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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Li" englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Gstafrika

Um den Boden für die weitern Ausführungen zu ebnen, wird zunächst dar¬
zulegen gesucht, daß England Deutschland in diesem Abkommen die weitest-
gehenden Zugeständnisse gemacht und sich dadurch -- wie zwischen den Zeilen
zu lesen ist -- einen Anspruch ans die Dankbarkeit der deutschen Regierung
erworben habe. Es wird in dieser Beziehung zunächst die durch Artikel 5
erfolgte Anerkennung des Sultauats von Wien angeführt. Wien, so wird
bemerkt, sei ein unbedeutender, der Insel Lamu gegenüberliegender Bezirk, der
unter deutschem Schutze stehe und -- was vielleicht von vornherein beabsichtigt
gewesen sei -- einen Stachel in der Seite des britischen Interessengebietes bilde.
Zu einem Sultgnat sei jenes Ländchen erst durch die Deutschen aufgebauscht
worden, die dem Häuptling Fumo Bakari den Sultanstitel gegeben hätten,
teils um sein Ausehen zu erhöhen, teils weil sie diesen Titel allen Neger- und
Hindu-, allen mohammedanischen und andern Eingelwrnenhäuptlingen ohne
weiteres beizulegen pflegten.

Ein ganz besondres englisches Zugeständnis sieht der Verfasser darin, daß
Deutschland in dem Abkommen ein größeres Gebiet als England zuerkannt
ist. Nicht ohne Bitterkeit wird hierzu bemerkt, daß die sogenannten Rechte
Deutschlands auf das ihm zuerkannte große Landgebiet sich auf acht Verträge
gestützt hätten, durch die zwei schlecht ausgerüstete Reisende, Dr. Peters und
Graf Pfeil, die Gebictsrechte der dort angesessenen Häuptlinge angeblich er¬
worben hätten. Wie unzutreffend diese Ausführungen sind, liegt ans der Hand.
Jeder, der auch nur oberflächlich mit den einschlägigen Verhältnissen bekannt
ist, weiß, daß die Familie der Nebauahideu, der die Herrscher von Wien an¬
gehören, eher in jenem Lande geherrscht hat, als die jetzt in Sansibar regie¬
rende Linie der Sultane von Maskat nach Afrika herüberkam. Jedermann
weiß ferner, daß die deutsche Regierung bei den Verhandlungen über das er¬
wähnte Abkommen niemals behauptet hat, daß ihr auf Grund von Verträgen
oder sonstigen Rechtstiteln die Oberhoheit über das gesamte jetzige deutsche
Interessengebiet zustehe. Eine solche Behauptung ist ihrerseits ebensowenig anf-


Die Demarkationslinie soll ausgehen von der Mündung des Flusses Warga oder Umba,
in gerader Richtung nach dem Jipesee laufen, dann entlang an dem Ostufer und um das
Nordufer des Sees führend den Fluß Luini überschreiten, um die Landschaften Taveta und
Dschagga in der Mitte zu durchschneiden und dann entlang an dem nördlichen Abhang der
Bergkette des Kilimcindjcharo in gerader Linie weitergeführt zu werden bis zu demjenigen
Punkte am Ostufer des Viktoria-Nyanznsees, welcher von dem ersten Grad südlicher Breite
getroffen wird. Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie keine Gebietserwerbnngen zu machen,
keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung englischen Einflusses im Norden dieser
Linie nicht entgegenzutreten, während Großbritannien die gleiche Verpflichtung für die südlich
von dieser Linie gelegenen Gebiete übernimmt. 5. Beide Mächte erkennen als zu Wien gehörig die Küste an, welche nördlich von Kivim
beginnt und sich bis zum Nordende der Mcmdabncht erstreckt."
Li» englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Gstafrika

Um den Boden für die weitern Ausführungen zu ebnen, wird zunächst dar¬
zulegen gesucht, daß England Deutschland in diesem Abkommen die weitest-
gehenden Zugeständnisse gemacht und sich dadurch — wie zwischen den Zeilen
zu lesen ist — einen Anspruch ans die Dankbarkeit der deutschen Regierung
erworben habe. Es wird in dieser Beziehung zunächst die durch Artikel 5
erfolgte Anerkennung des Sultauats von Wien angeführt. Wien, so wird
bemerkt, sei ein unbedeutender, der Insel Lamu gegenüberliegender Bezirk, der
unter deutschem Schutze stehe und — was vielleicht von vornherein beabsichtigt
gewesen sei — einen Stachel in der Seite des britischen Interessengebietes bilde.
Zu einem Sultgnat sei jenes Ländchen erst durch die Deutschen aufgebauscht
worden, die dem Häuptling Fumo Bakari den Sultanstitel gegeben hätten,
teils um sein Ausehen zu erhöhen, teils weil sie diesen Titel allen Neger- und
Hindu-, allen mohammedanischen und andern Eingelwrnenhäuptlingen ohne
weiteres beizulegen pflegten.

Ein ganz besondres englisches Zugeständnis sieht der Verfasser darin, daß
Deutschland in dem Abkommen ein größeres Gebiet als England zuerkannt
ist. Nicht ohne Bitterkeit wird hierzu bemerkt, daß die sogenannten Rechte
Deutschlands auf das ihm zuerkannte große Landgebiet sich auf acht Verträge
gestützt hätten, durch die zwei schlecht ausgerüstete Reisende, Dr. Peters und
Graf Pfeil, die Gebictsrechte der dort angesessenen Häuptlinge angeblich er¬
worben hätten. Wie unzutreffend diese Ausführungen sind, liegt ans der Hand.
Jeder, der auch nur oberflächlich mit den einschlägigen Verhältnissen bekannt
ist, weiß, daß die Familie der Nebauahideu, der die Herrscher von Wien an¬
gehören, eher in jenem Lande geherrscht hat, als die jetzt in Sansibar regie¬
rende Linie der Sultane von Maskat nach Afrika herüberkam. Jedermann
weiß ferner, daß die deutsche Regierung bei den Verhandlungen über das er¬
wähnte Abkommen niemals behauptet hat, daß ihr auf Grund von Verträgen
oder sonstigen Rechtstiteln die Oberhoheit über das gesamte jetzige deutsche
Interessengebiet zustehe. Eine solche Behauptung ist ihrerseits ebensowenig anf-


Die Demarkationslinie soll ausgehen von der Mündung des Flusses Warga oder Umba,
in gerader Richtung nach dem Jipesee laufen, dann entlang an dem Ostufer und um das
Nordufer des Sees führend den Fluß Luini überschreiten, um die Landschaften Taveta und
Dschagga in der Mitte zu durchschneiden und dann entlang an dem nördlichen Abhang der
Bergkette des Kilimcindjcharo in gerader Linie weitergeführt zu werden bis zu demjenigen
Punkte am Ostufer des Viktoria-Nyanznsees, welcher von dem ersten Grad südlicher Breite
getroffen wird. Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie keine Gebietserwerbnngen zu machen,
keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung englischen Einflusses im Norden dieser
Linie nicht entgegenzutreten, während Großbritannien die gleiche Verpflichtung für die südlich
von dieser Linie gelegenen Gebiete übernimmt. 5. Beide Mächte erkennen als zu Wien gehörig die Küste an, welche nördlich von Kivim
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[0406] Li» englisches Urteil über die deutschen Bestrebungen in Gstafrika Um den Boden für die weitern Ausführungen zu ebnen, wird zunächst dar¬ zulegen gesucht, daß England Deutschland in diesem Abkommen die weitest- gehenden Zugeständnisse gemacht und sich dadurch — wie zwischen den Zeilen zu lesen ist — einen Anspruch ans die Dankbarkeit der deutschen Regierung erworben habe. Es wird in dieser Beziehung zunächst die durch Artikel 5 erfolgte Anerkennung des Sultauats von Wien angeführt. Wien, so wird bemerkt, sei ein unbedeutender, der Insel Lamu gegenüberliegender Bezirk, der unter deutschem Schutze stehe und — was vielleicht von vornherein beabsichtigt gewesen sei — einen Stachel in der Seite des britischen Interessengebietes bilde. Zu einem Sultgnat sei jenes Ländchen erst durch die Deutschen aufgebauscht worden, die dem Häuptling Fumo Bakari den Sultanstitel gegeben hätten, teils um sein Ausehen zu erhöhen, teils weil sie diesen Titel allen Neger- und Hindu-, allen mohammedanischen und andern Eingelwrnenhäuptlingen ohne weiteres beizulegen pflegten. Ein ganz besondres englisches Zugeständnis sieht der Verfasser darin, daß Deutschland in dem Abkommen ein größeres Gebiet als England zuerkannt ist. Nicht ohne Bitterkeit wird hierzu bemerkt, daß die sogenannten Rechte Deutschlands auf das ihm zuerkannte große Landgebiet sich auf acht Verträge gestützt hätten, durch die zwei schlecht ausgerüstete Reisende, Dr. Peters und Graf Pfeil, die Gebictsrechte der dort angesessenen Häuptlinge angeblich er¬ worben hätten. Wie unzutreffend diese Ausführungen sind, liegt ans der Hand. Jeder, der auch nur oberflächlich mit den einschlägigen Verhältnissen bekannt ist, weiß, daß die Familie der Nebauahideu, der die Herrscher von Wien an¬ gehören, eher in jenem Lande geherrscht hat, als die jetzt in Sansibar regie¬ rende Linie der Sultane von Maskat nach Afrika herüberkam. Jedermann weiß ferner, daß die deutsche Regierung bei den Verhandlungen über das er¬ wähnte Abkommen niemals behauptet hat, daß ihr auf Grund von Verträgen oder sonstigen Rechtstiteln die Oberhoheit über das gesamte jetzige deutsche Interessengebiet zustehe. Eine solche Behauptung ist ihrerseits ebensowenig anf- Die Demarkationslinie soll ausgehen von der Mündung des Flusses Warga oder Umba, in gerader Richtung nach dem Jipesee laufen, dann entlang an dem Ostufer und um das Nordufer des Sees führend den Fluß Luini überschreiten, um die Landschaften Taveta und Dschagga in der Mitte zu durchschneiden und dann entlang an dem nördlichen Abhang der Bergkette des Kilimcindjcharo in gerader Linie weitergeführt zu werden bis zu demjenigen Punkte am Ostufer des Viktoria-Nyanznsees, welcher von dem ersten Grad südlicher Breite getroffen wird. Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie keine Gebietserwerbnngen zu machen, keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung englischen Einflusses im Norden dieser Linie nicht entgegenzutreten, während Großbritannien die gleiche Verpflichtung für die südlich von dieser Linie gelegenen Gebiete übernimmt. 5. Beide Mächte erkennen als zu Wien gehörig die Küste an, welche nördlich von Kivim beginnt und sich bis zum Nordende der Mcmdabncht erstreckt."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/406>, abgerufen am 01.07.2024.