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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Ein englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Gstafrit'ni

der übrigens niemals, wie in dem Aufsatze behauptet wird, die Stelle eiues
deutschen Konsnlaragenten oder eines Vertreters der deutschen Wien-Kompagnie
bekleidet hat, jene Maßnahme dem Sultan angeraten habe, ist uus nichts be¬
kannt. Jedenfalls hat er dies weder auf Anregung einer deutschen Gesellschaft
noch auf Anregung der kaiserlichen Regierung gethan. Was endlich das Ver¬
sälle,? der deutschen Negierung in der vorliegenden Frage betrifft, so ist zu
bemerken, daß einerseits der Sultan von Wien durch seine Stellung unter
deutschen Schutz das Recht auf Zollerhebung keineswegs aufgegeben, und daß
ebenso wenig der Sultan von Sansibar durch die Verpachtung der Küsten¬
strecke an die britische Gesellschaft auf seine Souveränitätsrechte verzichtet hat.
Hieraus folgt, daß die kaiserliche Negierung, selbst wenn sie die Einrichtung
der fraglichen Zollstation nicht für berechtigt hielt, dem Sultan von Wien
diese Aufhebung nicht ohne weiteres anbefehlen konnte. Weiter folgt daraus,
daß zu Beschwerden in der vorliegeichen Angelegenheit, da es sich um einen
Eingriff in die Souveränitätsrechte des Landes handelte, nicht die britisch-
vstafrikanische Gesellschaft, sondern nur der Sultan von Sansibar berechtigt
erschien. Wenn hiernach die kaiserliche Regierung aus die englischcrseits in
Berlin erhobenen Vorstellungen ein Einschreiten abgelehnt hat, so war dies,
wie übrigens, so viel wir wissen, auch von der königlich großbritannischen
Regierung anerkannt worden ist, durchaus korrekt und der Sachlage entsprechend.
Die Angabe unsers englischen Anklägers, daß die kaiserliche Regierung, als die
britische Gesellschaft Ernst gemacht habe, sich schließlich doch zum Verbote der
Zollerhebung entschlossen habe, ist ebenfalls nicht zutreffend. Sie hat ein solches
Verbot niemals erlassen. Dagegen hat sie allerdings dem Sultan Furo
Bakari, als er ihren Rat in der Angelegenheit in Anspruch nahm, geantwortet,
er werde besser thun, sich unter Vorbehalt seiner Rechte vom Belesonikamil
zurückzuziehen, als es zum Kampfe und Blutvergießen kommen zu lassen. Man
sollte meinen, daß die britische Gesellschaft keinen Anlaß hätte, sich über das
Vorgehet! Deutschlands in dieser Angelegenheit zu beklagen.

Der zweite Punkt der Anklageschrift gegen Deutschland hat die längst ent¬
schiedene Streitfrage über Lamu zum Gegenstand und sucht auch hier eine
deutsche Feindseligkeit künstlich nachzuweisen. Die betreffenden Ausführungen
bedürfen keiner Widerlegung, denn wenn der Verfasser anführt, daß Lord
Salisbury den deutschen Vorschlag, die Angelegenheit einem Schiedsrichter zu
unterbreiten, im Vertrauen auf die Gerechtigkeit seiner Sache angenommen habe,
so wird sich der Leser selbst sagen, daß die kaiserliche Regierung jenen Vorschlag
nicht ohne ähnliche Ansicht vou der Berechtigung ihrer Auffassung gemacht hat.

Von der Insel Lamm geht der Verfasser zu den Nachbarinseln Marta
und Palla über, deren Zollverwaltung von dem Sultan von Sansibar kürzlich
an die Britisch-ostafrikanische Gesellschaft verpachtet worden ist. Der Umstand,
daß die kaiserliche Regierung das Recht des Sultans zu dieser Maßunhme

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Ein englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Gstafrit'ni

der übrigens niemals, wie in dem Aufsatze behauptet wird, die Stelle eiues
deutschen Konsnlaragenten oder eines Vertreters der deutschen Wien-Kompagnie
bekleidet hat, jene Maßnahme dem Sultan angeraten habe, ist uus nichts be¬
kannt. Jedenfalls hat er dies weder auf Anregung einer deutschen Gesellschaft
noch auf Anregung der kaiserlichen Regierung gethan. Was endlich das Ver¬
sälle,? der deutschen Negierung in der vorliegenden Frage betrifft, so ist zu
bemerken, daß einerseits der Sultan von Wien durch seine Stellung unter
deutschen Schutz das Recht auf Zollerhebung keineswegs aufgegeben, und daß
ebenso wenig der Sultan von Sansibar durch die Verpachtung der Küsten¬
strecke an die britische Gesellschaft auf seine Souveränitätsrechte verzichtet hat.
Hieraus folgt, daß die kaiserliche Negierung, selbst wenn sie die Einrichtung
der fraglichen Zollstation nicht für berechtigt hielt, dem Sultan von Wien
diese Aufhebung nicht ohne weiteres anbefehlen konnte. Weiter folgt daraus,
daß zu Beschwerden in der vorliegeichen Angelegenheit, da es sich um einen
Eingriff in die Souveränitätsrechte des Landes handelte, nicht die britisch-
vstafrikanische Gesellschaft, sondern nur der Sultan von Sansibar berechtigt
erschien. Wenn hiernach die kaiserliche Regierung aus die englischcrseits in
Berlin erhobenen Vorstellungen ein Einschreiten abgelehnt hat, so war dies,
wie übrigens, so viel wir wissen, auch von der königlich großbritannischen
Regierung anerkannt worden ist, durchaus korrekt und der Sachlage entsprechend.
Die Angabe unsers englischen Anklägers, daß die kaiserliche Regierung, als die
britische Gesellschaft Ernst gemacht habe, sich schließlich doch zum Verbote der
Zollerhebung entschlossen habe, ist ebenfalls nicht zutreffend. Sie hat ein solches
Verbot niemals erlassen. Dagegen hat sie allerdings dem Sultan Furo
Bakari, als er ihren Rat in der Angelegenheit in Anspruch nahm, geantwortet,
er werde besser thun, sich unter Vorbehalt seiner Rechte vom Belesonikamil
zurückzuziehen, als es zum Kampfe und Blutvergießen kommen zu lassen. Man
sollte meinen, daß die britische Gesellschaft keinen Anlaß hätte, sich über das
Vorgehet! Deutschlands in dieser Angelegenheit zu beklagen.

Der zweite Punkt der Anklageschrift gegen Deutschland hat die längst ent¬
schiedene Streitfrage über Lamu zum Gegenstand und sucht auch hier eine
deutsche Feindseligkeit künstlich nachzuweisen. Die betreffenden Ausführungen
bedürfen keiner Widerlegung, denn wenn der Verfasser anführt, daß Lord
Salisbury den deutschen Vorschlag, die Angelegenheit einem Schiedsrichter zu
unterbreiten, im Vertrauen auf die Gerechtigkeit seiner Sache angenommen habe,
so wird sich der Leser selbst sagen, daß die kaiserliche Regierung jenen Vorschlag
nicht ohne ähnliche Ansicht vou der Berechtigung ihrer Auffassung gemacht hat.

Von der Insel Lamm geht der Verfasser zu den Nachbarinseln Marta
und Palla über, deren Zollverwaltung von dem Sultan von Sansibar kürzlich
an die Britisch-ostafrikanische Gesellschaft verpachtet worden ist. Der Umstand,
daß die kaiserliche Regierung das Recht des Sultans zu dieser Maßunhme

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[0408] Ein englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Gstafrit'ni der übrigens niemals, wie in dem Aufsatze behauptet wird, die Stelle eiues deutschen Konsnlaragenten oder eines Vertreters der deutschen Wien-Kompagnie bekleidet hat, jene Maßnahme dem Sultan angeraten habe, ist uus nichts be¬ kannt. Jedenfalls hat er dies weder auf Anregung einer deutschen Gesellschaft noch auf Anregung der kaiserlichen Regierung gethan. Was endlich das Ver¬ sälle,? der deutschen Negierung in der vorliegenden Frage betrifft, so ist zu bemerken, daß einerseits der Sultan von Wien durch seine Stellung unter deutschen Schutz das Recht auf Zollerhebung keineswegs aufgegeben, und daß ebenso wenig der Sultan von Sansibar durch die Verpachtung der Küsten¬ strecke an die britische Gesellschaft auf seine Souveränitätsrechte verzichtet hat. Hieraus folgt, daß die kaiserliche Negierung, selbst wenn sie die Einrichtung der fraglichen Zollstation nicht für berechtigt hielt, dem Sultan von Wien diese Aufhebung nicht ohne weiteres anbefehlen konnte. Weiter folgt daraus, daß zu Beschwerden in der vorliegeichen Angelegenheit, da es sich um einen Eingriff in die Souveränitätsrechte des Landes handelte, nicht die britisch- vstafrikanische Gesellschaft, sondern nur der Sultan von Sansibar berechtigt erschien. Wenn hiernach die kaiserliche Regierung aus die englischcrseits in Berlin erhobenen Vorstellungen ein Einschreiten abgelehnt hat, so war dies, wie übrigens, so viel wir wissen, auch von der königlich großbritannischen Regierung anerkannt worden ist, durchaus korrekt und der Sachlage entsprechend. Die Angabe unsers englischen Anklägers, daß die kaiserliche Regierung, als die britische Gesellschaft Ernst gemacht habe, sich schließlich doch zum Verbote der Zollerhebung entschlossen habe, ist ebenfalls nicht zutreffend. Sie hat ein solches Verbot niemals erlassen. Dagegen hat sie allerdings dem Sultan Furo Bakari, als er ihren Rat in der Angelegenheit in Anspruch nahm, geantwortet, er werde besser thun, sich unter Vorbehalt seiner Rechte vom Belesonikamil zurückzuziehen, als es zum Kampfe und Blutvergießen kommen zu lassen. Man sollte meinen, daß die britische Gesellschaft keinen Anlaß hätte, sich über das Vorgehet! Deutschlands in dieser Angelegenheit zu beklagen. Der zweite Punkt der Anklageschrift gegen Deutschland hat die längst ent¬ schiedene Streitfrage über Lamu zum Gegenstand und sucht auch hier eine deutsche Feindseligkeit künstlich nachzuweisen. Die betreffenden Ausführungen bedürfen keiner Widerlegung, denn wenn der Verfasser anführt, daß Lord Salisbury den deutschen Vorschlag, die Angelegenheit einem Schiedsrichter zu unterbreiten, im Vertrauen auf die Gerechtigkeit seiner Sache angenommen habe, so wird sich der Leser selbst sagen, daß die kaiserliche Regierung jenen Vorschlag nicht ohne ähnliche Ansicht vou der Berechtigung ihrer Auffassung gemacht hat. Von der Insel Lamm geht der Verfasser zu den Nachbarinseln Marta und Palla über, deren Zollverwaltung von dem Sultan von Sansibar kürzlich an die Britisch-ostafrikanische Gesellschaft verpachtet worden ist. Der Umstand, daß die kaiserliche Regierung das Recht des Sultans zu dieser Maßunhme ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/408>, abgerufen am 03.07.2024.