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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Proletariern wieder bekannt, und sie begannen daraufhin mehr als bisher
darüber zweifelhaft zu werden, ob ihnen die republikanische Staatsform an
sich, als bloß politische Einrichtung, Vorteile bringen könne, die sie erstrebens¬
wert machten. Sie kamen dabei zu der Überzeugung, daß dies nicht der Fall
sei, daß mit der Republik, wie mau sie bisher verstanden und gewollt hatte,
noch keine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeiterstandes erreicht
werden würde. Man hatte das Wort t^gulo bisher viel im Munde gehabt,
sichs aber niemals recht klar gemacht, ob die staatsrechtliche Gleichheit unter
der demokratischen Regierung, an die man dachte, auch die gesellschaftliche
Gleichheit einschließen oder doch bald herbeiführen werde. Jenes Buch wies
darauf hin, daß dies nicht der Fall sei, und daß ein andrer Weg eingeschlagen,
eine Ergänzung vorgenommen werden müsse. Das, wonach Baboeuf gestrebt
hatte, wurde nnter den Proletariern das Ziel der Gedanken, und es entstanden
nach der Sitte der Zeit geheime Gesellschaften, die jene Ideen pflegten und
sich zu deren Verwirklichung rüstete". Aus der Forderung der Teilnahme der
Besitzlosen an der Staatsregierung wurde die Forderung der Teilnahme am
Vermögen der besitzenden Klassen, und an die Seite des Hasses gegen die
monarchische Regierung trat ein noch heißerer Ingrimm gegen die Reichen,
und als sich jetzt die große Mehrzahl der Leute von Verstand und Bildung
aus diesen Kreisen zurückzog, verfielen jene Gesellschaften, unter denen die
Kooi6t>6 6<z" lainillö" die älteste war, und sonst noch die ><Zooi6t6 nos Senhor"
und die 'I'r"vaMour8 vgMtmre" genannt werden mögen, großenteils dem rohesien
Kommunismus. Dieser neue Baboeuvismus machte Versuche, durch Flugblätter
und Zeitschriften zu wirken und zu werbe". An die Stelle der Revolte"
traten ans seinem Prograun" zunächst die Attentate. Sehr wahrscheinlich ist,
daß Fieschi mit seiner Hölleinnaschine, Aliband und Mennier aus der Looic^
<1Sö kamMes hervorgingen. Die Looiutv "to" "g,i"on8 aber, an deren Spitze
Blanqni und Narbös standen, ließ ihre Mitglieder bei der Anfnnhme schwören,
alle Reichen zu hassen und die Verteilung aller Güter nach dem Grundsätze
unbedingter Gleichheit zu erstreben. Diese Gesellschaften entschlossen sich endlich
während einer Ministerkrisis, die im Frühling des Jahres 1839 ausbrach ""^
fast zwei Monate dauerte, mit deu Waffen in der Hand die Monarchie uinz"'
stürzen und an ihre Stelle die kommunistische Republik zu setzen. Ein Hand¬
sireich, zu dem die "Gesellschaft der Jahreszeiten" etwa tausend wasse"fähige
Mitglieder stelle" konnte, schien dazu hinzureichen. Am Nachmittage deo
12. Mai sammelten sich die Verschwornen in der Nachbarschaft eines Waffe"^
latens, der ans ein verabredetes Zeichen erbrochen und geplündert wurde-
Hierauf überwältigte man mehrere Wachthäuser und Schildwachen, und da""
suchte" die Nnfständischen sich der Pvlizeipräfektnr, zu bemächtige". Hier aber
stießen sie auf entschlossenen Widerstand, a" dem ihr Anlauf scheiterte. Die
Zahl der Angreifer nahm jetzt, statt zu wachsen, beträchtlich ab. Die Be-


Proletariern wieder bekannt, und sie begannen daraufhin mehr als bisher
darüber zweifelhaft zu werden, ob ihnen die republikanische Staatsform an
sich, als bloß politische Einrichtung, Vorteile bringen könne, die sie erstrebens¬
wert machten. Sie kamen dabei zu der Überzeugung, daß dies nicht der Fall
sei, daß mit der Republik, wie mau sie bisher verstanden und gewollt hatte,
noch keine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Arbeiterstandes erreicht
werden würde. Man hatte das Wort t^gulo bisher viel im Munde gehabt,
sichs aber niemals recht klar gemacht, ob die staatsrechtliche Gleichheit unter
der demokratischen Regierung, an die man dachte, auch die gesellschaftliche
Gleichheit einschließen oder doch bald herbeiführen werde. Jenes Buch wies
darauf hin, daß dies nicht der Fall sei, und daß ein andrer Weg eingeschlagen,
eine Ergänzung vorgenommen werden müsse. Das, wonach Baboeuf gestrebt
hatte, wurde nnter den Proletariern das Ziel der Gedanken, und es entstanden
nach der Sitte der Zeit geheime Gesellschaften, die jene Ideen pflegten und
sich zu deren Verwirklichung rüstete». Aus der Forderung der Teilnahme der
Besitzlosen an der Staatsregierung wurde die Forderung der Teilnahme am
Vermögen der besitzenden Klassen, und an die Seite des Hasses gegen die
monarchische Regierung trat ein noch heißerer Ingrimm gegen die Reichen,
und als sich jetzt die große Mehrzahl der Leute von Verstand und Bildung
aus diesen Kreisen zurückzog, verfielen jene Gesellschaften, unter denen die
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Kommunismus. Dieser neue Baboeuvismus machte Versuche, durch Flugblätter
und Zeitschriften zu wirken und zu werbe». An die Stelle der Revolte»
traten ans seinem Prograun» zunächst die Attentate. Sehr wahrscheinlich ist,
daß Fieschi mit seiner Hölleinnaschine, Aliband und Mennier aus der Looic^
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Blanqni und Narbös standen, ließ ihre Mitglieder bei der Anfnnhme schwören,
alle Reichen zu hassen und die Verteilung aller Güter nach dem Grundsätze
unbedingter Gleichheit zu erstreben. Diese Gesellschaften entschlossen sich endlich
während einer Ministerkrisis, die im Frühling des Jahres 1839 ausbrach »»^
fast zwei Monate dauerte, mit deu Waffen in der Hand die Monarchie uinz»'
stürzen und an ihre Stelle die kommunistische Republik zu setzen. Ein Hand¬
sireich, zu dem die „Gesellschaft der Jahreszeiten" etwa tausend wasse»fähige
Mitglieder stelle» konnte, schien dazu hinzureichen. Am Nachmittage deo
12. Mai sammelten sich die Verschwornen in der Nachbarschaft eines Waffe»^
latens, der ans ein verabredetes Zeichen erbrochen und geplündert wurde-
Hierauf überwältigte man mehrere Wachthäuser und Schildwachen, und da»»
suchte» die Nnfständischen sich der Pvlizeipräfektnr, zu bemächtige». Hier aber
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/258>, abgerufen am 29.06.2024.