Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Die deutsche Sprache in (Österreich deutschen an unsern!" Später faßten sie die Sache jedoch etwas ruhiger auf Ich sehe ganz davon ub, ob die mit dem Unterricht in der deutschen Die deutsche Sprache in (Österreich deutschen an unsern!" Später faßten sie die Sache jedoch etwas ruhiger auf Ich sehe ganz davon ub, ob die mit dem Unterricht in der deutschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207835"/> <fw type="header" place="top"> Die deutsche Sprache in (Österreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1489" prev="#ID_1488"> deutschen an unsern!" Später faßten sie die Sache jedoch etwas ruhiger auf<lb/> und fügten die deutsche Sprache teils als obligaten, teils als fakultativen<lb/> Unterrichtsgegenstand ein. Mit welchem Erfolge dies geschehen ist, tritt nun<lb/> klar zu Tage.</p><lb/> <p xml:id="ID_1490" next="#ID_1491"> Ich sehe ganz davon ub, ob die mit dem Unterricht in der deutschen<lb/> Sprache betrauten nationalen Lehrer, zumeist selbst fanatische Nationale, ihren<lb/> Verpflichtungen auch nach bestem Wissen und Gewissen nachgekommen sind,<lb/> und ob die gleichfalls fanatische Jugend dem Gegenstande den nötigen guten<lb/> Willen entgegengebracht hat, fragte aber jeden praktischen Schulmann, die<lb/> Sprachlehrer in erster Reihe, welche Erfolge mit einer beschränkten Anzahl<lb/> wöchentlicher Unterrichtsstunden bei stark besuchten, oft geradezu überfüllten<lb/> Klassen zu erzielen sind? Wo ist der französische oder englische Sprachlehrer,<lb/> der seinen Schülern durch die Schule allein die vollkommene Kenntnis der<lb/> betreffenden Sprachen in Wort und Schrift beizubringen imstande wäre? Und<lb/> dabei ist noch zu beachten, daß diese Sprachen ganz unverhältnismäßig leichter<lb/> sind, als unser von sprachlichen Schwierigkeiten aller Art strotzendes Deutsch.<lb/> Ist es zu verwundern, wenn bei den gegenwärtigen Verhältnissen der Unter¬<lb/> richt im Deutschen an den nichtdeutschen Schulen in Österreich zum Aschen¬<lb/> brödel geworden ist? Im glücklichsten Falle bringen es die jungen Leute dahin,<lb/> daß sie beim Austritt aus der Schule mit Hilfe des Wörterbuches einen<lb/> deutschen Schriftsteller oder eine deutsche Zeitung lesen können. Korrekt<lb/> deutsch sprechen und schreiben kann, abgesehen von entschiednen Sprachtalenten,<lb/> die bekanntlich überall dünn gesät sind, keiner mehr. Und nun tritt die so<lb/> vorgebildete Jugend ins praktische Leben, wo man im Amte, im Handel, im<lb/> Verkehr eine vollkommene Kenntnis des Deutschen verlangt und verlangen muß,<lb/> denn wo es sich ums Geschäft, um den eignen Beutel handelt, verstehen auch<lb/> unsre in der Wolle gefärbten nationalen Chauvinisteil keinen Spaß. „Ja<lb/> — heißt es dann — wenn Sie nicht Deutsch können, kann ich Sie nicht<lb/> brauchen!" Aber um solche Dinge kümmern sich die Herren, die bei<lb/> uus in Nationalität Geschäfte machen, blutwenig. Sie zucken bedauernd die<lb/> Achseln und überlassen den korrekt national erzogenen Nachwuchs ruhig seinem<lb/> Schicksale. Mögen sie selbst zusehen, wie sie zurecht kommen. Hat der Be¬<lb/> treffende nicht die Mittel, sich nachträglich und um schweres Geld eiuen in<lb/> vielen Fällen ziemlich problematischen Privatunterricht zu verschaffen, oder<lb/> haben die Eltern nicht, wie dies die wohlhabender« Juden in Ungarn thun,<lb/> den Kindern deutsche Gouvernanten gehalten, so bleibt dem jungen Manne<lb/> nichts übrig, als den Nest seiner Tage in der teuern Heimat, deren Grenzen<lb/> von jedem Punkte aus in einem halben Tage bequem zu erreichen sind, in<lb/> nationalem Vollbewußtsein zu verbringen. Da nun aber die weitaus größere<lb/> Anzahl der Leute nicht in der Lage ist, mit Privatmitteln nachzuhelfen, so<lb/> wird die unentbehrliche Kenntnis der Sprache zu einem Benefizium der „obern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0540]
Die deutsche Sprache in (Österreich
deutschen an unsern!" Später faßten sie die Sache jedoch etwas ruhiger auf
und fügten die deutsche Sprache teils als obligaten, teils als fakultativen
Unterrichtsgegenstand ein. Mit welchem Erfolge dies geschehen ist, tritt nun
klar zu Tage.
Ich sehe ganz davon ub, ob die mit dem Unterricht in der deutschen
Sprache betrauten nationalen Lehrer, zumeist selbst fanatische Nationale, ihren
Verpflichtungen auch nach bestem Wissen und Gewissen nachgekommen sind,
und ob die gleichfalls fanatische Jugend dem Gegenstande den nötigen guten
Willen entgegengebracht hat, fragte aber jeden praktischen Schulmann, die
Sprachlehrer in erster Reihe, welche Erfolge mit einer beschränkten Anzahl
wöchentlicher Unterrichtsstunden bei stark besuchten, oft geradezu überfüllten
Klassen zu erzielen sind? Wo ist der französische oder englische Sprachlehrer,
der seinen Schülern durch die Schule allein die vollkommene Kenntnis der
betreffenden Sprachen in Wort und Schrift beizubringen imstande wäre? Und
dabei ist noch zu beachten, daß diese Sprachen ganz unverhältnismäßig leichter
sind, als unser von sprachlichen Schwierigkeiten aller Art strotzendes Deutsch.
Ist es zu verwundern, wenn bei den gegenwärtigen Verhältnissen der Unter¬
richt im Deutschen an den nichtdeutschen Schulen in Österreich zum Aschen¬
brödel geworden ist? Im glücklichsten Falle bringen es die jungen Leute dahin,
daß sie beim Austritt aus der Schule mit Hilfe des Wörterbuches einen
deutschen Schriftsteller oder eine deutsche Zeitung lesen können. Korrekt
deutsch sprechen und schreiben kann, abgesehen von entschiednen Sprachtalenten,
die bekanntlich überall dünn gesät sind, keiner mehr. Und nun tritt die so
vorgebildete Jugend ins praktische Leben, wo man im Amte, im Handel, im
Verkehr eine vollkommene Kenntnis des Deutschen verlangt und verlangen muß,
denn wo es sich ums Geschäft, um den eignen Beutel handelt, verstehen auch
unsre in der Wolle gefärbten nationalen Chauvinisteil keinen Spaß. „Ja
— heißt es dann — wenn Sie nicht Deutsch können, kann ich Sie nicht
brauchen!" Aber um solche Dinge kümmern sich die Herren, die bei
uus in Nationalität Geschäfte machen, blutwenig. Sie zucken bedauernd die
Achseln und überlassen den korrekt national erzogenen Nachwuchs ruhig seinem
Schicksale. Mögen sie selbst zusehen, wie sie zurecht kommen. Hat der Be¬
treffende nicht die Mittel, sich nachträglich und um schweres Geld eiuen in
vielen Fällen ziemlich problematischen Privatunterricht zu verschaffen, oder
haben die Eltern nicht, wie dies die wohlhabender« Juden in Ungarn thun,
den Kindern deutsche Gouvernanten gehalten, so bleibt dem jungen Manne
nichts übrig, als den Nest seiner Tage in der teuern Heimat, deren Grenzen
von jedem Punkte aus in einem halben Tage bequem zu erreichen sind, in
nationalem Vollbewußtsein zu verbringen. Da nun aber die weitaus größere
Anzahl der Leute nicht in der Lage ist, mit Privatmitteln nachzuhelfen, so
wird die unentbehrliche Kenntnis der Sprache zu einem Benefizium der „obern
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