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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Lessings Amtsgenosse in tvolfenlmttcl

1V00faltig ersetzen, der Ew, Hochfürstliche Durchlaucht bis in das späteste
Alter erhalten wolle, als worum täglich betet und einig beten wird Ew. Hoch¬
fürstliche Durchlaucht, meines gnädigste" Herzogs und Herrn Herrn, unter¬
tänigster Knecht <üg.r1 ^olianri ^.non von Oleum."

Es folgt nur in langer Reihe, oft uur durch kurze Zwischenrä>ime von
einander getrennt, Gesuch auf Gesuch, Bittschrift auf Bittschrift, alle ohne
Ausnahme Geldspenden, Gehaltsvorschüsse, Abwendung der drohenden Exekution,
Befriedigung seiner Gläubiger verlangend. Sämtliche Schriftstücke sind un-
"nttelbar an den Herzog gerichtet, aber bis zum Tode des allmächtigen
Ministers von schlichtete regelmäßig von einem entsprechenden Schreiben an
diesen begleitet. Wie ihr Inhalt mit unwesentlichen Veränderungen immer
dasselbe Thema behandelt, nämlich seine Schuldenlast, seine Unfähigkeit, sie
on tilgen, seine unglückliche Lage, endlich seine Hoffnung und Erwartung, der
Herzog werde ein Übriges thun und ihm helfen, so sind auch die stilistische
Form und der Ausdruck durchweg dieselben, nnr daß er mit der Zeit anfängt,
^dringlicher, ja unverschämter zu werden, und trotz der wiederholt geleisteten,
"se bedeutenden Hilfen von höchster Stelle statt zu bitten zu fordern und auf
euie gründliche Beseitigung seiner Geldbedrängnis wie auf ein ihm zustehendes
^echt zu pochen. Es würde die Geduld des Lesers ermüden, wollte ich ans
diese Schriftstücke näher eingehen. Nur einige Briefeingänge mögen wegen der
rhetorisch-pathetischen Färbung, die sie fast sämtlich tragen, noch herausgehoben
werden. "So wie einem zum Tode ausgeführten armen Sünder -- schreibt
^' einmal -- zu Muthe ist, wenn er mit verbundenen Augen entweder den
Ichröcklichen Schwertstreich oder ein begnadigendes Halten?! erwartet, nicht
besser, Gnädigster Herzog, ich getraue eS mir nochmals unterthänigst zu be¬
feuern, nicht besser ist mir bey meinen jetzigen erbarmnngsmäßigen, elendesten
^'"ständen zu Muthe." Ein andermal: "Wer nicht schreyet, wenn ihm das
besser im Halse steckt, ist keines Mitlehdens werth, der aber verloren, welcher
"As allen Kräften Hülfe gerufen, aber keine erhalten hat."

Es ist bewundernswert, mit welcher Langmut der alte Herzog Karl diese
'estäudigen Klagen und Bitten sich nicht nur lange Jahre hindurch hat ge¬
sellen lassen, sondern mit welcher Gewissenhaftigkeit er sie auch augenscheinlich
alle ges^" geprüft, kurz mit welchem wahrhaft fürstlichen Wohlwollen
^ lie behandelt hat. Auf manche hat er eigenhändig dekretirt, die übrigen
^euigstimZ mit einer kurzen Bemerkung den betreffenden Behörden zum Bericht
"verwiesen. Niemals ist dem ungestümen Bittsteller ernstlich bedeutet worden,
er sich vuhig zu verhalten habe, obwohl in seinen Eingaben oft starke
^u>ge und bisweilen in schroffster Form gesagt wurden. So stellte er z. B.
^'"er Zuschrift vom V. Oktober 177/; die kaum glaubliche Behauptung auf,
"daß der nunmehr in Gott ruhende Herr Geheimte Nath vou schlichtete ihm
^ theuerste noch kürzlich wiederholte Versicherung gegeben habe, daß, wenn


Lessings Amtsgenosse in tvolfenlmttcl

1V00faltig ersetzen, der Ew, Hochfürstliche Durchlaucht bis in das späteste
Alter erhalten wolle, als worum täglich betet und einig beten wird Ew. Hoch¬
fürstliche Durchlaucht, meines gnädigste» Herzogs und Herrn Herrn, unter¬
tänigster Knecht <üg.r1 ^olianri ^.non von Oleum."

Es folgt nur in langer Reihe, oft uur durch kurze Zwischenrä>ime von
einander getrennt, Gesuch auf Gesuch, Bittschrift auf Bittschrift, alle ohne
Ausnahme Geldspenden, Gehaltsvorschüsse, Abwendung der drohenden Exekution,
Befriedigung seiner Gläubiger verlangend. Sämtliche Schriftstücke sind un-
»nttelbar an den Herzog gerichtet, aber bis zum Tode des allmächtigen
Ministers von schlichtete regelmäßig von einem entsprechenden Schreiben an
diesen begleitet. Wie ihr Inhalt mit unwesentlichen Veränderungen immer
dasselbe Thema behandelt, nämlich seine Schuldenlast, seine Unfähigkeit, sie
on tilgen, seine unglückliche Lage, endlich seine Hoffnung und Erwartung, der
Herzog werde ein Übriges thun und ihm helfen, so sind auch die stilistische
Form und der Ausdruck durchweg dieselben, nnr daß er mit der Zeit anfängt,
^dringlicher, ja unverschämter zu werden, und trotz der wiederholt geleisteten,
"se bedeutenden Hilfen von höchster Stelle statt zu bitten zu fordern und auf
euie gründliche Beseitigung seiner Geldbedrängnis wie auf ein ihm zustehendes
^echt zu pochen. Es würde die Geduld des Lesers ermüden, wollte ich ans
diese Schriftstücke näher eingehen. Nur einige Briefeingänge mögen wegen der
rhetorisch-pathetischen Färbung, die sie fast sämtlich tragen, noch herausgehoben
werden. „So wie einem zum Tode ausgeführten armen Sünder — schreibt
^' einmal — zu Muthe ist, wenn er mit verbundenen Augen entweder den
Ichröcklichen Schwertstreich oder ein begnadigendes Halten?! erwartet, nicht
besser, Gnädigster Herzog, ich getraue eS mir nochmals unterthänigst zu be¬
feuern, nicht besser ist mir bey meinen jetzigen erbarmnngsmäßigen, elendesten
^'"ständen zu Muthe." Ein andermal: „Wer nicht schreyet, wenn ihm das
besser im Halse steckt, ist keines Mitlehdens werth, der aber verloren, welcher
"As allen Kräften Hülfe gerufen, aber keine erhalten hat."

Es ist bewundernswert, mit welcher Langmut der alte Herzog Karl diese
'estäudigen Klagen und Bitten sich nicht nur lange Jahre hindurch hat ge¬
sellen lassen, sondern mit welcher Gewissenhaftigkeit er sie auch augenscheinlich
alle ges^„ geprüft, kurz mit welchem wahrhaft fürstlichen Wohlwollen
^ lie behandelt hat. Auf manche hat er eigenhändig dekretirt, die übrigen
^euigstimZ mit einer kurzen Bemerkung den betreffenden Behörden zum Bericht
"verwiesen. Niemals ist dem ungestümen Bittsteller ernstlich bedeutet worden,
er sich vuhig zu verhalten habe, obwohl in seinen Eingaben oft starke
^u>ge und bisweilen in schroffster Form gesagt wurden. So stellte er z. B.
^'"er Zuschrift vom V. Oktober 177/; die kaum glaubliche Behauptung auf,
"daß der nunmehr in Gott ruhende Herr Geheimte Nath vou schlichtete ihm
^ theuerste noch kürzlich wiederholte Versicherung gegeben habe, daß, wenn


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[0267] Lessings Amtsgenosse in tvolfenlmttcl 1V00faltig ersetzen, der Ew, Hochfürstliche Durchlaucht bis in das späteste Alter erhalten wolle, als worum täglich betet und einig beten wird Ew. Hoch¬ fürstliche Durchlaucht, meines gnädigste» Herzogs und Herrn Herrn, unter¬ tänigster Knecht <üg.r1 ^olianri ^.non von Oleum." Es folgt nur in langer Reihe, oft uur durch kurze Zwischenrä>ime von einander getrennt, Gesuch auf Gesuch, Bittschrift auf Bittschrift, alle ohne Ausnahme Geldspenden, Gehaltsvorschüsse, Abwendung der drohenden Exekution, Befriedigung seiner Gläubiger verlangend. Sämtliche Schriftstücke sind un- »nttelbar an den Herzog gerichtet, aber bis zum Tode des allmächtigen Ministers von schlichtete regelmäßig von einem entsprechenden Schreiben an diesen begleitet. Wie ihr Inhalt mit unwesentlichen Veränderungen immer dasselbe Thema behandelt, nämlich seine Schuldenlast, seine Unfähigkeit, sie on tilgen, seine unglückliche Lage, endlich seine Hoffnung und Erwartung, der Herzog werde ein Übriges thun und ihm helfen, so sind auch die stilistische Form und der Ausdruck durchweg dieselben, nnr daß er mit der Zeit anfängt, ^dringlicher, ja unverschämter zu werden, und trotz der wiederholt geleisteten, "se bedeutenden Hilfen von höchster Stelle statt zu bitten zu fordern und auf euie gründliche Beseitigung seiner Geldbedrängnis wie auf ein ihm zustehendes ^echt zu pochen. Es würde die Geduld des Lesers ermüden, wollte ich ans diese Schriftstücke näher eingehen. Nur einige Briefeingänge mögen wegen der rhetorisch-pathetischen Färbung, die sie fast sämtlich tragen, noch herausgehoben werden. „So wie einem zum Tode ausgeführten armen Sünder — schreibt ^' einmal — zu Muthe ist, wenn er mit verbundenen Augen entweder den Ichröcklichen Schwertstreich oder ein begnadigendes Halten?! erwartet, nicht besser, Gnädigster Herzog, ich getraue eS mir nochmals unterthänigst zu be¬ feuern, nicht besser ist mir bey meinen jetzigen erbarmnngsmäßigen, elendesten ^'"ständen zu Muthe." Ein andermal: „Wer nicht schreyet, wenn ihm das besser im Halse steckt, ist keines Mitlehdens werth, der aber verloren, welcher "As allen Kräften Hülfe gerufen, aber keine erhalten hat." Es ist bewundernswert, mit welcher Langmut der alte Herzog Karl diese 'estäudigen Klagen und Bitten sich nicht nur lange Jahre hindurch hat ge¬ sellen lassen, sondern mit welcher Gewissenhaftigkeit er sie auch augenscheinlich alle ges^„ geprüft, kurz mit welchem wahrhaft fürstlichen Wohlwollen ^ lie behandelt hat. Auf manche hat er eigenhändig dekretirt, die übrigen ^euigstimZ mit einer kurzen Bemerkung den betreffenden Behörden zum Bericht "verwiesen. Niemals ist dem ungestümen Bittsteller ernstlich bedeutet worden, er sich vuhig zu verhalten habe, obwohl in seinen Eingaben oft starke ^u>ge und bisweilen in schroffster Form gesagt wurden. So stellte er z. B. ^'"er Zuschrift vom V. Oktober 177/; die kaum glaubliche Behauptung auf, "daß der nunmehr in Gott ruhende Herr Geheimte Nath vou schlichtete ihm ^ theuerste noch kürzlich wiederholte Versicherung gegeben habe, daß, wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/267>, abgerufen am 22.06.2024.