Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.Rmmund- Reliquien Paar konnte sich um nur selten und aus der Ferne sehen. In dieser Uuglücks- Rmmund- Reliquien Paar konnte sich um nur selten und aus der Ferne sehen. In dieser Uuglücks- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207573"/> <fw type="header" place="top"> Rmmund- Reliquien</fw><lb/> <p xml:id="ID_762" prev="#ID_761" next="#ID_763"> Paar konnte sich um nur selten und aus der Ferne sehen. In dieser Uuglücks-<lb/> periode Wurde eine Dlle. Gleich, die Tochter eines Lokaldichters, vom Theater an<lb/> der Wien entlassen und suchte Engagement in der Leopoldstadt, Raimunds Ver¬<lb/> wendung anrufend. Von Natur gutmütig und dienstfertig, erwirkte Raimund der<lb/> Dlle. Gleich nicht nur Gastrollen, sondern auch ein gutes Engagement. Dlle. Gleich<lb/> war eine recht hübsche Person mit reiz-aber Körperfülle. Da Raimund dieser<lb/> Schauspielerin eine Anstellung verschafft hatte, so bemühte sich dieselbe anch, aus<lb/> dem reichen Talentborne ihres Mäeens zu schöpfen, und ließ sich ihre Partien von<lb/> dem Hochbegabten einstudiren. In der vo'om<zu<z sonnänlsnso der Theaterwelt<lb/> eben nicht als eine Priesterin der Vesta bekannt, geriet die Gleich in den Zustand<lb/> der Pfarrerstochter von Taubenheim, ohne jedoch, wie Rosettchen, zu verzweifeln.<lb/> Da trat nun Raimund das Bild seiner geliebten Antonie wie ein trauernder Schutz¬<lb/> geist vor seine Seele, und er wollte, aufrichtig bereuend, eine Person verlassen, die<lb/> ihm nur der Sinnentaumel nahe geführt hatte. Aber Dlle. Gleich verstand keinen<lb/> Spaß und ihr Papa noch weniger. Raimund wurde aufgefordert, die verletzte<lb/> Ehre durch Heirat wieder herzustellen. Da dieser geplagte Künstler gar nichts von<lb/> einem Junker Falkenstein im Gemüte trug, so erklärte er sich endlich bereit. Aber<lb/> schon in den ersten Tagen des Brautstandes zeigte Dlle. Gleich ein so zänkisches<lb/> Wesen, daß der Bräutigam nnr mit Weh im Herzen der hymeuäischeu Fesseln ge¬<lb/> denken konnte. Der Hochzeitstag wurde anberaumt. Die Kopulation sollte in der<lb/> Mittagsstunde vor sich gehen. Zwischen neun und zehn erhob sich, wie schon oft<lb/> geschehen, ein Wortwechsel zwischen den Ehestandskandidaten, wobei die liebliche<lb/> Braut dergestalt aus den Schranken aller Weiblichkeit siel, daß sie ihren souveränen<lb/> Gebieter voll Wild in den Finger biß. Plötzlich wurde der Bräutigam still und<lb/> begab sich hinweg. Die Braut, als ob nichts Ungebührliches geschehen wäre,<lb/> schmückte sich festlich zum Ehrentage und ließ sich in ihres Vaters Wohnung fahren,<lb/> wo die Hochzeitsgäste bereits versammelt waren. Man wartete eine Stunde, zwei,<lb/> drei Stunden — aber Raimund kam nicht. Nun wurde Lärm geschlagen. Alle<lb/> Verehrer der Antivestci, sowie alle Freunde des Loknldichters wurden in Anspruch<lb/> genommen, deu Schimpf zu rächen und den entflohenen Raimund in der nächste<lb/> Rolle zu insultiren. Das geschah denn anch mit allen Schmachregisteru. Jeder¬<lb/> mann wurde ein Ritter der beleidigten Theaterdido. Raimund, im Gefühle seiner<lb/> Unschuld, erduldete die Bosheiten und war nicht selten so humoristisch, über alles,<lb/> was er leiden mußte, sich mit Selbstsatire zu geißeln. Nun kehrte die Clique die<lb/> rauhe Seite ein und hüllte sich in Lammsfelle. Raimund wurde, nachdem das<lb/> Leopoldstädter Parterre der Insulten müde geworden, zu einem angesehenen Bürgin'<lb/> gebeten, der deu Vermittler zu machen begann. Raimund fing an zu wanken; da<lb/> öffnet sich die Thür eines Nebenzimmers, und heraus trat die hoffnungsvolle Dido,<lb/> die ihrem Flüchtling um deu Hals siel und weinend um Pnrdvn bat. Papa Gleich<lb/> setzte dem Gerührten von der andern Seite zu, und nach einigem Drängen erklärte<lb/> Ferdinand Raimund: „In Gott's Namen — i bin halt wieder gut; 's bleibt scho<lb/> beim Alten mit uns!" Die Kopulation wurde hierauf vollzöge», und die Glück-<lb/> wünsche folgten. Nach einigen Monaten genas Madame Raimund eines Kindes,<lb/> das jedoch bald starb. Das Band dieser unglückseligen Ehe ward dadurch starr<lb/> gelockert. Madame Raimund fuhr nicht nur fort, ihren Gatten zu beißen, sonder«<lb/> ihn auch heimlich und zuletzt ganz ohne Schen mit unsichtbarem Hauptschmucke zu<lb/> versehen. Der Gequälte, der Betrogene schritt endlich mit einer Klage ein um<lb/> verlangte Scheidung, die auch bald genug erfolgte, weil es an vollgiltigen Beweise»<lb/> nicht fehlte »ut Madame ihrerseits auch uach ungebundner Freiheit lechzte. Raimniu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0278]
Rmmund- Reliquien
Paar konnte sich um nur selten und aus der Ferne sehen. In dieser Uuglücks-
periode Wurde eine Dlle. Gleich, die Tochter eines Lokaldichters, vom Theater an
der Wien entlassen und suchte Engagement in der Leopoldstadt, Raimunds Ver¬
wendung anrufend. Von Natur gutmütig und dienstfertig, erwirkte Raimund der
Dlle. Gleich nicht nur Gastrollen, sondern auch ein gutes Engagement. Dlle. Gleich
war eine recht hübsche Person mit reiz-aber Körperfülle. Da Raimund dieser
Schauspielerin eine Anstellung verschafft hatte, so bemühte sich dieselbe anch, aus
dem reichen Talentborne ihres Mäeens zu schöpfen, und ließ sich ihre Partien von
dem Hochbegabten einstudiren. In der vo'om<zu<z sonnänlsnso der Theaterwelt
eben nicht als eine Priesterin der Vesta bekannt, geriet die Gleich in den Zustand
der Pfarrerstochter von Taubenheim, ohne jedoch, wie Rosettchen, zu verzweifeln.
Da trat nun Raimund das Bild seiner geliebten Antonie wie ein trauernder Schutz¬
geist vor seine Seele, und er wollte, aufrichtig bereuend, eine Person verlassen, die
ihm nur der Sinnentaumel nahe geführt hatte. Aber Dlle. Gleich verstand keinen
Spaß und ihr Papa noch weniger. Raimund wurde aufgefordert, die verletzte
Ehre durch Heirat wieder herzustellen. Da dieser geplagte Künstler gar nichts von
einem Junker Falkenstein im Gemüte trug, so erklärte er sich endlich bereit. Aber
schon in den ersten Tagen des Brautstandes zeigte Dlle. Gleich ein so zänkisches
Wesen, daß der Bräutigam nnr mit Weh im Herzen der hymeuäischeu Fesseln ge¬
denken konnte. Der Hochzeitstag wurde anberaumt. Die Kopulation sollte in der
Mittagsstunde vor sich gehen. Zwischen neun und zehn erhob sich, wie schon oft
geschehen, ein Wortwechsel zwischen den Ehestandskandidaten, wobei die liebliche
Braut dergestalt aus den Schranken aller Weiblichkeit siel, daß sie ihren souveränen
Gebieter voll Wild in den Finger biß. Plötzlich wurde der Bräutigam still und
begab sich hinweg. Die Braut, als ob nichts Ungebührliches geschehen wäre,
schmückte sich festlich zum Ehrentage und ließ sich in ihres Vaters Wohnung fahren,
wo die Hochzeitsgäste bereits versammelt waren. Man wartete eine Stunde, zwei,
drei Stunden — aber Raimund kam nicht. Nun wurde Lärm geschlagen. Alle
Verehrer der Antivestci, sowie alle Freunde des Loknldichters wurden in Anspruch
genommen, deu Schimpf zu rächen und den entflohenen Raimund in der nächste
Rolle zu insultiren. Das geschah denn anch mit allen Schmachregisteru. Jeder¬
mann wurde ein Ritter der beleidigten Theaterdido. Raimund, im Gefühle seiner
Unschuld, erduldete die Bosheiten und war nicht selten so humoristisch, über alles,
was er leiden mußte, sich mit Selbstsatire zu geißeln. Nun kehrte die Clique die
rauhe Seite ein und hüllte sich in Lammsfelle. Raimund wurde, nachdem das
Leopoldstädter Parterre der Insulten müde geworden, zu einem angesehenen Bürgin'
gebeten, der deu Vermittler zu machen begann. Raimund fing an zu wanken; da
öffnet sich die Thür eines Nebenzimmers, und heraus trat die hoffnungsvolle Dido,
die ihrem Flüchtling um deu Hals siel und weinend um Pnrdvn bat. Papa Gleich
setzte dem Gerührten von der andern Seite zu, und nach einigem Drängen erklärte
Ferdinand Raimund: „In Gott's Namen — i bin halt wieder gut; 's bleibt scho
beim Alten mit uns!" Die Kopulation wurde hierauf vollzöge», und die Glück-
wünsche folgten. Nach einigen Monaten genas Madame Raimund eines Kindes,
das jedoch bald starb. Das Band dieser unglückseligen Ehe ward dadurch starr
gelockert. Madame Raimund fuhr nicht nur fort, ihren Gatten zu beißen, sonder«
ihn auch heimlich und zuletzt ganz ohne Schen mit unsichtbarem Hauptschmucke zu
versehen. Der Gequälte, der Betrogene schritt endlich mit einer Klage ein um
verlangte Scheidung, die auch bald genug erfolgte, weil es an vollgiltigen Beweise»
nicht fehlte »ut Madame ihrerseits auch uach ungebundner Freiheit lechzte. Raimniu
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