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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Schlagfertigkeit und Rastlosigkeit unter den College" bei der 'Bundesversamm¬
lung sich bedeutende Geltung verschafft hatte, eine ausführliche Darlegung
der Sätze, daß der Bund durch den londoner Vertrag nicht verpflichtet und
daß eine Ausführung des Vertrags überhaupt nicht mehr möglich sei, Rechberg
übersandte darauf der bairischen Regierung eine Verwal,rnng, worin es hieß,
wo der Bundestag innerhalb , der Grenzen seiner Befugnis Beschlüsse fasse,
würden Österreich und Preußen leinen Einspruch dagegen erheben, aber Be¬
schlüssen ohne Rücksicht auf Gesetz und Verfassung gegenüber würden sie sich
"immermehr inajvrisiren lassen. Das Thronfolgerecht des Königs Christian
beruhe nicht auf dem Londoner Protokoll, sondern ans dem dünischen in aller
Form Rechtens erlassenen Reichsgesetze von 1853, dnrch Beschluß vom
2". Juli 1852 habe mich der Bund sein Einverständnis mit der Erhaltung
der dänischen Unzertrennlichkeit nnsgesprochen, und kein Gesetz berechtige ihn
aur Entscheidung einer streitigen Thronfolge oder zur Okkupation eines nicht
gU ihm gehörigen Landes wegen möglicher Erbnnsprüche eines noch nicht an¬
rannten Fürsten. Bismarck schrieb kürzer an Sydvw: "Pfordtens Arbeit
erscheint mir parteiisch und oberflächlich. Wir können eine solche Behandlung
völkerrechtlicher Transaktionen, an denen wir teilgenommen haben, nicht dulden,
^ir sind ebensowenig wie Österreich gesonnen, uns in dieser wichtigen Frage
der Führung des königlich bairischen Bundestagsgesandter zu überlassen. Ich
Wunsche, daß Sie dies zur Richtschnur Ihrer Äußerungen in den Ausschüssen
'Archen und den Standpunkt der Großmächte mit der Energie vertreten, mit
^'r wir ihn nötigenfalls geltend zu machen entschlossen sind."

Und nnn drängte in Berlin ans der einen Seite das Abgeordnetenhaus,
dem die Regierung eine Rnstnngsnnleihe beantragt hatte, und dessen Mehr¬
et das Geld uur bewilligen wollte, wenn Bismarck dnrch Anerkennung des
"Herzogs" Friedrich alle Brücken zur Umkehr abbräche, ans der rudern Seite
^'r englische Gesandte Buchanan, der Zurücknahme des Antrags vom 2". De¬
putier begehrte, da jedes Einrücken deutscher Truppen in Schleswig deu
Frieden Europas schwer gefährde, die ganze Angelegenheit also unter einst¬
weilige Erhaltung des Statusguo einer Konferenz der Mächte zu unterbreiten
Bismarck erklärte der Volksvertretung, wenn sie das Geld verweigere, so
lverde die Regierung es sich nehmen, wo sie es finde. Dem Engländer aber er¬
widerte er, den Statnsqno habe Dänemark widerrechtlich geändert und müsse ihn
d"res Aufhebung der Nvvemberverfnssung wieder herstellen; im Weigerungsfalle
^ die Besetzung Schleswigs das berechtigte Zwangsmittel. Unmöglich könne
^enßm am Londoner Vertrage festhalten und gleichzeitig dessen Bruch durch
^uueinark stillschweigend dulden. Hintere England die Anwendung des Zwangs¬
mittels, so müsse Preußen einen Ministerwechsel vollziehen, sich vom Londoner
Protokoll lossagen und sich nach der Forderung des Abgeordi,etenhanses der
^"gustenburger Partei anschließen. Buchanan verstummte daraus.


Schlagfertigkeit und Rastlosigkeit unter den College» bei der 'Bundesversamm¬
lung sich bedeutende Geltung verschafft hatte, eine ausführliche Darlegung
der Sätze, daß der Bund durch den londoner Vertrag nicht verpflichtet und
daß eine Ausführung des Vertrags überhaupt nicht mehr möglich sei, Rechberg
übersandte darauf der bairischen Regierung eine Verwal,rnng, worin es hieß,
wo der Bundestag innerhalb , der Grenzen seiner Befugnis Beschlüsse fasse,
würden Österreich und Preußen leinen Einspruch dagegen erheben, aber Be¬
schlüssen ohne Rücksicht auf Gesetz und Verfassung gegenüber würden sie sich
"immermehr inajvrisiren lassen. Das Thronfolgerecht des Königs Christian
beruhe nicht auf dem Londoner Protokoll, sondern ans dem dünischen in aller
Form Rechtens erlassenen Reichsgesetze von 1853, dnrch Beschluß vom
2». Juli 1852 habe mich der Bund sein Einverständnis mit der Erhaltung
der dänischen Unzertrennlichkeit nnsgesprochen, und kein Gesetz berechtige ihn
aur Entscheidung einer streitigen Thronfolge oder zur Okkupation eines nicht
gU ihm gehörigen Landes wegen möglicher Erbnnsprüche eines noch nicht an¬
rannten Fürsten. Bismarck schrieb kürzer an Sydvw: „Pfordtens Arbeit
erscheint mir parteiisch und oberflächlich. Wir können eine solche Behandlung
völkerrechtlicher Transaktionen, an denen wir teilgenommen haben, nicht dulden,
^ir sind ebensowenig wie Österreich gesonnen, uns in dieser wichtigen Frage
der Führung des königlich bairischen Bundestagsgesandter zu überlassen. Ich
Wunsche, daß Sie dies zur Richtschnur Ihrer Äußerungen in den Ausschüssen
'Archen und den Standpunkt der Großmächte mit der Energie vertreten, mit
^'r wir ihn nötigenfalls geltend zu machen entschlossen sind."

Und nnn drängte in Berlin ans der einen Seite das Abgeordnetenhaus,
dem die Regierung eine Rnstnngsnnleihe beantragt hatte, und dessen Mehr¬
et das Geld uur bewilligen wollte, wenn Bismarck dnrch Anerkennung des
"Herzogs" Friedrich alle Brücken zur Umkehr abbräche, ans der rudern Seite
^'r englische Gesandte Buchanan, der Zurücknahme des Antrags vom 2«. De¬
putier begehrte, da jedes Einrücken deutscher Truppen in Schleswig deu
Frieden Europas schwer gefährde, die ganze Angelegenheit also unter einst¬
weilige Erhaltung des Statusguo einer Konferenz der Mächte zu unterbreiten
Bismarck erklärte der Volksvertretung, wenn sie das Geld verweigere, so
lverde die Regierung es sich nehmen, wo sie es finde. Dem Engländer aber er¬
widerte er, den Statnsqno habe Dänemark widerrechtlich geändert und müsse ihn
d"res Aufhebung der Nvvemberverfnssung wieder herstellen; im Weigerungsfalle
^ die Besetzung Schleswigs das berechtigte Zwangsmittel. Unmöglich könne
^enßm am Londoner Vertrage festhalten und gleichzeitig dessen Bruch durch
^uueinark stillschweigend dulden. Hintere England die Anwendung des Zwangs¬
mittels, so müsse Preußen einen Ministerwechsel vollziehen, sich vom Londoner
Protokoll lossagen und sich nach der Forderung des Abgeordi,etenhanses der
^"gustenburger Partei anschließen. Buchanan verstummte daraus.


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[0251] Schlagfertigkeit und Rastlosigkeit unter den College» bei der 'Bundesversamm¬ lung sich bedeutende Geltung verschafft hatte, eine ausführliche Darlegung der Sätze, daß der Bund durch den londoner Vertrag nicht verpflichtet und daß eine Ausführung des Vertrags überhaupt nicht mehr möglich sei, Rechberg übersandte darauf der bairischen Regierung eine Verwal,rnng, worin es hieß, wo der Bundestag innerhalb , der Grenzen seiner Befugnis Beschlüsse fasse, würden Österreich und Preußen leinen Einspruch dagegen erheben, aber Be¬ schlüssen ohne Rücksicht auf Gesetz und Verfassung gegenüber würden sie sich "immermehr inajvrisiren lassen. Das Thronfolgerecht des Königs Christian beruhe nicht auf dem Londoner Protokoll, sondern ans dem dünischen in aller Form Rechtens erlassenen Reichsgesetze von 1853, dnrch Beschluß vom 2». Juli 1852 habe mich der Bund sein Einverständnis mit der Erhaltung der dänischen Unzertrennlichkeit nnsgesprochen, und kein Gesetz berechtige ihn aur Entscheidung einer streitigen Thronfolge oder zur Okkupation eines nicht gU ihm gehörigen Landes wegen möglicher Erbnnsprüche eines noch nicht an¬ rannten Fürsten. Bismarck schrieb kürzer an Sydvw: „Pfordtens Arbeit erscheint mir parteiisch und oberflächlich. Wir können eine solche Behandlung völkerrechtlicher Transaktionen, an denen wir teilgenommen haben, nicht dulden, ^ir sind ebensowenig wie Österreich gesonnen, uns in dieser wichtigen Frage der Führung des königlich bairischen Bundestagsgesandter zu überlassen. Ich Wunsche, daß Sie dies zur Richtschnur Ihrer Äußerungen in den Ausschüssen 'Archen und den Standpunkt der Großmächte mit der Energie vertreten, mit ^'r wir ihn nötigenfalls geltend zu machen entschlossen sind." Und nnn drängte in Berlin ans der einen Seite das Abgeordnetenhaus, dem die Regierung eine Rnstnngsnnleihe beantragt hatte, und dessen Mehr¬ et das Geld uur bewilligen wollte, wenn Bismarck dnrch Anerkennung des "Herzogs" Friedrich alle Brücken zur Umkehr abbräche, ans der rudern Seite ^'r englische Gesandte Buchanan, der Zurücknahme des Antrags vom 2«. De¬ putier begehrte, da jedes Einrücken deutscher Truppen in Schleswig deu Frieden Europas schwer gefährde, die ganze Angelegenheit also unter einst¬ weilige Erhaltung des Statusguo einer Konferenz der Mächte zu unterbreiten Bismarck erklärte der Volksvertretung, wenn sie das Geld verweigere, so lverde die Regierung es sich nehmen, wo sie es finde. Dem Engländer aber er¬ widerte er, den Statnsqno habe Dänemark widerrechtlich geändert und müsse ihn d"res Aufhebung der Nvvemberverfnssung wieder herstellen; im Weigerungsfalle ^ die Besetzung Schleswigs das berechtigte Zwangsmittel. Unmöglich könne ^enßm am Londoner Vertrage festhalten und gleichzeitig dessen Bruch durch ^uueinark stillschweigend dulden. Hintere England die Anwendung des Zwangs¬ mittels, so müsse Preußen einen Ministerwechsel vollziehen, sich vom Londoner Protokoll lossagen und sich nach der Forderung des Abgeordi,etenhanses der ^"gustenburger Partei anschließen. Buchanan verstummte daraus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/251>, abgerufen am 01.07.2024.