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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Gin englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Vstafrika

mit den: Verfasser überflüssig. Es darf wohl angenommen werde", daß die
kaiserliche Regierung gemäß der Kongvakte der königlich großbritannischen
Negierung vou der Annexion des Küstenstreifens Anzeige gemacht hat, und
daß diese, wenn gegen die deutsche Besitzergreifung Bedenke" zu erhebe"
gewesen Ware", sie geltend gemacht hätte. Dagegen ist gegen die zweite
Behauptung, da sie eine irrige Auffassung hervorrufen konnte, energisch Ver¬
wahrung einzulegen. Wenn der Verfasser aus dem Abkomme" vom Jahre
1886 folgern will, daß Deutschland nördlich vo" Tana keine Erwerbungen
zu machen befugt sei, so ist dies nach deu klaren Bestimmungen der Verein¬
barung völlig unbegründet. Die von Deutschland in dieser Beziehung über¬
nommene Verpflichtung bezieht sich nach Artikel 3 des Abkommens lediglich
auf den England zuerkannten Teil des zwischen dem Rovuma- und dem Tana-
flusse gelegenen Gebietes. In der Erwerbung von Protektoraten nördlich vom
Tana ist Deutschland dagegen in keiner Weise behindert.

Auch im Süden des englischen Interessengebietes ist nach dem Aufsatz
Gelegenheit zum Nachweis deutscher Feindseligkeit geboten. Es wird hier
namentlich auf die Haltung aufmerksam gemacht, die die kaiserliche Regierung
in der Streitfrage über deu Ausgangspunkt der die beiden Interessengebiete
trennende" Grenzlinie angenommen hat. Nach Artikel 3 des Abkommens soll
diese an der Mündung des Wcmga oder Unde beginnen. Bei de" gemein-
schaftlichen Vermessungen durch deutsche und britische Seeoffiziere ist nun fest¬
gestellt worden, daß Warga nud Unde nicht Bezeichnungen für ein und dasselbe
Gewässer sind, sondern daß der Unde ein kleiner Fluß und daß der Warga
ein etwa zwei Meilen nördlich davon oberhalb der gleichnamigen Stadt ge¬
legener Criek ist. Englischerseits wird hiernach der Unde, deutscherseits der
Warga als Ausgangspunkt der Grenzlinie betrachtet. Durch den Wortlaut
des vou der Deutsch-ostafrikanischen Küsteugesellschaft mit dem Sultan von
Sansibar abgeschlossene" Kttstenvertrages wird die Frage keineswegs, wie in
dem Aufsatz behauptet wird, entschieden, denn wenn hier der Unde als Nord¬
grenze des deutscheu Gebietes bezeichnet wird, so ist anderseits anzuführen, daß
nach dem Vertrage der Britisch-ostafrikanischen Gesellschaft der Warga die
Südgrenze des englischen Gebietes bilden soll. Hiernach stehen sich also die
beiderseitigen Auffassungen gleichberechtigt gegenüber. Für die deutsche Ansicht
aber kommt in Betracht, daß, wenn bei den Verhandlmigen über das Abkommen
von 1886 anch über de" Flußnamen infolge widersprechender Kartemmgcibe"
Unklarheit bestand, doch deutscherseits davon ausgegangen wurde, daß die Stadt
Waugn in unser Interessengebiet eingeschlossen werden sollte.

Als neuester Beweis deutscher Feindseligkeit gegen England wird schließlich
eine von Major Wißmann erlassene Proklamation angeführt, wodurch Handels-
karawcmen verboten wird, deu nördlich vom Tanga bis zum Kilimandscharo
gelegenen Teil des deutschen Gebietes zu betreten. Nach der Ausführung des


Gin englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Vstafrika

mit den: Verfasser überflüssig. Es darf wohl angenommen werde», daß die
kaiserliche Regierung gemäß der Kongvakte der königlich großbritannischen
Negierung vou der Annexion des Küstenstreifens Anzeige gemacht hat, und
daß diese, wenn gegen die deutsche Besitzergreifung Bedenke« zu erhebe»
gewesen Ware», sie geltend gemacht hätte. Dagegen ist gegen die zweite
Behauptung, da sie eine irrige Auffassung hervorrufen konnte, energisch Ver¬
wahrung einzulegen. Wenn der Verfasser aus dem Abkomme« vom Jahre
1886 folgern will, daß Deutschland nördlich vo» Tana keine Erwerbungen
zu machen befugt sei, so ist dies nach deu klaren Bestimmungen der Verein¬
barung völlig unbegründet. Die von Deutschland in dieser Beziehung über¬
nommene Verpflichtung bezieht sich nach Artikel 3 des Abkommens lediglich
auf den England zuerkannten Teil des zwischen dem Rovuma- und dem Tana-
flusse gelegenen Gebietes. In der Erwerbung von Protektoraten nördlich vom
Tana ist Deutschland dagegen in keiner Weise behindert.

Auch im Süden des englischen Interessengebietes ist nach dem Aufsatz
Gelegenheit zum Nachweis deutscher Feindseligkeit geboten. Es wird hier
namentlich auf die Haltung aufmerksam gemacht, die die kaiserliche Regierung
in der Streitfrage über deu Ausgangspunkt der die beiden Interessengebiete
trennende» Grenzlinie angenommen hat. Nach Artikel 3 des Abkommens soll
diese an der Mündung des Wcmga oder Unde beginnen. Bei de» gemein-
schaftlichen Vermessungen durch deutsche und britische Seeoffiziere ist nun fest¬
gestellt worden, daß Warga nud Unde nicht Bezeichnungen für ein und dasselbe
Gewässer sind, sondern daß der Unde ein kleiner Fluß und daß der Warga
ein etwa zwei Meilen nördlich davon oberhalb der gleichnamigen Stadt ge¬
legener Criek ist. Englischerseits wird hiernach der Unde, deutscherseits der
Warga als Ausgangspunkt der Grenzlinie betrachtet. Durch den Wortlaut
des vou der Deutsch-ostafrikanischen Küsteugesellschaft mit dem Sultan von
Sansibar abgeschlossene» Kttstenvertrages wird die Frage keineswegs, wie in
dem Aufsatz behauptet wird, entschieden, denn wenn hier der Unde als Nord¬
grenze des deutscheu Gebietes bezeichnet wird, so ist anderseits anzuführen, daß
nach dem Vertrage der Britisch-ostafrikanischen Gesellschaft der Warga die
Südgrenze des englischen Gebietes bilden soll. Hiernach stehen sich also die
beiderseitigen Auffassungen gleichberechtigt gegenüber. Für die deutsche Ansicht
aber kommt in Betracht, daß, wenn bei den Verhandlmigen über das Abkommen
von 1886 anch über de» Flußnamen infolge widersprechender Kartemmgcibe»
Unklarheit bestand, doch deutscherseits davon ausgegangen wurde, daß die Stadt
Waugn in unser Interessengebiet eingeschlossen werden sollte.

Als neuester Beweis deutscher Feindseligkeit gegen England wird schließlich
eine von Major Wißmann erlassene Proklamation angeführt, wodurch Handels-
karawcmen verboten wird, deu nördlich vom Tanga bis zum Kilimandscharo
gelegenen Teil des deutschen Gebietes zu betreten. Nach der Ausführung des


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[0410] Gin englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Vstafrika mit den: Verfasser überflüssig. Es darf wohl angenommen werde», daß die kaiserliche Regierung gemäß der Kongvakte der königlich großbritannischen Negierung vou der Annexion des Küstenstreifens Anzeige gemacht hat, und daß diese, wenn gegen die deutsche Besitzergreifung Bedenke« zu erhebe» gewesen Ware», sie geltend gemacht hätte. Dagegen ist gegen die zweite Behauptung, da sie eine irrige Auffassung hervorrufen konnte, energisch Ver¬ wahrung einzulegen. Wenn der Verfasser aus dem Abkomme« vom Jahre 1886 folgern will, daß Deutschland nördlich vo» Tana keine Erwerbungen zu machen befugt sei, so ist dies nach deu klaren Bestimmungen der Verein¬ barung völlig unbegründet. Die von Deutschland in dieser Beziehung über¬ nommene Verpflichtung bezieht sich nach Artikel 3 des Abkommens lediglich auf den England zuerkannten Teil des zwischen dem Rovuma- und dem Tana- flusse gelegenen Gebietes. In der Erwerbung von Protektoraten nördlich vom Tana ist Deutschland dagegen in keiner Weise behindert. Auch im Süden des englischen Interessengebietes ist nach dem Aufsatz Gelegenheit zum Nachweis deutscher Feindseligkeit geboten. Es wird hier namentlich auf die Haltung aufmerksam gemacht, die die kaiserliche Regierung in der Streitfrage über deu Ausgangspunkt der die beiden Interessengebiete trennende» Grenzlinie angenommen hat. Nach Artikel 3 des Abkommens soll diese an der Mündung des Wcmga oder Unde beginnen. Bei de» gemein- schaftlichen Vermessungen durch deutsche und britische Seeoffiziere ist nun fest¬ gestellt worden, daß Warga nud Unde nicht Bezeichnungen für ein und dasselbe Gewässer sind, sondern daß der Unde ein kleiner Fluß und daß der Warga ein etwa zwei Meilen nördlich davon oberhalb der gleichnamigen Stadt ge¬ legener Criek ist. Englischerseits wird hiernach der Unde, deutscherseits der Warga als Ausgangspunkt der Grenzlinie betrachtet. Durch den Wortlaut des vou der Deutsch-ostafrikanischen Küsteugesellschaft mit dem Sultan von Sansibar abgeschlossene» Kttstenvertrages wird die Frage keineswegs, wie in dem Aufsatz behauptet wird, entschieden, denn wenn hier der Unde als Nord¬ grenze des deutscheu Gebietes bezeichnet wird, so ist anderseits anzuführen, daß nach dem Vertrage der Britisch-ostafrikanischen Gesellschaft der Warga die Südgrenze des englischen Gebietes bilden soll. Hiernach stehen sich also die beiderseitigen Auffassungen gleichberechtigt gegenüber. Für die deutsche Ansicht aber kommt in Betracht, daß, wenn bei den Verhandlmigen über das Abkommen von 1886 anch über de» Flußnamen infolge widersprechender Kartemmgcibe» Unklarheit bestand, doch deutscherseits davon ausgegangen wurde, daß die Stadt Waugn in unser Interessengebiet eingeschlossen werden sollte. Als neuester Beweis deutscher Feindseligkeit gegen England wird schließlich eine von Major Wißmann erlassene Proklamation angeführt, wodurch Handels- karawcmen verboten wird, deu nördlich vom Tanga bis zum Kilimandscharo gelegenen Teil des deutschen Gebietes zu betreten. Nach der Ausführung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/410>, abgerufen am 01.07.2024.