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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Lismm'et und Schleswig-Holstein

tuit bei Nichterfüllung der Verträge und nach dreimonatlichen Verwahrungen
gegen offnen Bruch derselbe" handle, und jeder Zweifel schwand, als England
den Vorschlag in geschäftlicher Form vorlegte. Die deutschen Mächte sollten,
so hieß es dn, anstatt der materiellen Garantie einer Besetzung Schleswigs
die diplomatische Garantie eines durch alle Unterzeichner des Londoner Vertrags
zu unterschreibenden Protokolls annehmen, wodurch Dänemark sich verpflichtete,
seinem Neichsrate die Aufhebung der Verfassung für Schleswig zu empfehle"
und die Annahme des Vorschlags durch de" Rcichsrat "ach besten Kräfte"
zu erstreben. Der Wert des englischen Antrages wurde sofort durch Mvnrnd
grell beleuchtet, indem er im Landsthing erklärte, es sei schwer zu sagen, was
"uni bei einer Verhandlung mit Deutschland über Schleswig verlangen solle,
leicht dagegen, was man niemals zulassen werde, nämlich ein Schleswig-Holstein,
ein wie Holstein selbständiges und ein geteiltes Schleswig. Daraufhin lehnte der
König von Preußen den englischen Antrag ab lind blieb bei derAblehnung. Rechbcrg
erkannte in Berlin an, daß bei der Erregung des deutschen Volkes der Ein¬
marsch in Schleswig nicht zu verzögern sei, mahnte aber umsomehr, zur Be¬
schwichtigung Englands die begehrte Anerkennung der dänischen Integrität aus¬
zusprechen und zugleich auf schleunigen Zusammentritt der europäischen Konferenz
zu dringen. Er wies den kaiserlichen Gesandten in Paris zu einer Darlegung an,
daß ein Aufschub des Einmarsches in Schleswig, weil letzterer öffentlich angekündigt
worden sei, die deutscheu Großmächte bloßstellen und die Folge haben werde,
daß der deutsche Bund das Herzogtum für deu Augusteuburger besetze. Oster¬
reich deute "ach seineu Grundsätzen nicht daran, als Ritter der Nationalitäten
aufzutreten und Dänemark zu zerstückeln. Es überschreite die Eider nur, "">
schwerem Verwicklungen vorzubeugen.

Bismarck redete in seine," nach London, Paris, Petersburg und Stock¬
holm abgesandte" Rundschreiben schärfer. Ließen wir, sagte er, "ach Englands
Wunsch deu Zusauuueiitritt des Neichsrates zu, so würde" wir die Rechts-
bestäiidigkeit der von uns verworfene" Verfassmig a"erke""e". Die einzige
Möglichkeit der Erhaltung des Friedens besteht also darin, daß Dänemark die
Pfändung Schleswigs zuläßt; widersetzt es sich, so entstehen daraus kriegerische
Ereignisse, deren Folgen in die Beziehuuge" z" Deutschland umso tiefer ein¬
greifen müssen, als dadurch die zwischen beiden Ländern bestehenden Vertrags
Verhältnisse hinfällig werden würden. Rechberg sunt diese Sprache bedenk¬
lich, Bismarck aber wollte sich die Hände nicht für die Zukunft binden lasst"-
Endlich einigte man sich über folgende vom .'<(). Januar datirte gemeinsame
Note: "Indem die (k. österreichische, k. preußische) Regierung die Rechte,
deren Geltendmachung sie erstrebt, auf die Stipnlntionen von 1851/52 basirt,
hat sie durch eben diesen Alt das Prinzip der Integrität der dänischen Monarchie
anerkannt. Indem sie zur Besetzung Schleswigs schreitet, ist sie nicht gesonnen,
dieses Prinzip zu verlassen. Wenn sie aber infolge von Verwicklungen, ">e


Lismm'et und Schleswig-Holstein

tuit bei Nichterfüllung der Verträge und nach dreimonatlichen Verwahrungen
gegen offnen Bruch derselbe» handle, und jeder Zweifel schwand, als England
den Vorschlag in geschäftlicher Form vorlegte. Die deutschen Mächte sollten,
so hieß es dn, anstatt der materiellen Garantie einer Besetzung Schleswigs
die diplomatische Garantie eines durch alle Unterzeichner des Londoner Vertrags
zu unterschreibenden Protokolls annehmen, wodurch Dänemark sich verpflichtete,
seinem Neichsrate die Aufhebung der Verfassung für Schleswig zu empfehle»
und die Annahme des Vorschlags durch de» Rcichsrat »ach besten Kräfte»
zu erstreben. Der Wert des englischen Antrages wurde sofort durch Mvnrnd
grell beleuchtet, indem er im Landsthing erklärte, es sei schwer zu sagen, was
»uni bei einer Verhandlung mit Deutschland über Schleswig verlangen solle,
leicht dagegen, was man niemals zulassen werde, nämlich ein Schleswig-Holstein,
ein wie Holstein selbständiges und ein geteiltes Schleswig. Daraufhin lehnte der
König von Preußen den englischen Antrag ab lind blieb bei derAblehnung. Rechbcrg
erkannte in Berlin an, daß bei der Erregung des deutschen Volkes der Ein¬
marsch in Schleswig nicht zu verzögern sei, mahnte aber umsomehr, zur Be¬
schwichtigung Englands die begehrte Anerkennung der dänischen Integrität aus¬
zusprechen und zugleich auf schleunigen Zusammentritt der europäischen Konferenz
zu dringen. Er wies den kaiserlichen Gesandten in Paris zu einer Darlegung an,
daß ein Aufschub des Einmarsches in Schleswig, weil letzterer öffentlich angekündigt
worden sei, die deutscheu Großmächte bloßstellen und die Folge haben werde,
daß der deutsche Bund das Herzogtum für deu Augusteuburger besetze. Oster¬
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Verhältnisse hinfällig werden würden. Rechberg sunt diese Sprache bedenk¬
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Endlich einigte man sich über folgende vom .'<(). Januar datirte gemeinsame
Note: „Indem die (k. österreichische, k. preußische) Regierung die Rechte,
deren Geltendmachung sie erstrebt, auf die Stipnlntionen von 1851/52 basirt,
hat sie durch eben diesen Alt das Prinzip der Integrität der dänischen Monarchie
anerkannt. Indem sie zur Besetzung Schleswigs schreitet, ist sie nicht gesonnen,
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[0256] Lismm'et und Schleswig-Holstein tuit bei Nichterfüllung der Verträge und nach dreimonatlichen Verwahrungen gegen offnen Bruch derselbe» handle, und jeder Zweifel schwand, als England den Vorschlag in geschäftlicher Form vorlegte. Die deutschen Mächte sollten, so hieß es dn, anstatt der materiellen Garantie einer Besetzung Schleswigs die diplomatische Garantie eines durch alle Unterzeichner des Londoner Vertrags zu unterschreibenden Protokolls annehmen, wodurch Dänemark sich verpflichtete, seinem Neichsrate die Aufhebung der Verfassung für Schleswig zu empfehle» und die Annahme des Vorschlags durch de» Rcichsrat »ach besten Kräfte» zu erstreben. Der Wert des englischen Antrages wurde sofort durch Mvnrnd grell beleuchtet, indem er im Landsthing erklärte, es sei schwer zu sagen, was »uni bei einer Verhandlung mit Deutschland über Schleswig verlangen solle, leicht dagegen, was man niemals zulassen werde, nämlich ein Schleswig-Holstein, ein wie Holstein selbständiges und ein geteiltes Schleswig. Daraufhin lehnte der König von Preußen den englischen Antrag ab lind blieb bei derAblehnung. Rechbcrg erkannte in Berlin an, daß bei der Erregung des deutschen Volkes der Ein¬ marsch in Schleswig nicht zu verzögern sei, mahnte aber umsomehr, zur Be¬ schwichtigung Englands die begehrte Anerkennung der dänischen Integrität aus¬ zusprechen und zugleich auf schleunigen Zusammentritt der europäischen Konferenz zu dringen. Er wies den kaiserlichen Gesandten in Paris zu einer Darlegung an, daß ein Aufschub des Einmarsches in Schleswig, weil letzterer öffentlich angekündigt worden sei, die deutscheu Großmächte bloßstellen und die Folge haben werde, daß der deutsche Bund das Herzogtum für deu Augusteuburger besetze. Oster¬ reich deute »ach seineu Grundsätzen nicht daran, als Ritter der Nationalitäten aufzutreten und Dänemark zu zerstückeln. Es überschreite die Eider nur, »»> schwerem Verwicklungen vorzubeugen. Bismarck redete in seine,» nach London, Paris, Petersburg und Stock¬ holm abgesandte» Rundschreiben schärfer. Ließen wir, sagte er, »ach Englands Wunsch deu Zusauuueiitritt des Neichsrates zu, so würde» wir die Rechts- bestäiidigkeit der von uns verworfene» Verfassmig a»erke»»e». Die einzige Möglichkeit der Erhaltung des Friedens besteht also darin, daß Dänemark die Pfändung Schleswigs zuläßt; widersetzt es sich, so entstehen daraus kriegerische Ereignisse, deren Folgen in die Beziehuuge» z» Deutschland umso tiefer ein¬ greifen müssen, als dadurch die zwischen beiden Ländern bestehenden Vertrags Verhältnisse hinfällig werden würden. Rechberg sunt diese Sprache bedenk¬ lich, Bismarck aber wollte sich die Hände nicht für die Zukunft binden lasst»- Endlich einigte man sich über folgende vom .'<(). Januar datirte gemeinsame Note: „Indem die (k. österreichische, k. preußische) Regierung die Rechte, deren Geltendmachung sie erstrebt, auf die Stipnlntionen von 1851/52 basirt, hat sie durch eben diesen Alt das Prinzip der Integrität der dänischen Monarchie anerkannt. Indem sie zur Besetzung Schleswigs schreitet, ist sie nicht gesonnen, dieses Prinzip zu verlassen. Wenn sie aber infolge von Verwicklungen, ">e

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/256>, abgerufen am 29.06.2024.