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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Raimund-Reliquien

^llter hiuüberznretlen, während Raimund in einem seiner Anfälle von Trübsinn
und Angst sich erschoß. Wir wollen hier eine interessante und bisher unbe¬
kannte Mitteilung einflechten, die wir aus dem Munde der greisen Wiener
Dichterin Betty Paoli haben. Ihr gestand Grillparzer einmal, daß ihn nnr
^e Rücksicht ans das Schicksal Kathi Fröhlichs, seiner ewigen Braut, vom
^lbstmord abgehalten habe. Raimund hätte durch ähnliche Rücksichten ans
sure geliebte Toni Wagner, die er nicht heiraten durste, vom Selbstmord
zurückgehalten werden müssen; aber in seiner Seele war diese Erwägung nicht
sturk genug.

Seit der 1881 bei Konegen in Wien erschienenen dreibäudigeu Gesamt¬
ausgabe von Raimunds Dichtungen (besorgt von August Sauer und Carl
Glossy) heck das Studium Raimunds eine sichere Grundlage gewonnen, Glvssy
und Sauer haben zum erstenmale die verschollen gewesene Originalhandschrift
sämtlicher Dramen drucken können; die alte Raimnndausgabe von Vogt hatte
nnr die Theatermanuskripte benutzt, Erich Schmidt schrieb daraufhin einen in
^'ne "Charakteristiken" aufgenommenen guten Essay über den Dichter, Anstatt
^ versprochenen vierten Bandes jener Gesamtausgabe, der eine ausführliche
^bensbeschreibuug Raimunds im Nahmen seiner Zeit und der ganzen wichtigen
^schichte des damals blühenden Volkstheaters bringen sollte, ist aber bisher
"ur ein kurzer Abriß des Dichterlebens in der "Allgemeinen deutschen Biv-
öwphie" j^in Sauer erschienen, von Glossy in Zeitungen zerstreut wertvolle
"ud von stofflichen Mitteilungen aller Art erfüllte Aufsätze über Raimund.
^'Me vollständige Biographie stellt Glvssy für die Zeit der Denkmalseulhülluug
^u zwei Jahren in Aussicht, Er hat aber inzwischen noch allerlei wertvolle
-Manuskripte Raimunds gefunden, die später bei einer neuen Auflage der Ge-
^ntwerke veröffentlicht werden sollen. Ans diesem reichen Schatze hat er mir
^nndlich einige Blätter überlassen, die ich hier mitteilen will,

^ Zuerst zwei rührende Briefe Raimunds an seine Toni. Der dritte Band
^ Ausgabe weiß nur einige wenige mitzuteilen, die aber sämtlich für den.
^ermutigen Dichter sehr charakteristisch sind. Die hier folgenden reihen sich '
l^Um gleichwertig an. Es wird aber gut sei", wen" wir zuerst die traurige
^ebeogeschjch^ Raimunds in Erinnerung bringen, und zwar wolle" wir sie
/u Niemoiren des Burgschanspielers Costenoble entnehmen, der mit Raimund
Wig befreundet war und seine Unsterblichkeit zu prophezeien nie müde wurde.
"^et dem 28. August 1821 verzeichnet Costenoble folgendes:

,^'r nur stets willtammue Raimund besuchte mich, um mir seine Heirats-
zu erzählen, die ich hier wiedergebe, wie ich sie empfing. Raimund Mur
^ !M u>it der Tochter eines wohlhabenden Kaffeewirtes namens Wagner im
^ienseinverständnisse. '"^ beide ^iebesleule hofften die Einwilligung der Eltern
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' und verbal dein Geliebten seiner Tochter sogar das Haus, Das verzweifelnde


Raimund-Reliquien

^llter hiuüberznretlen, während Raimund in einem seiner Anfälle von Trübsinn
und Angst sich erschoß. Wir wollen hier eine interessante und bisher unbe¬
kannte Mitteilung einflechten, die wir aus dem Munde der greisen Wiener
Dichterin Betty Paoli haben. Ihr gestand Grillparzer einmal, daß ihn nnr
^e Rücksicht ans das Schicksal Kathi Fröhlichs, seiner ewigen Braut, vom
^lbstmord abgehalten habe. Raimund hätte durch ähnliche Rücksichten ans
sure geliebte Toni Wagner, die er nicht heiraten durste, vom Selbstmord
zurückgehalten werden müssen; aber in seiner Seele war diese Erwägung nicht
sturk genug.

Seit der 1881 bei Konegen in Wien erschienenen dreibäudigeu Gesamt¬
ausgabe von Raimunds Dichtungen (besorgt von August Sauer und Carl
Glossy) heck das Studium Raimunds eine sichere Grundlage gewonnen, Glvssy
und Sauer haben zum erstenmale die verschollen gewesene Originalhandschrift
sämtlicher Dramen drucken können; die alte Raimnndausgabe von Vogt hatte
nnr die Theatermanuskripte benutzt, Erich Schmidt schrieb daraufhin einen in
^'ne „Charakteristiken" aufgenommenen guten Essay über den Dichter, Anstatt
^ versprochenen vierten Bandes jener Gesamtausgabe, der eine ausführliche
^bensbeschreibuug Raimunds im Nahmen seiner Zeit und der ganzen wichtigen
^schichte des damals blühenden Volkstheaters bringen sollte, ist aber bisher
"ur ein kurzer Abriß des Dichterlebens in der „Allgemeinen deutschen Biv-
öwphie" j^in Sauer erschienen, von Glossy in Zeitungen zerstreut wertvolle
"ud von stofflichen Mitteilungen aller Art erfüllte Aufsätze über Raimund.
^'Me vollständige Biographie stellt Glvssy für die Zeit der Denkmalseulhülluug
^u zwei Jahren in Aussicht, Er hat aber inzwischen noch allerlei wertvolle
-Manuskripte Raimunds gefunden, die später bei einer neuen Auflage der Ge-
^ntwerke veröffentlicht werden sollen. Ans diesem reichen Schatze hat er mir
^nndlich einige Blätter überlassen, die ich hier mitteilen will,

^ Zuerst zwei rührende Briefe Raimunds an seine Toni. Der dritte Band
^ Ausgabe weiß nur einige wenige mitzuteilen, die aber sämtlich für den.
^ermutigen Dichter sehr charakteristisch sind. Die hier folgenden reihen sich '
l^Um gleichwertig an. Es wird aber gut sei», wen» wir zuerst die traurige
^ebeogeschjch^ Raimunds in Erinnerung bringen, und zwar wolle» wir sie
/u Niemoiren des Burgschanspielers Costenoble entnehmen, der mit Raimund
Wig befreundet war und seine Unsterblichkeit zu prophezeien nie müde wurde.
"^et dem 28. August 1821 verzeichnet Costenoble folgendes:

,^'r nur stets willtammue Raimund besuchte mich, um mir seine Heirats-
zu erzählen, die ich hier wiedergebe, wie ich sie empfing. Raimund Mur
^ !M u>it der Tochter eines wohlhabenden Kaffeewirtes namens Wagner im
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[0277] Raimund-Reliquien ^llter hiuüberznretlen, während Raimund in einem seiner Anfälle von Trübsinn und Angst sich erschoß. Wir wollen hier eine interessante und bisher unbe¬ kannte Mitteilung einflechten, die wir aus dem Munde der greisen Wiener Dichterin Betty Paoli haben. Ihr gestand Grillparzer einmal, daß ihn nnr ^e Rücksicht ans das Schicksal Kathi Fröhlichs, seiner ewigen Braut, vom ^lbstmord abgehalten habe. Raimund hätte durch ähnliche Rücksichten ans sure geliebte Toni Wagner, die er nicht heiraten durste, vom Selbstmord zurückgehalten werden müssen; aber in seiner Seele war diese Erwägung nicht sturk genug. Seit der 1881 bei Konegen in Wien erschienenen dreibäudigeu Gesamt¬ ausgabe von Raimunds Dichtungen (besorgt von August Sauer und Carl Glossy) heck das Studium Raimunds eine sichere Grundlage gewonnen, Glvssy und Sauer haben zum erstenmale die verschollen gewesene Originalhandschrift sämtlicher Dramen drucken können; die alte Raimnndausgabe von Vogt hatte nnr die Theatermanuskripte benutzt, Erich Schmidt schrieb daraufhin einen in ^'ne „Charakteristiken" aufgenommenen guten Essay über den Dichter, Anstatt ^ versprochenen vierten Bandes jener Gesamtausgabe, der eine ausführliche ^bensbeschreibuug Raimunds im Nahmen seiner Zeit und der ganzen wichtigen ^schichte des damals blühenden Volkstheaters bringen sollte, ist aber bisher "ur ein kurzer Abriß des Dichterlebens in der „Allgemeinen deutschen Biv- öwphie" j^in Sauer erschienen, von Glossy in Zeitungen zerstreut wertvolle "ud von stofflichen Mitteilungen aller Art erfüllte Aufsätze über Raimund. ^'Me vollständige Biographie stellt Glvssy für die Zeit der Denkmalseulhülluug ^u zwei Jahren in Aussicht, Er hat aber inzwischen noch allerlei wertvolle -Manuskripte Raimunds gefunden, die später bei einer neuen Auflage der Ge- ^ntwerke veröffentlicht werden sollen. Ans diesem reichen Schatze hat er mir ^nndlich einige Blätter überlassen, die ich hier mitteilen will, ^ Zuerst zwei rührende Briefe Raimunds an seine Toni. Der dritte Band ^ Ausgabe weiß nur einige wenige mitzuteilen, die aber sämtlich für den. ^ermutigen Dichter sehr charakteristisch sind. Die hier folgenden reihen sich ' l^Um gleichwertig an. Es wird aber gut sei», wen» wir zuerst die traurige ^ebeogeschjch^ Raimunds in Erinnerung bringen, und zwar wolle» wir sie /u Niemoiren des Burgschanspielers Costenoble entnehmen, der mit Raimund Wig befreundet war und seine Unsterblichkeit zu prophezeien nie müde wurde. "^et dem 28. August 1821 verzeichnet Costenoble folgendes: ,^'r nur stets willtammue Raimund besuchte mich, um mir seine Heirats- zu erzählen, die ich hier wiedergebe, wie ich sie empfing. Raimund Mur ^ !M u>it der Tochter eines wohlhabenden Kaffeewirtes namens Wagner im ^ienseinverständnisse. '"^ beide ^iebesleule hofften die Einwilligung der Eltern ^,r>"» ^ ö« erhallen. Der Kaffeewirt jedoch wies die Anträge RninmndS schnöde ' und verbal dein Geliebten seiner Tochter sogar das Haus, Das verzweifelnde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/277>, abgerufen am 27.06.2024.