s o^>qK «re^in»'. (Heilige Nacht und Leuchte, zu unserer Schwüre Vertrauten Haben wir keinen als euch beide Verliebte gewählt. Und nun schwuren wir zwei, uns nimmer im Leben zu lassen Sondern in Liebe vereint treu zu einander zu stehn. Ach! nun sagt er es frei, sein Eid sei in Wasser geschrieben. Treulos siehst du ihn jetzt, Leuchte, in anderer Arm.) Ähnlich ist die Vorstellung, daß die Winde die Schwüre der Liebenden fort¬ tragen, die wir schon in den oben mitgeteilten Versen des Lygdamns getroffen haben. Sie findet sich außerdem in der vierten Elegie des Tibull. Da sagt der Gartengvtt zu einem Verliebten: Up« iurasss eins; "Vonoi'is xariuria, vsnti Irrits, nsr tsrras vt. ersts, summid tvrunt. Und gleich darauf folgt der Gedanke, der beim Lygdnmus voran stand, daß die Götter die Meineide der Liebenden ungerächt lassen, in folgender Fassung: <Zr»ti» müAll» >7moi: voluit p»lor ins» vsloro, ^urasssti enpiilo lsui<l<znicl lumpen» amor; ?or<zuo süss imxnns Sinn ViotMN» soHittas ^ftirines, onnss nor^no Niiinrvn, suo8, d. h. Jnppiter verwirft die Liebesschwüre als eitel und nichtig, und weder Diana noch Minerva kümmern sich um den Meineid eines Liebenden, mag er mich bei den Pfeilen der einen, beim Haupte der andern geschworen haben. Werden hier bereits im Gegensatz zu der ältern Fassung des Gedankens be¬ stimmte Gottheiten genannt, um in ein deutliches Bild zu treten, so fehlt doch immer noch der Zug von dem „Lachen des Gottes," der in dem Gedichte des Lygdamns so plastisch hervortritt. Er findet sich zuerst beim Horaz in der achten Ode des zweiten Buches. Der Dichter wundert sich, daß die eidbrüchige Barine keinen Schaden nimmt, sondern schöner und schöner wird und mehr noch als früher die Herzen der Jünglinge entflammt. Und doch hat sie bei der Asche ihrer Mutter, bei dem stillen Sternenhimmel, bei den ewigen Göttern ihm Treue ge¬ schworen, die sie um gebrochen hat. Aber, fügt er hinzu: Rillet üoe, wcmam, Vonns ixsa, riäsut Limxlioss u/mxli^s, torus ot, Luxiäo Lompor arüöutss Ävuons fanden.» Lato oruonta,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/580>, abgerufen am 28.12.2024.