Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Bismavck und die sozialpolitische Gesetzgebung Industrie eine solche nötig oder auch nur rötlich mache. Bei ungewöhnlicher Bismavck und die sozialpolitische Gesetzgebung Industrie eine solche nötig oder auch nur rötlich mache. Bei ungewöhnlicher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207654"/> <fw type="header" place="top"> Bismavck und die sozialpolitische Gesetzgebung</fw><lb/> <p xml:id="ID_972" prev="#ID_971" next="#ID_973"> Industrie eine solche nötig oder auch nur rötlich mache. Bei ungewöhnlicher<lb/> Nachfrage, wo die Besorgnis nahe liegt, daß die Kräfte der Arbeiter und<lb/> Arbeiterinnen unbarmherzig ausgebeutet werden, da erscheint es ihm „als eine<lb/> Aufgabe der Humanität, namentlich die Frauen und jugendlichem Arbeiter vor<lb/> Überanstrengung zu schützen." Wo sich die Sachlage ändert, der Fabrikant viel¬<lb/> leicht geradezu mit Verlust arbeitet, da würde, wenn die Gesetzgebung mit neuen<lb/> Verschärfungen hervorträte, damit den Arbeitgebern nnr ein willkommner Aulas;<lb/> geboten werden, „namentlich solche Arbeiter zu entlassen, deren Leistungsfähigkeit<lb/> eine relativ beschränkte ist, also jugendliche Arbeiter und Frauen. Daß eine derartige<lb/> Wendung vou dem Arbeiterstande, in dessen Interesse ja die Enquete unternommen<lb/> wurde, zu beklagen sein würde, liegt aus der Hand." Vismarck will darum<lb/> keine allgemeinen Regeln aufgestellt haben, die auf besondre Verhältnisse und<lb/> Bedürfnisse nicht Rücksicht nehmen; er vermag die Notwendigkeit nicht einzu¬<lb/> sehen von so allgemeinen Bestimmungen, „wie die einer generell gleichen Zeit¬<lb/> dauer der täglichen Beschäftigung für Mädchen unter achtzehn Jahren, oder<lb/> der generellen Fixirung des Beginns und Schlusses der Arbeitszeit für jugend¬<lb/> liche und weibliche Arbeiter. In gewissen Industriezweigen können zweifellos<lb/> die jugendlichen und weiblichen Arbeiter länger beschäftigt werden, als in<lb/> andern, und warum nur von der Nachtarbeit, von dieser aber unbedingt,<lb/> Nachteile für die Sittlichkeit der Frauen zu befürchten sein sollten, ist nicht<lb/> ersichtlich. Es wird hierbei doch sehr auf die Art der Beschäftigung ankommen."<lb/> Er meint, die Gründe, die gegen die Nachtarbeit sprechen, sprächen mich gegen<lb/> bie Tagesarbeit der Frauen, da ein zweckmäßig geordnetes Hauswesen mit der<lb/> Arbeit der Frauen in Fabriken überhaupt nicht zu vereinigen sei. Von einem<lb/> allgemeinen Verbot der Frauenarbeit könne aber doch keine Rede sein. Was<lb/> aber die Herabsetzung der Arbeitszeit für junge Mädchen bis zu achtzehn<lb/> Jahren, etwa ans sechs Stunden, wie die Denkschrift des Handelsministers<lb/> vorgeschlagen hatte, betreffe, so sei ihm der Wert einer solchen sehr zweifelhaft.<lb/> »Ist mit einer langen Arbeitszeit eine gute Ernährung verbunden, so wird<lb/> sie der Gesundheit weniger schaden, als eine kurze Arbeitszeit, bei welcher es<lb/> an der notwendigen Pflege des Körpers fehlt. Daß aber, je kürzer die Arbeits¬<lb/> zeit, desto kleiner der Verdienst und desto größer die Schwierigkeit wird, die<lb/> Mittel zu reichlicher Ernährung des Körpers zu beschaffen, bedarf keines<lb/> Beweises." Und wie Bismarck hier hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit junger<lb/> Mädchen, was natürlich hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit der Arbeiter über¬<lb/> haupt gilt, aus Rücksicht auf den Arbeitslohn von der staatlichen Bevormun¬<lb/> dung so viel als möglich absehen zu müssen glaubte, so glaubte er auch vou<lb/> hinein allgemeinen Verbot der Sonntagsarbeit hauptsächlich aus Rücksicht auf<lb/> die Freiheit des einzelnen Arbeiters absehen zu müssen. „Das Verbot der<lb/> Sonntags- und Svnnabendnachncittagsarbeit, wird in der Allgemeinheit, wie<lb/> es vorgeschlagen ist, ebenfalls ans so viele Hindernisse in der Praxis stoßen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
Bismavck und die sozialpolitische Gesetzgebung
Industrie eine solche nötig oder auch nur rötlich mache. Bei ungewöhnlicher
Nachfrage, wo die Besorgnis nahe liegt, daß die Kräfte der Arbeiter und
Arbeiterinnen unbarmherzig ausgebeutet werden, da erscheint es ihm „als eine
Aufgabe der Humanität, namentlich die Frauen und jugendlichem Arbeiter vor
Überanstrengung zu schützen." Wo sich die Sachlage ändert, der Fabrikant viel¬
leicht geradezu mit Verlust arbeitet, da würde, wenn die Gesetzgebung mit neuen
Verschärfungen hervorträte, damit den Arbeitgebern nnr ein willkommner Aulas;
geboten werden, „namentlich solche Arbeiter zu entlassen, deren Leistungsfähigkeit
eine relativ beschränkte ist, also jugendliche Arbeiter und Frauen. Daß eine derartige
Wendung vou dem Arbeiterstande, in dessen Interesse ja die Enquete unternommen
wurde, zu beklagen sein würde, liegt aus der Hand." Vismarck will darum
keine allgemeinen Regeln aufgestellt haben, die auf besondre Verhältnisse und
Bedürfnisse nicht Rücksicht nehmen; er vermag die Notwendigkeit nicht einzu¬
sehen von so allgemeinen Bestimmungen, „wie die einer generell gleichen Zeit¬
dauer der täglichen Beschäftigung für Mädchen unter achtzehn Jahren, oder
der generellen Fixirung des Beginns und Schlusses der Arbeitszeit für jugend¬
liche und weibliche Arbeiter. In gewissen Industriezweigen können zweifellos
die jugendlichen und weiblichen Arbeiter länger beschäftigt werden, als in
andern, und warum nur von der Nachtarbeit, von dieser aber unbedingt,
Nachteile für die Sittlichkeit der Frauen zu befürchten sein sollten, ist nicht
ersichtlich. Es wird hierbei doch sehr auf die Art der Beschäftigung ankommen."
Er meint, die Gründe, die gegen die Nachtarbeit sprechen, sprächen mich gegen
bie Tagesarbeit der Frauen, da ein zweckmäßig geordnetes Hauswesen mit der
Arbeit der Frauen in Fabriken überhaupt nicht zu vereinigen sei. Von einem
allgemeinen Verbot der Frauenarbeit könne aber doch keine Rede sein. Was
aber die Herabsetzung der Arbeitszeit für junge Mädchen bis zu achtzehn
Jahren, etwa ans sechs Stunden, wie die Denkschrift des Handelsministers
vorgeschlagen hatte, betreffe, so sei ihm der Wert einer solchen sehr zweifelhaft.
»Ist mit einer langen Arbeitszeit eine gute Ernährung verbunden, so wird
sie der Gesundheit weniger schaden, als eine kurze Arbeitszeit, bei welcher es
an der notwendigen Pflege des Körpers fehlt. Daß aber, je kürzer die Arbeits¬
zeit, desto kleiner der Verdienst und desto größer die Schwierigkeit wird, die
Mittel zu reichlicher Ernährung des Körpers zu beschaffen, bedarf keines
Beweises." Und wie Bismarck hier hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit junger
Mädchen, was natürlich hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit der Arbeiter über¬
haupt gilt, aus Rücksicht auf den Arbeitslohn von der staatlichen Bevormun¬
dung so viel als möglich absehen zu müssen glaubte, so glaubte er auch vou
hinein allgemeinen Verbot der Sonntagsarbeit hauptsächlich aus Rücksicht auf
die Freiheit des einzelnen Arbeiters absehen zu müssen. „Das Verbot der
Sonntags- und Svnnabendnachncittagsarbeit, wird in der Allgemeinheit, wie
es vorgeschlagen ist, ebenfalls ans so viele Hindernisse in der Praxis stoßen
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