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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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daß im Vergleich zu den allerdings vielaugefochteuen französischen Kvlonial-
erwerbungen der neuesten Zeit unsre bisherigen Aufwendungen eine wahre
"Bagatelle" sind. Und was haben wir damit gewonnen? Wir haben unsre
zukunftsreichste, aber von vornherein am meisten gefährdete Kolonie, aus die
uns durch ein fast beispiellos kühnes Vorgehen Deutschlands verdientester
K^olvuialpolitiker, Dr. Peters, die erste Anwartschaft gab, gesichert: es scheint
geradezu ausgeschlossen, daß jemals in nur annähernd gleichem Umfange der
Aufstand in Ostafrika wieder aufflammen sollte; das Arabertum dort ist durch
Wißmauns Waffen wenn nicht gänzlich niedergeworfen, so doch ans der Neige
seiner Widerstandskraft, und fortan wird die lebenschaffende Arbeit dort er¬
gänzen und befestigen, was das gute deutsche Schwert begonnen und vorbereitet
hat. Unser Vaterland darf in Betreff neuer .Kriegsopfer für Ostafrika ruhig
sein. Wir Gläubigeren aber meinen: der moralische Vorrang, den die that¬
kräftige Niederwerfung der Empörung übereinstimmenden Zeugnissen zufolge
fern am indischen Ozean dem deutschen Namen geschaffen hat, ist die paar
Millionen, so schmerzlich sie bei unsern ungeheuern Militärlasten auch sind,
immerhin wert gewesen; ist dies doch die sicherste Grundlegung für unsre
dortige koloniale Zukunft. Andre Opfer, die in unmittelbareren Sinne ergiebig
sind, werden wir auch leichtern Herzens bringe", und sie dürften kaum gänzlich
ausbleiben. Vor der Hand aber mag man sich in den nächstbeteiligten Kreisen
mit den staatlichen Aufwendungen für eine direkte Dampferlinie nach Sansibar
und die versöhnende, Freundschaft werbende Sendung Emin Paschas zufrieden
geben.

Will man vergleichen, so wird man sagen dürfen: wichtiger noch als die
Haltung der Parteien ist in den fraglichen Dingen die der Negierung bei der
Fülle von "bist'retionüren" Befugnissen, die ihr in Bezug darauf teils nach
der Verfassung, teils nach besondern Gesetzen zustehen. Was dürfen wir von
ihr hoffen? Vor allen: blicken wir mit zuversichtlichen Vertrauen zu der That¬
kraft und Weisheit unsers jungen Kaisers empor, der nach allein, was darüber
verlautet, der Kolonialpolitik ein mehr als bloß pflichtgemäßes Interesse ent¬
gegenbringt. Es versteht sich von selbst, daß sie nnr ein Teilstück ist in einem
weitgespannten Rahmen; sie muß sich deu finanziellen und mehr noch den
großen internationalen Anforderungen der Reichspolitik unterordnen. Wenn
die gegnerische Presse den lebhafter" Freunden dieser Politik nachredet, daß
sie das in ihrer angeblichen Schwärmerei vergäßen, so irrt oder, was in
zehn Fällen neunmal geschieht, verleumdet sie. Aber man sorge, daß sie
je länger, desto mehr zu selbständigem Rechte komme und nie zu einer
bloßen Fundgrube für politische Tauschgeschäfte erniedrigt und entwertet
werde. Daß in dieser mißbräuchlichen Weise bei verschiednen diplomatischen
Vorgängen der letzten Jahre verfahren worden ist, so bei der Abgrenzung
des Hinterlandes von Kamerun und des ostafrikanischen Interessengebietes,


daß im Vergleich zu den allerdings vielaugefochteuen französischen Kvlonial-
erwerbungen der neuesten Zeit unsre bisherigen Aufwendungen eine wahre
„Bagatelle" sind. Und was haben wir damit gewonnen? Wir haben unsre
zukunftsreichste, aber von vornherein am meisten gefährdete Kolonie, aus die
uns durch ein fast beispiellos kühnes Vorgehen Deutschlands verdientester
K^olvuialpolitiker, Dr. Peters, die erste Anwartschaft gab, gesichert: es scheint
geradezu ausgeschlossen, daß jemals in nur annähernd gleichem Umfange der
Aufstand in Ostafrika wieder aufflammen sollte; das Arabertum dort ist durch
Wißmauns Waffen wenn nicht gänzlich niedergeworfen, so doch ans der Neige
seiner Widerstandskraft, und fortan wird die lebenschaffende Arbeit dort er¬
gänzen und befestigen, was das gute deutsche Schwert begonnen und vorbereitet
hat. Unser Vaterland darf in Betreff neuer .Kriegsopfer für Ostafrika ruhig
sein. Wir Gläubigeren aber meinen: der moralische Vorrang, den die that¬
kräftige Niederwerfung der Empörung übereinstimmenden Zeugnissen zufolge
fern am indischen Ozean dem deutschen Namen geschaffen hat, ist die paar
Millionen, so schmerzlich sie bei unsern ungeheuern Militärlasten auch sind,
immerhin wert gewesen; ist dies doch die sicherste Grundlegung für unsre
dortige koloniale Zukunft. Andre Opfer, die in unmittelbareren Sinne ergiebig
sind, werden wir auch leichtern Herzens bringe», und sie dürften kaum gänzlich
ausbleiben. Vor der Hand aber mag man sich in den nächstbeteiligten Kreisen
mit den staatlichen Aufwendungen für eine direkte Dampferlinie nach Sansibar
und die versöhnende, Freundschaft werbende Sendung Emin Paschas zufrieden
geben.

Will man vergleichen, so wird man sagen dürfen: wichtiger noch als die
Haltung der Parteien ist in den fraglichen Dingen die der Negierung bei der
Fülle von „bist'retionüren" Befugnissen, die ihr in Bezug darauf teils nach
der Verfassung, teils nach besondern Gesetzen zustehen. Was dürfen wir von
ihr hoffen? Vor allen: blicken wir mit zuversichtlichen Vertrauen zu der That¬
kraft und Weisheit unsers jungen Kaisers empor, der nach allein, was darüber
verlautet, der Kolonialpolitik ein mehr als bloß pflichtgemäßes Interesse ent¬
gegenbringt. Es versteht sich von selbst, daß sie nnr ein Teilstück ist in einem
weitgespannten Rahmen; sie muß sich deu finanziellen und mehr noch den
großen internationalen Anforderungen der Reichspolitik unterordnen. Wenn
die gegnerische Presse den lebhafter» Freunden dieser Politik nachredet, daß
sie das in ihrer angeblichen Schwärmerei vergäßen, so irrt oder, was in
zehn Fällen neunmal geschieht, verleumdet sie. Aber man sorge, daß sie
je länger, desto mehr zu selbständigem Rechte komme und nie zu einer
bloßen Fundgrube für politische Tauschgeschäfte erniedrigt und entwertet
werde. Daß in dieser mißbräuchlichen Weise bei verschiednen diplomatischen
Vorgängen der letzten Jahre verfahren worden ist, so bei der Abgrenzung
des Hinterlandes von Kamerun und des ostafrikanischen Interessengebietes,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/527>, abgerufen am 03.07.2024.