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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Shakespeare-Bacon-Frage

ein Bewohner Stratfords Shakespeare um Geld angeht und dafür Sicherheit
zu geben sich erbietet, war dieser ein Wucherer! Ebenso, weil von ihm 1609
ein Schuldner wegen 6 Pfd. Sterl, 24 Schilling eingeklagt wurde! Die merk¬
würdigste Folgerung aber wurde daraus gezogen, das; 1604 der Dichter den
Philip Rogers verklagte, weil dieser die Summe von 1 Psd. Sterl. 15 Schilling
10 Pence für Malz, das ihm zu verschiednen Zeiten geliefert worden war,
nicht bezahlt hatte. Daraus schlossen nämlich einige der schlauesten Baconianer,
daß Shakespeare nicht nur Wucherer gewesen sei, sondern um noch mehr Geld
zu verdienen, in Stratford eine große Bierbrauerei errichtet habe. Freilich
sollte man denken, ein Bierbrauer hätte lieber sein Malz behalten, als es ver¬
kauft. Doch solche Einwände stören die Baconianer nicht, wenn es gilt,
Shakespeare herunterzusetzen. Es ist aber auch aus diesen wenigen Fällen gar
nicht abzuleiten, daß Shakespeare oft Geld verliehen habe. Die Familie Quiney
wurde später mit dem Dichter verschwägert und war damals jedenfalls schon
mit ihm befreundet. Würden außerdem die Stratforder einem bekannten
Wucherer ihren Zehnten verpachtet haben? Doch die Gegner Shakespeares
verlangen eben, daß er stets in höhern Sphären geschwebt, auf jeden Geld¬
erwerb, jede geschäftliche Ordnung und jeden geordneten Haushalt verzichtet,
und, da er an Jupiters Tisch speiste, alles Irdische verachtet habe. Aber
gerade bei andern großen englischen Dichtern machen wir die Entdeckung, daß
sie Gelderwerb ganz und gar nicht abgeneigt waren. Vhron lernte gar bald
das Geldfvrdern für seine Werke und strich hübsche Summen ein. Er ver¬
wendete dieses Geld allerdings nur zum geringern Teile für sich. Walter
Scott dagegen ist durchaus nicht von Geldgier freizusprechen. Wir denken hierbei
nicht an die Zeit, nachdem sein Verleger und Mitteilhaber am Geschäfte zu
Grunde gegangen war, fondern an frühere Jahre. Nicht nur, daß Scott die
untergeordnete Stellung eines (Api'K ol tuo Lonrt ol 8<Z88inen, weil sie
1300 Lstrl. jährlich eintrug, erstrebte, er entwickelte auch lauge vor 1826 eine
Hcrausgeberthätigkeit auf deu allerverschiedensten Gebieten, die uns an schlimme
Büchermacher erinnert. Auch urteilt er recht geringschätzig über Dichtkunst'
sie ist ihm mir ein Mittel, emporzukommen und Geld zu verdienen. Trotzdem
hat bisher noch niemand versucht, Scott seine Werke abzustreiten. Bei Shake¬
speare aber ist das eine ganz andre Sache: er konnte kein großer Dichter sein,
weil er auf Gelderlverb bedacht war! Noch ein andrer EinWurf, Shakespeare
habe als Schauspieler und Schauspieldichter kein Vermögen erwerben können
und müsse daher, da er reich wurde, Wucherer gewesen sein, ist ganz haltlos-
Richard Burbage, Henry Coudell, auch Heminge erwarben sich als Schauspieler
Geld, Marlvwe, Greene, Peele als Schauspieldichter. Wenn die letztern es
dann auch wieder verschwendeten und arm starben, so beweist das nichts dagegen-

Aus den bisherigen Ausführungen ergiebt sich also, daß sich weder arw
dem, was wir von Shakespeares Leben wissen, noch aus dein, was wir nicht


Die Shakespeare-Bacon-Frage

ein Bewohner Stratfords Shakespeare um Geld angeht und dafür Sicherheit
zu geben sich erbietet, war dieser ein Wucherer! Ebenso, weil von ihm 1609
ein Schuldner wegen 6 Pfd. Sterl, 24 Schilling eingeklagt wurde! Die merk¬
würdigste Folgerung aber wurde daraus gezogen, das; 1604 der Dichter den
Philip Rogers verklagte, weil dieser die Summe von 1 Psd. Sterl. 15 Schilling
10 Pence für Malz, das ihm zu verschiednen Zeiten geliefert worden war,
nicht bezahlt hatte. Daraus schlossen nämlich einige der schlauesten Baconianer,
daß Shakespeare nicht nur Wucherer gewesen sei, sondern um noch mehr Geld
zu verdienen, in Stratford eine große Bierbrauerei errichtet habe. Freilich
sollte man denken, ein Bierbrauer hätte lieber sein Malz behalten, als es ver¬
kauft. Doch solche Einwände stören die Baconianer nicht, wenn es gilt,
Shakespeare herunterzusetzen. Es ist aber auch aus diesen wenigen Fällen gar
nicht abzuleiten, daß Shakespeare oft Geld verliehen habe. Die Familie Quiney
wurde später mit dem Dichter verschwägert und war damals jedenfalls schon
mit ihm befreundet. Würden außerdem die Stratforder einem bekannten
Wucherer ihren Zehnten verpachtet haben? Doch die Gegner Shakespeares
verlangen eben, daß er stets in höhern Sphären geschwebt, auf jeden Geld¬
erwerb, jede geschäftliche Ordnung und jeden geordneten Haushalt verzichtet,
und, da er an Jupiters Tisch speiste, alles Irdische verachtet habe. Aber
gerade bei andern großen englischen Dichtern machen wir die Entdeckung, daß
sie Gelderwerb ganz und gar nicht abgeneigt waren. Vhron lernte gar bald
das Geldfvrdern für seine Werke und strich hübsche Summen ein. Er ver¬
wendete dieses Geld allerdings nur zum geringern Teile für sich. Walter
Scott dagegen ist durchaus nicht von Geldgier freizusprechen. Wir denken hierbei
nicht an die Zeit, nachdem sein Verleger und Mitteilhaber am Geschäfte zu
Grunde gegangen war, fondern an frühere Jahre. Nicht nur, daß Scott die
untergeordnete Stellung eines (Api'K ol tuo Lonrt ol 8<Z88inen, weil sie
1300 Lstrl. jährlich eintrug, erstrebte, er entwickelte auch lauge vor 1826 eine
Hcrausgeberthätigkeit auf deu allerverschiedensten Gebieten, die uns an schlimme
Büchermacher erinnert. Auch urteilt er recht geringschätzig über Dichtkunst'
sie ist ihm mir ein Mittel, emporzukommen und Geld zu verdienen. Trotzdem
hat bisher noch niemand versucht, Scott seine Werke abzustreiten. Bei Shake¬
speare aber ist das eine ganz andre Sache: er konnte kein großer Dichter sein,
weil er auf Gelderlverb bedacht war! Noch ein andrer EinWurf, Shakespeare
habe als Schauspieler und Schauspieldichter kein Vermögen erwerben können
und müsse daher, da er reich wurde, Wucherer gewesen sein, ist ganz haltlos-
Richard Burbage, Henry Coudell, auch Heminge erwarben sich als Schauspieler
Geld, Marlvwe, Greene, Peele als Schauspieldichter. Wenn die letztern es
dann auch wieder verschwendeten und arm starben, so beweist das nichts dagegen-

Aus den bisherigen Ausführungen ergiebt sich also, daß sich weder arw
dem, was wir von Shakespeares Leben wissen, noch aus dein, was wir nicht


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[0242] Die Shakespeare-Bacon-Frage ein Bewohner Stratfords Shakespeare um Geld angeht und dafür Sicherheit zu geben sich erbietet, war dieser ein Wucherer! Ebenso, weil von ihm 1609 ein Schuldner wegen 6 Pfd. Sterl, 24 Schilling eingeklagt wurde! Die merk¬ würdigste Folgerung aber wurde daraus gezogen, das; 1604 der Dichter den Philip Rogers verklagte, weil dieser die Summe von 1 Psd. Sterl. 15 Schilling 10 Pence für Malz, das ihm zu verschiednen Zeiten geliefert worden war, nicht bezahlt hatte. Daraus schlossen nämlich einige der schlauesten Baconianer, daß Shakespeare nicht nur Wucherer gewesen sei, sondern um noch mehr Geld zu verdienen, in Stratford eine große Bierbrauerei errichtet habe. Freilich sollte man denken, ein Bierbrauer hätte lieber sein Malz behalten, als es ver¬ kauft. Doch solche Einwände stören die Baconianer nicht, wenn es gilt, Shakespeare herunterzusetzen. Es ist aber auch aus diesen wenigen Fällen gar nicht abzuleiten, daß Shakespeare oft Geld verliehen habe. Die Familie Quiney wurde später mit dem Dichter verschwägert und war damals jedenfalls schon mit ihm befreundet. Würden außerdem die Stratforder einem bekannten Wucherer ihren Zehnten verpachtet haben? Doch die Gegner Shakespeares verlangen eben, daß er stets in höhern Sphären geschwebt, auf jeden Geld¬ erwerb, jede geschäftliche Ordnung und jeden geordneten Haushalt verzichtet, und, da er an Jupiters Tisch speiste, alles Irdische verachtet habe. Aber gerade bei andern großen englischen Dichtern machen wir die Entdeckung, daß sie Gelderwerb ganz und gar nicht abgeneigt waren. Vhron lernte gar bald das Geldfvrdern für seine Werke und strich hübsche Summen ein. Er ver¬ wendete dieses Geld allerdings nur zum geringern Teile für sich. Walter Scott dagegen ist durchaus nicht von Geldgier freizusprechen. Wir denken hierbei nicht an die Zeit, nachdem sein Verleger und Mitteilhaber am Geschäfte zu Grunde gegangen war, fondern an frühere Jahre. Nicht nur, daß Scott die untergeordnete Stellung eines (Api'K ol tuo Lonrt ol 8<Z88inen, weil sie 1300 Lstrl. jährlich eintrug, erstrebte, er entwickelte auch lauge vor 1826 eine Hcrausgeberthätigkeit auf deu allerverschiedensten Gebieten, die uns an schlimme Büchermacher erinnert. Auch urteilt er recht geringschätzig über Dichtkunst' sie ist ihm mir ein Mittel, emporzukommen und Geld zu verdienen. Trotzdem hat bisher noch niemand versucht, Scott seine Werke abzustreiten. Bei Shake¬ speare aber ist das eine ganz andre Sache: er konnte kein großer Dichter sein, weil er auf Gelderlverb bedacht war! Noch ein andrer EinWurf, Shakespeare habe als Schauspieler und Schauspieldichter kein Vermögen erwerben können und müsse daher, da er reich wurde, Wucherer gewesen sein, ist ganz haltlos- Richard Burbage, Henry Coudell, auch Heminge erwarben sich als Schauspieler Geld, Marlvwe, Greene, Peele als Schauspieldichter. Wenn die letztern es dann auch wieder verschwendeten und arm starben, so beweist das nichts dagegen- Aus den bisherigen Ausführungen ergiebt sich also, daß sich weder arw dem, was wir von Shakespeares Leben wissen, noch aus dein, was wir nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/242>, abgerufen am 03.07.2024.