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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Aus den Jugendfilmen der Sozialdemokratie

völkernng blieb teilnahmlos, von einer Mitwirkung bedeutender Männer, die
die Anstifter des Putsches ihren Genossen vorgespiegelt hatten, war nicht die
Rede, und das Gefühl, daß man getäuscht sei, vollendete die Entmutigung der
kleinen Nebelleuschar. Bald waren von ihr nur noch wenige um die Häupt¬
linge versammelt, die sich nun mit ihnen der innern Stadt .zuwandte um sich
in deren engen Straßen, deren Pflaster schon so oft vom Blute des Bürger¬
krieges gerötet worden war, mit Barrikaden zu verschanzen. Unterdessen aber
waren, durch die Trommeln des Generalmarsches zusammengerufen, Linicn-
truppeii, Natiounlgarde und Polizeimannschaften in genügender Zahl heran¬
gerückt, und schon ihr erster Sturm auf die von den Verschwornen eingenommene
Stellung machte dem dreisten und unüberlegten Unternehmen ein Ende. Von
den Teilnehmern wurden einige mit den Waffen in der Hand gefangen ge>
"omnem, andre verhaftete mau am nächsten Tage. Die Untersuchung stellte
heraus, daß die "Gesellschaft der Jahreszeiten" fast ausschließlich ans Hand¬
werksgesellen, Fabrikarbeitern und Tagelöhnern bestanden hatte, daß sie zu
Stiftern und Leitern drei junge Leute besser" Standes, aber ohne Stellung
"ut besondres Talent, gehabt, und daß sie "die soziale Republik" gewollt
hatte ........ einen Begriff, der selbst den Führer" nur dämmernd und in Allge¬
meinheiten, aber trotz oder gerade wegen feiner Dunkelheit und Unbestimmtheit
als etwas Heiliges und Begeisterndes erschienen war. Die drei Rädelsführer
waren Barbes, ein junger Mnun ans wohlhabender Familie und aufopfernngs-
fahiger Schwärmer, Martin Bernard, ein früherer Unteroffizier, und Vlanqni,
ein handwerksmäßiger Verschwörer nicht gerade der ""edelste", wohl aber der
verbissensten ""d rührigsten Sorte. Die beide" Erstgenannte" erschiene" am
'^7. Inn mit sechzehn ihrer Genossen vor dem Pairshofe, Barbvs wurde zum
Tode, Bernard zur Deportation und die übrigen zu Gefä"gnisstrafen ver-
!abietum Grades verurteilt. Später wurden einer ander" Abteilung der An¬
geklagten, bei der sich Blanqui befand, teils Deportation, teils Galeere, teils
Gefängnis zuerkannt. Barbus, dessen Jngend, Schönheit und männliche Haltung
vor de" Richten? beim Publikum lebhafte Teilnahme erregt und vielfache
Gnadengesuche für ihn hervorgerufen hatte -- die Pariser Studenten zogen
D diesem Zwecke, mehrere tausend Köpfe stark, vor das Justiziuiuisterium --,
wurde ohne sein eignes Zuthu" vom Könige erst zum Bagnv, da"" zur Depor¬
tation begnadigt, die jedoch in Ermanglung eines regelnden Gesetzes in einem
Wländischen Gefängnisse zu verbüßen war. Man brachte ihn, Blnngui und
"le meisten andern Verurteilten in die Gefangnenzelleu des ehemaligen .Klosters
Rout Se. Michel an der Küste der Normandie, von wo Barbus und Blanqui
^'se durch die Revolution von 1848 befreit wurde".

Zunächst trat nun Ruhe el", und wenn einige von den alten kommunistischen
^eheimbünden bestehen blieben und neue, z. B. die sogenannte Marianne, im
Entstehen begriffen waren, so wagten sie sich nicht in Pulsader, ^, sondern nur


Aus den Jugendfilmen der Sozialdemokratie

völkernng blieb teilnahmlos, von einer Mitwirkung bedeutender Männer, die
die Anstifter des Putsches ihren Genossen vorgespiegelt hatten, war nicht die
Rede, und das Gefühl, daß man getäuscht sei, vollendete die Entmutigung der
kleinen Nebelleuschar. Bald waren von ihr nur noch wenige um die Häupt¬
linge versammelt, die sich nun mit ihnen der innern Stadt .zuwandte um sich
in deren engen Straßen, deren Pflaster schon so oft vom Blute des Bürger¬
krieges gerötet worden war, mit Barrikaden zu verschanzen. Unterdessen aber
waren, durch die Trommeln des Generalmarsches zusammengerufen, Linicn-
truppeii, Natiounlgarde und Polizeimannschaften in genügender Zahl heran¬
gerückt, und schon ihr erster Sturm auf die von den Verschwornen eingenommene
Stellung machte dem dreisten und unüberlegten Unternehmen ein Ende. Von
den Teilnehmern wurden einige mit den Waffen in der Hand gefangen ge>
»omnem, andre verhaftete mau am nächsten Tage. Die Untersuchung stellte
heraus, daß die „Gesellschaft der Jahreszeiten" fast ausschließlich ans Hand¬
werksgesellen, Fabrikarbeitern und Tagelöhnern bestanden hatte, daß sie zu
Stiftern und Leitern drei junge Leute besser» Standes, aber ohne Stellung
»ut besondres Talent, gehabt, und daß sie „die soziale Republik" gewollt
hatte ........ einen Begriff, der selbst den Führer» nur dämmernd und in Allge¬
meinheiten, aber trotz oder gerade wegen feiner Dunkelheit und Unbestimmtheit
als etwas Heiliges und Begeisterndes erschienen war. Die drei Rädelsführer
waren Barbes, ein junger Mnun ans wohlhabender Familie und aufopfernngs-
fahiger Schwärmer, Martin Bernard, ein früherer Unteroffizier, und Vlanqni,
ein handwerksmäßiger Verschwörer nicht gerade der »»edelste», wohl aber der
verbissensten »»d rührigsten Sorte. Die beide» Erstgenannte» erschiene» am
'^7. Inn mit sechzehn ihrer Genossen vor dem Pairshofe, Barbvs wurde zum
Tode, Bernard zur Deportation und die übrigen zu Gefä»gnisstrafen ver-
!abietum Grades verurteilt. Später wurden einer ander» Abteilung der An¬
geklagten, bei der sich Blanqui befand, teils Deportation, teils Galeere, teils
Gefängnis zuerkannt. Barbus, dessen Jngend, Schönheit und männliche Haltung
vor de» Richten? beim Publikum lebhafte Teilnahme erregt und vielfache
Gnadengesuche für ihn hervorgerufen hatte — die Pariser Studenten zogen
D diesem Zwecke, mehrere tausend Köpfe stark, vor das Justiziuiuisterium —,
wurde ohne sein eignes Zuthu» vom Könige erst zum Bagnv, da»» zur Depor¬
tation begnadigt, die jedoch in Ermanglung eines regelnden Gesetzes in einem
Wländischen Gefängnisse zu verbüßen war. Man brachte ihn, Blnngui und
"le meisten andern Verurteilten in die Gefangnenzelleu des ehemaligen .Klosters
Rout Se. Michel an der Küste der Normandie, von wo Barbus und Blanqui
^'se durch die Revolution von 1848 befreit wurde».

Zunächst trat nun Ruhe el», und wenn einige von den alten kommunistischen
^eheimbünden bestehen blieben und neue, z. B. die sogenannte Marianne, im
Entstehen begriffen waren, so wagten sie sich nicht in Pulsader, ^, sondern nur


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[0259] Aus den Jugendfilmen der Sozialdemokratie völkernng blieb teilnahmlos, von einer Mitwirkung bedeutender Männer, die die Anstifter des Putsches ihren Genossen vorgespiegelt hatten, war nicht die Rede, und das Gefühl, daß man getäuscht sei, vollendete die Entmutigung der kleinen Nebelleuschar. Bald waren von ihr nur noch wenige um die Häupt¬ linge versammelt, die sich nun mit ihnen der innern Stadt .zuwandte um sich in deren engen Straßen, deren Pflaster schon so oft vom Blute des Bürger¬ krieges gerötet worden war, mit Barrikaden zu verschanzen. Unterdessen aber waren, durch die Trommeln des Generalmarsches zusammengerufen, Linicn- truppeii, Natiounlgarde und Polizeimannschaften in genügender Zahl heran¬ gerückt, und schon ihr erster Sturm auf die von den Verschwornen eingenommene Stellung machte dem dreisten und unüberlegten Unternehmen ein Ende. Von den Teilnehmern wurden einige mit den Waffen in der Hand gefangen ge> »omnem, andre verhaftete mau am nächsten Tage. Die Untersuchung stellte heraus, daß die „Gesellschaft der Jahreszeiten" fast ausschließlich ans Hand¬ werksgesellen, Fabrikarbeitern und Tagelöhnern bestanden hatte, daß sie zu Stiftern und Leitern drei junge Leute besser» Standes, aber ohne Stellung »ut besondres Talent, gehabt, und daß sie „die soziale Republik" gewollt hatte ........ einen Begriff, der selbst den Führer» nur dämmernd und in Allge¬ meinheiten, aber trotz oder gerade wegen feiner Dunkelheit und Unbestimmtheit als etwas Heiliges und Begeisterndes erschienen war. Die drei Rädelsführer waren Barbes, ein junger Mnun ans wohlhabender Familie und aufopfernngs- fahiger Schwärmer, Martin Bernard, ein früherer Unteroffizier, und Vlanqni, ein handwerksmäßiger Verschwörer nicht gerade der »»edelste», wohl aber der verbissensten »»d rührigsten Sorte. Die beide» Erstgenannte» erschiene» am '^7. Inn mit sechzehn ihrer Genossen vor dem Pairshofe, Barbvs wurde zum Tode, Bernard zur Deportation und die übrigen zu Gefä»gnisstrafen ver- !abietum Grades verurteilt. Später wurden einer ander» Abteilung der An¬ geklagten, bei der sich Blanqui befand, teils Deportation, teils Galeere, teils Gefängnis zuerkannt. Barbus, dessen Jngend, Schönheit und männliche Haltung vor de» Richten? beim Publikum lebhafte Teilnahme erregt und vielfache Gnadengesuche für ihn hervorgerufen hatte — die Pariser Studenten zogen D diesem Zwecke, mehrere tausend Köpfe stark, vor das Justiziuiuisterium —, wurde ohne sein eignes Zuthu» vom Könige erst zum Bagnv, da»» zur Depor¬ tation begnadigt, die jedoch in Ermanglung eines regelnden Gesetzes in einem Wländischen Gefängnisse zu verbüßen war. Man brachte ihn, Blnngui und "le meisten andern Verurteilten in die Gefangnenzelleu des ehemaligen .Klosters Rout Se. Michel an der Küste der Normandie, von wo Barbus und Blanqui ^'se durch die Revolution von 1848 befreit wurde». Zunächst trat nun Ruhe el», und wenn einige von den alten kommunistischen ^eheimbünden bestehen blieben und neue, z. B. die sogenannte Marianne, im Entstehen begriffen waren, so wagten sie sich nicht in Pulsader, ^, sondern nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/259>, abgerufen am 01.07.2024.