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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Lessings Amtsgeuosse in Wolfenbüttel

er sich still hielte, bis schlichtete ihm das von LereniWimo schon meno 1758
zu seinem Behufe gnädigst verwilligte und ihm aufgetragene Gnadengeschenk
anschaffen könne, es mit seiner Sache niemals zum eoucmr" kommen solle, so
wahr er ein ehrlicher Mann wäre: leider sei aber das besagte Gnadengeschenk
dem Herrn von schlichtete damals von Sr. Durchlaucht dem Erbprinzen zu
andern: Behuf unter der Hand weggenommen worden,"

Eine eigentümliche Rolle bei diesen sich ewig wiederholenden Bettelbriefen
spielt eine gewisse, in den Schleier des Geheimnisses gehüllte Schrift, die Cichin
dem Herzog in einem Augenblick guter Laune, vielleicht nach einem guten und
reichlichen Mittagsmahle abgeschwindelt zu haben scheint. Er spricht davon
nur in unbestimmten Andeutungen, gebraucht diese aber wiederholt, um einen
möglichst kräftigen Druck auf die Entschließungen des Herzogs auszuüben.
Nach seiner Darstellung hing die Sache folgendermaßen zusammen. Bei
Cladius Verheiratung hegte dessen Schwiegermutter, die Pastorin Conerns, be¬
greifliche Bedeiileu in Bezug auf das Los, das ihrer Tochter an der Seite
eines solchen Mannes wartete. Sie wollte ihre Zustimmung zur Hochzeit
nur unter der Bedingung geben, daß sich der Herzog auf eine angemessene
Art gewissermaßen für die Sicherstellung der jungen Fran gegen etwaige
Nnhrungssorgen verbürge. Bei einem Aufenthalte des Herzogs in Nlanlenbnrg
stellte dies Cichin dein Herzog mit beredten Worten vor und wußte ihn zu
bewegen, daß er unter ein Schriftstück, ohne es weiter anzusehen oder gar
durchzulesen, seinen Namen setzte. Der Wortlaut dieses Schriftstückes, seiner
"Gnadenschrift," wie Cichiu es wiederholt nennt, ist mir nicht bekannt, da es
-- nur werden sehen, weshalb und auf welche Weise -- aus den Akten ver¬
schwunden ist. Cichin behauptet, daß ihn der Herzog darin an Kindes Statt
angenommen habe. Jedenfalls wird das Papier bei dem stark nach Erpressung
schmeckenden Gebrauche, den er von ihm zu machen nicht abließ, wenn nicht dem
Herzoge, so doch der Schatulleuverwaltuug unbequem und lästig geworden sein.
"Der Lovret^rin" von Oicmiu - - so lautet das Konzept eines Berichtes der letzter"
an den Herzog -- hat sich wegen einer u"l>- vt "vrepirlvu gnädigsten Dvola-
r-runa, die er selbst aufgesetzt und Ew. Durchlaucht zu Blankenburg vollzogen,
in den Sinn kommen lassen, daß Ew. Durchlaucht eine väterliche Neigung ihm
versichert, und verlangt die Bezahlung seiner ans 1400 Thaler hinanlanfeude"
Schulden. Ew. Durchlaucht I)on1u,rs,ton wird er nicht, ohne eine beträchtliche
Summe zu erhalten, cinßer Händen lassen: ich stelle unterthänigst anheim,
Ew. Durchlaucht nicht jemand gnädigst voinnnttieren wollen, die Sache dahin
abzuthun, daß er gegen livtnulllwn der etwas anstößigen Versicherung nut
einem Stück Geld von etwa 100 Thalern lind demnächst mit seiner mehr jais!
zu reichlichen Besoldung sich begnügen müsse." Der Herzog scheint diesen
Vorschlag gut geheißen zu haben, und der Jemand, den man mit der A"^
führung desselben beauftragte, war der Geheime Rat und Oberjägermeister von


Lessings Amtsgeuosse in Wolfenbüttel

er sich still hielte, bis schlichtete ihm das von LereniWimo schon meno 1758
zu seinem Behufe gnädigst verwilligte und ihm aufgetragene Gnadengeschenk
anschaffen könne, es mit seiner Sache niemals zum eoucmr« kommen solle, so
wahr er ein ehrlicher Mann wäre: leider sei aber das besagte Gnadengeschenk
dem Herrn von schlichtete damals von Sr. Durchlaucht dem Erbprinzen zu
andern: Behuf unter der Hand weggenommen worden,"

Eine eigentümliche Rolle bei diesen sich ewig wiederholenden Bettelbriefen
spielt eine gewisse, in den Schleier des Geheimnisses gehüllte Schrift, die Cichin
dem Herzog in einem Augenblick guter Laune, vielleicht nach einem guten und
reichlichen Mittagsmahle abgeschwindelt zu haben scheint. Er spricht davon
nur in unbestimmten Andeutungen, gebraucht diese aber wiederholt, um einen
möglichst kräftigen Druck auf die Entschließungen des Herzogs auszuüben.
Nach seiner Darstellung hing die Sache folgendermaßen zusammen. Bei
Cladius Verheiratung hegte dessen Schwiegermutter, die Pastorin Conerns, be¬
greifliche Bedeiileu in Bezug auf das Los, das ihrer Tochter an der Seite
eines solchen Mannes wartete. Sie wollte ihre Zustimmung zur Hochzeit
nur unter der Bedingung geben, daß sich der Herzog auf eine angemessene
Art gewissermaßen für die Sicherstellung der jungen Fran gegen etwaige
Nnhrungssorgen verbürge. Bei einem Aufenthalte des Herzogs in Nlanlenbnrg
stellte dies Cichin dein Herzog mit beredten Worten vor und wußte ihn zu
bewegen, daß er unter ein Schriftstück, ohne es weiter anzusehen oder gar
durchzulesen, seinen Namen setzte. Der Wortlaut dieses Schriftstückes, seiner
„Gnadenschrift," wie Cichiu es wiederholt nennt, ist mir nicht bekannt, da es
— nur werden sehen, weshalb und auf welche Weise — aus den Akten ver¬
schwunden ist. Cichin behauptet, daß ihn der Herzog darin an Kindes Statt
angenommen habe. Jedenfalls wird das Papier bei dem stark nach Erpressung
schmeckenden Gebrauche, den er von ihm zu machen nicht abließ, wenn nicht dem
Herzoge, so doch der Schatulleuverwaltuug unbequem und lästig geworden sein.
„Der Lovret^rin« von Oicmiu - - so lautet das Konzept eines Berichtes der letzter»
an den Herzog — hat sich wegen einer u»l>- vt »vrepirlvu gnädigsten Dvola-
r-runa, die er selbst aufgesetzt und Ew. Durchlaucht zu Blankenburg vollzogen,
in den Sinn kommen lassen, daß Ew. Durchlaucht eine väterliche Neigung ihm
versichert, und verlangt die Bezahlung seiner ans 1400 Thaler hinanlanfeude»
Schulden. Ew. Durchlaucht I)on1u,rs,ton wird er nicht, ohne eine beträchtliche
Summe zu erhalten, cinßer Händen lassen: ich stelle unterthänigst anheim,
Ew. Durchlaucht nicht jemand gnädigst voinnnttieren wollen, die Sache dahin
abzuthun, daß er gegen livtnulllwn der etwas anstößigen Versicherung nut
einem Stück Geld von etwa 100 Thalern lind demnächst mit seiner mehr jais!
zu reichlichen Besoldung sich begnügen müsse." Der Herzog scheint diesen
Vorschlag gut geheißen zu haben, und der Jemand, den man mit der A»^
führung desselben beauftragte, war der Geheime Rat und Oberjägermeister von


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[0268] Lessings Amtsgeuosse in Wolfenbüttel er sich still hielte, bis schlichtete ihm das von LereniWimo schon meno 1758 zu seinem Behufe gnädigst verwilligte und ihm aufgetragene Gnadengeschenk anschaffen könne, es mit seiner Sache niemals zum eoucmr« kommen solle, so wahr er ein ehrlicher Mann wäre: leider sei aber das besagte Gnadengeschenk dem Herrn von schlichtete damals von Sr. Durchlaucht dem Erbprinzen zu andern: Behuf unter der Hand weggenommen worden," Eine eigentümliche Rolle bei diesen sich ewig wiederholenden Bettelbriefen spielt eine gewisse, in den Schleier des Geheimnisses gehüllte Schrift, die Cichin dem Herzog in einem Augenblick guter Laune, vielleicht nach einem guten und reichlichen Mittagsmahle abgeschwindelt zu haben scheint. Er spricht davon nur in unbestimmten Andeutungen, gebraucht diese aber wiederholt, um einen möglichst kräftigen Druck auf die Entschließungen des Herzogs auszuüben. Nach seiner Darstellung hing die Sache folgendermaßen zusammen. Bei Cladius Verheiratung hegte dessen Schwiegermutter, die Pastorin Conerns, be¬ greifliche Bedeiileu in Bezug auf das Los, das ihrer Tochter an der Seite eines solchen Mannes wartete. Sie wollte ihre Zustimmung zur Hochzeit nur unter der Bedingung geben, daß sich der Herzog auf eine angemessene Art gewissermaßen für die Sicherstellung der jungen Fran gegen etwaige Nnhrungssorgen verbürge. Bei einem Aufenthalte des Herzogs in Nlanlenbnrg stellte dies Cichin dein Herzog mit beredten Worten vor und wußte ihn zu bewegen, daß er unter ein Schriftstück, ohne es weiter anzusehen oder gar durchzulesen, seinen Namen setzte. Der Wortlaut dieses Schriftstückes, seiner „Gnadenschrift," wie Cichiu es wiederholt nennt, ist mir nicht bekannt, da es — nur werden sehen, weshalb und auf welche Weise — aus den Akten ver¬ schwunden ist. Cichin behauptet, daß ihn der Herzog darin an Kindes Statt angenommen habe. Jedenfalls wird das Papier bei dem stark nach Erpressung schmeckenden Gebrauche, den er von ihm zu machen nicht abließ, wenn nicht dem Herzoge, so doch der Schatulleuverwaltuug unbequem und lästig geworden sein. „Der Lovret^rin« von Oicmiu - - so lautet das Konzept eines Berichtes der letzter» an den Herzog — hat sich wegen einer u»l>- vt »vrepirlvu gnädigsten Dvola- r-runa, die er selbst aufgesetzt und Ew. Durchlaucht zu Blankenburg vollzogen, in den Sinn kommen lassen, daß Ew. Durchlaucht eine väterliche Neigung ihm versichert, und verlangt die Bezahlung seiner ans 1400 Thaler hinanlanfeude» Schulden. Ew. Durchlaucht I)on1u,rs,ton wird er nicht, ohne eine beträchtliche Summe zu erhalten, cinßer Händen lassen: ich stelle unterthänigst anheim, Ew. Durchlaucht nicht jemand gnädigst voinnnttieren wollen, die Sache dahin abzuthun, daß er gegen livtnulllwn der etwas anstößigen Versicherung nut einem Stück Geld von etwa 100 Thalern lind demnächst mit seiner mehr jais! zu reichlichen Besoldung sich begnügen müsse." Der Herzog scheint diesen Vorschlag gut geheißen zu haben, und der Jemand, den man mit der A»^ führung desselben beauftragte, war der Geheime Rat und Oberjägermeister von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/268>, abgerufen am 27.06.2024.