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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Bismarck und Schleswig-Holstein

stein ohne Widerstand räumen U'urbem, ivar längst ausgemacht und mithin der
Krieg entschieden. In Preußen wie in Österreich waren die militärischen
Vorkehrungen in vollem Zuge. Am 20. übernahm Wrnngel den Ober¬
befehl über die Streitkräfte der Großmächte, die nun in Holstein einrückten und
sich rasch der Eider näherten. Das übte sofort seiue Wirkung auf den Bundes¬
tag, die Mittelstaaten und die fremden Großmächte. Der Bundestag versprach
uuter Wahrung der Rechte des Bundes den Truppen der Verbündeten während
ihres Durchmarsches durch Holstein alle Erleichterung und Unterstützung zu
gewähren. Reuse, der seine" Bundestagsgesandter beauftragt hatte, für die
Verhinderung des Durchmarsches zu wirken, erklärte einige Tage später dem
Vertreter Preußens in Dresden, man werde ihn hoffentlich nicht für einen
solchen Don Quixote halten, daß er ans den Gedanken bewaffnete" Wider¬
standes geraten könnte. Der alte .König vo" Württemberg ließ öffentlich ver-
künden, daß er mit dem ganzen bösen Handel nichts zu schaffen haben möge.
Äußerst kummervoll war Max der Baier, höchst aufgeregt sein Minister Schrenck,
als sie das schöne Bild der bairischen Hegemonie über die Trias so schnell
und heillos zerrinnen sahen, aber beiden war doch sofort klar, daß man sich
uicht mit gezogenem Degen den deutschen Grvßmächteu in den Weg stellen
lbuue. Unter den fremden Mächten war besonders England sehr erregt, und Russell,
^er e>ni 31. Dezember eine förmliche Einladung zu einer Konferenz versandt
hatte, entwickelte eine außerordentliche Rührigkeit für die Integrität Dänemarks
und die Thronfolge Christians in den Herzogtümern, er mahnte allenthalben,
^vrterte, beantragte und drohte, verlangte in Kopenhagen schleunige Be¬
seitigung der Verfassung und in Berlin einen sechswöchentlichen Aufschub des
Zwangsverfahrens und dergleichen. Aber ans allen Seiten erfuhr er, wie
""anfechtbar die Stellung war, die Bismarck für feine aktive Politik erwählt
hatte, und wie genan sie der damaligen Lüge Europas entsprach.

Im stillen waren alle Kabinette einverstanden, daß Dänemark sich mit
schnöder Keckheit Deutschland gegenüber ins Unrecht gesetzt habe, und
"iemand hatte Lust, ihm gegen das jetzt in Waffen starrende Deutschland bei-
'^ustehen. Rußland wttuschte zwar glimpflichste Behandlung der Dänen, aber
durchaus keinen Bruch mit Preußen, seinem mutigen Genossen während des
^'tuischeu Aufstandes. Napoleon hielt an der Hoffnung fest, aus dem Kriege
w Schleswig weitere Verwicklungen entstehen zu sehen, die ihm das ersehnte
^umbris mit Preußen verschaffen müßten. Übrigens ließ er der englischen
^u'giernng erklären, daß er nur mit Widerwillen an eine Maßregel herantrete,
^ ihn in einen Krieg mit Deutschland verwickeln könnte. Einigen Anklang
^ den außerdeurscheu Höfen fand der Vorschlag eines Aufschubs der Besetzung
^'hlesuügs. Nußland, Frankreich und Schweden empfahlen ihn in Berlin,
^l^gen gestand Napoleon dem Grafen Goltz zu, daß es sich hier nicht um
^" Plötzliches Ultimatum, souderu um ein letztes Wort mich zwölfjähriger Ge-


Bismarck und Schleswig-Holstein

stein ohne Widerstand räumen U'urbem, ivar längst ausgemacht und mithin der
Krieg entschieden. In Preußen wie in Österreich waren die militärischen
Vorkehrungen in vollem Zuge. Am 20. übernahm Wrnngel den Ober¬
befehl über die Streitkräfte der Großmächte, die nun in Holstein einrückten und
sich rasch der Eider näherten. Das übte sofort seiue Wirkung auf den Bundes¬
tag, die Mittelstaaten und die fremden Großmächte. Der Bundestag versprach
uuter Wahrung der Rechte des Bundes den Truppen der Verbündeten während
ihres Durchmarsches durch Holstein alle Erleichterung und Unterstützung zu
gewähren. Reuse, der seine» Bundestagsgesandter beauftragt hatte, für die
Verhinderung des Durchmarsches zu wirken, erklärte einige Tage später dem
Vertreter Preußens in Dresden, man werde ihn hoffentlich nicht für einen
solchen Don Quixote halten, daß er ans den Gedanken bewaffnete» Wider¬
standes geraten könnte. Der alte .König vo» Württemberg ließ öffentlich ver-
künden, daß er mit dem ganzen bösen Handel nichts zu schaffen haben möge.
Äußerst kummervoll war Max der Baier, höchst aufgeregt sein Minister Schrenck,
als sie das schöne Bild der bairischen Hegemonie über die Trias so schnell
und heillos zerrinnen sahen, aber beiden war doch sofort klar, daß man sich
uicht mit gezogenem Degen den deutschen Grvßmächteu in den Weg stellen
lbuue. Unter den fremden Mächten war besonders England sehr erregt, und Russell,
^er e>ni 31. Dezember eine förmliche Einladung zu einer Konferenz versandt
hatte, entwickelte eine außerordentliche Rührigkeit für die Integrität Dänemarks
und die Thronfolge Christians in den Herzogtümern, er mahnte allenthalben,
^vrterte, beantragte und drohte, verlangte in Kopenhagen schleunige Be¬
seitigung der Verfassung und in Berlin einen sechswöchentlichen Aufschub des
Zwangsverfahrens und dergleichen. Aber ans allen Seiten erfuhr er, wie
""anfechtbar die Stellung war, die Bismarck für feine aktive Politik erwählt
hatte, und wie genan sie der damaligen Lüge Europas entsprach.

Im stillen waren alle Kabinette einverstanden, daß Dänemark sich mit
schnöder Keckheit Deutschland gegenüber ins Unrecht gesetzt habe, und
"iemand hatte Lust, ihm gegen das jetzt in Waffen starrende Deutschland bei-
'^ustehen. Rußland wttuschte zwar glimpflichste Behandlung der Dänen, aber
durchaus keinen Bruch mit Preußen, seinem mutigen Genossen während des
^'tuischeu Aufstandes. Napoleon hielt an der Hoffnung fest, aus dem Kriege
w Schleswig weitere Verwicklungen entstehen zu sehen, die ihm das ersehnte
^umbris mit Preußen verschaffen müßten. Übrigens ließ er der englischen
^u'giernng erklären, daß er nur mit Widerwillen an eine Maßregel herantrete,
^ ihn in einen Krieg mit Deutschland verwickeln könnte. Einigen Anklang
^ den außerdeurscheu Höfen fand der Vorschlag eines Aufschubs der Besetzung
^'hlesuügs. Nußland, Frankreich und Schweden empfahlen ihn in Berlin,
^l^gen gestand Napoleon dem Grafen Goltz zu, daß es sich hier nicht um
^» Plötzliches Ultimatum, souderu um ein letztes Wort mich zwölfjähriger Ge-


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[0255] Bismarck und Schleswig-Holstein stein ohne Widerstand räumen U'urbem, ivar längst ausgemacht und mithin der Krieg entschieden. In Preußen wie in Österreich waren die militärischen Vorkehrungen in vollem Zuge. Am 20. übernahm Wrnngel den Ober¬ befehl über die Streitkräfte der Großmächte, die nun in Holstein einrückten und sich rasch der Eider näherten. Das übte sofort seiue Wirkung auf den Bundes¬ tag, die Mittelstaaten und die fremden Großmächte. Der Bundestag versprach uuter Wahrung der Rechte des Bundes den Truppen der Verbündeten während ihres Durchmarsches durch Holstein alle Erleichterung und Unterstützung zu gewähren. Reuse, der seine» Bundestagsgesandter beauftragt hatte, für die Verhinderung des Durchmarsches zu wirken, erklärte einige Tage später dem Vertreter Preußens in Dresden, man werde ihn hoffentlich nicht für einen solchen Don Quixote halten, daß er ans den Gedanken bewaffnete» Wider¬ standes geraten könnte. Der alte .König vo» Württemberg ließ öffentlich ver- künden, daß er mit dem ganzen bösen Handel nichts zu schaffen haben möge. Äußerst kummervoll war Max der Baier, höchst aufgeregt sein Minister Schrenck, als sie das schöne Bild der bairischen Hegemonie über die Trias so schnell und heillos zerrinnen sahen, aber beiden war doch sofort klar, daß man sich uicht mit gezogenem Degen den deutschen Grvßmächteu in den Weg stellen lbuue. Unter den fremden Mächten war besonders England sehr erregt, und Russell, ^er e>ni 31. Dezember eine förmliche Einladung zu einer Konferenz versandt hatte, entwickelte eine außerordentliche Rührigkeit für die Integrität Dänemarks und die Thronfolge Christians in den Herzogtümern, er mahnte allenthalben, ^vrterte, beantragte und drohte, verlangte in Kopenhagen schleunige Be¬ seitigung der Verfassung und in Berlin einen sechswöchentlichen Aufschub des Zwangsverfahrens und dergleichen. Aber ans allen Seiten erfuhr er, wie ""anfechtbar die Stellung war, die Bismarck für feine aktive Politik erwählt hatte, und wie genan sie der damaligen Lüge Europas entsprach. Im stillen waren alle Kabinette einverstanden, daß Dänemark sich mit schnöder Keckheit Deutschland gegenüber ins Unrecht gesetzt habe, und "iemand hatte Lust, ihm gegen das jetzt in Waffen starrende Deutschland bei- '^ustehen. Rußland wttuschte zwar glimpflichste Behandlung der Dänen, aber durchaus keinen Bruch mit Preußen, seinem mutigen Genossen während des ^'tuischeu Aufstandes. Napoleon hielt an der Hoffnung fest, aus dem Kriege w Schleswig weitere Verwicklungen entstehen zu sehen, die ihm das ersehnte ^umbris mit Preußen verschaffen müßten. Übrigens ließ er der englischen ^u'giernng erklären, daß er nur mit Widerwillen an eine Maßregel herantrete, ^ ihn in einen Krieg mit Deutschland verwickeln könnte. Einigen Anklang ^ den außerdeurscheu Höfen fand der Vorschlag eines Aufschubs der Besetzung ^'hlesuügs. Nußland, Frankreich und Schweden empfahlen ihn in Berlin, ^l^gen gestand Napoleon dem Grafen Goltz zu, daß es sich hier nicht um ^» Plötzliches Ultimatum, souderu um ein letztes Wort mich zwölfjähriger Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/255>, abgerufen am 01.07.2024.