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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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Die Shakespeare - Bacon - Frage

Jahre wurde der Stadtrat (ick(>0.rinn.n) Johann Shakespeare von seinem Beitrag
zur Heeresrüstnng und von der Armensteuer durch den Und entbunden, ebenso
von einer neuen Heeressteuer vou 1579. 1578 wird endlich noch einer Schuld
Johanns an den Bäcker Satler gedacht. 1579 und 1530 veräußerte er auch
noch Teile seines Besitzes an Snitterfield, den er durch seiue Frau ererbt hatte.
Alle diese Vorgänge brauchen auf keine oder höchstens auf eine vorübergehende
Geldverlegenheit zu deuten. Der Landbesitz Asbies konnte verpfändet werden
wegen augenblicklicher Geldverlegenheit oder um andre Unternehmungen zu
fördern. 1580, also nachdem Snitterfield veräußert war, wollte Shakespeare
Asbies wieder zurückkaufen, und als der damalige Inhaber desselben Schwierig¬
keiten wegen der Zurückgabe machte, verklagte er diesen bei dem Kanzleigericht
lind leitete damit einen sehr kostspieligen Prozeß ein. Auch darf nicht über¬
sehen werden, daß Johann Shakespeare während dieser ganzen Zeit Mitglied
des Stadtrates blieb. Desgleichen wissen wir, daß er 1579 das Begräbnis
einer Tochter in der teuersten Weise Herrichten ließ. Ein armer Mann kann
er also nicht gewesen sein. Doch zu einer andern Zeit, 158K bis etwa 1590,
scheint sich Johann Shakespeare allerdings in größter Geldverlegenheit befunden
zu haben, wohl infolge des Prozesses, den er wegen Asbies führte, oder wegen
einer Bürgschaft, die er für seinen Bruder Heinrich geleistet hatte, oder endlich
weil sich ein allgemeiner Rückgang des Wollhandels in Stratford damals
geltend machte. Aber die bedrängte Lage der Familie Ende der achtziger Jahre
kommt für die Baconiauer nicht in Betracht, sie behaupten, daß die vom Jahre
1578 so schlimm gewesen sei, daß Johann seinen Sohn ans der Schule ge¬
nommen habe. Nehmen wir diese Angabe einmal als richtig an, so war Wil¬
helm damals vierzehn Jahre alt. Wenn aber damals ein Knabe mit vierzehn
Jahren eine Schule, auch eine Lateinschule verließ, so hatte dies gar nichts
auffälliges an sich; bezogen damals doch in diesem Alter manche Söhne schon
die Hochschule. In sieben Jahren konnte damals ein Schüler sehr wohl seine
ganze Schulzeit beenden, und Shakespeare konnte sich da alles von Latein, was
er überhaupt verstand, erwerben. Aber der Vater Wilhelms soll min seinen
Sohn entweder in sein eignes Geschäft genommen oder zum Eintritt in ein
andres gezwungen haben. Da wir zwischen Taufe und Hochzeit nichts von
des Dichters Leben wissen, wissen wir natürlich anch darüber nichts. Allein,
warum Shakespeare gerade Metzger geworden sein soll, sieht man nicht ein,
da sein Vater dieses Handwerk nicht trieb, wenn er auch manchmal Vieh, das
auf seinen Gütern gezogen war, selbst schlachten ließ. Es ist auch unglaublich,
daß Johann, der sicherlich ein kluger Mann war, nicht bedeutende Anlagen w
seinem Sohne sollte entdeckt haben und ihn daher nicht zu etwas anderm als
einem Handwerker sollte bestimmt haben. Würde dagegen jemand behaupten,
Wilhelm Shakespeare habe zu seiner weitern Ausbildung die Westminsterschn^
zu London besucht und dann die Hochschule zu Oxford oder Cambridge, s"


Die Shakespeare - Bacon - Frage

Jahre wurde der Stadtrat (ick(>0.rinn.n) Johann Shakespeare von seinem Beitrag
zur Heeresrüstnng und von der Armensteuer durch den Und entbunden, ebenso
von einer neuen Heeressteuer vou 1579. 1578 wird endlich noch einer Schuld
Johanns an den Bäcker Satler gedacht. 1579 und 1530 veräußerte er auch
noch Teile seines Besitzes an Snitterfield, den er durch seiue Frau ererbt hatte.
Alle diese Vorgänge brauchen auf keine oder höchstens auf eine vorübergehende
Geldverlegenheit zu deuten. Der Landbesitz Asbies konnte verpfändet werden
wegen augenblicklicher Geldverlegenheit oder um andre Unternehmungen zu
fördern. 1580, also nachdem Snitterfield veräußert war, wollte Shakespeare
Asbies wieder zurückkaufen, und als der damalige Inhaber desselben Schwierig¬
keiten wegen der Zurückgabe machte, verklagte er diesen bei dem Kanzleigericht
lind leitete damit einen sehr kostspieligen Prozeß ein. Auch darf nicht über¬
sehen werden, daß Johann Shakespeare während dieser ganzen Zeit Mitglied
des Stadtrates blieb. Desgleichen wissen wir, daß er 1579 das Begräbnis
einer Tochter in der teuersten Weise Herrichten ließ. Ein armer Mann kann
er also nicht gewesen sein. Doch zu einer andern Zeit, 158K bis etwa 1590,
scheint sich Johann Shakespeare allerdings in größter Geldverlegenheit befunden
zu haben, wohl infolge des Prozesses, den er wegen Asbies führte, oder wegen
einer Bürgschaft, die er für seinen Bruder Heinrich geleistet hatte, oder endlich
weil sich ein allgemeiner Rückgang des Wollhandels in Stratford damals
geltend machte. Aber die bedrängte Lage der Familie Ende der achtziger Jahre
kommt für die Baconiauer nicht in Betracht, sie behaupten, daß die vom Jahre
1578 so schlimm gewesen sei, daß Johann seinen Sohn ans der Schule ge¬
nommen habe. Nehmen wir diese Angabe einmal als richtig an, so war Wil¬
helm damals vierzehn Jahre alt. Wenn aber damals ein Knabe mit vierzehn
Jahren eine Schule, auch eine Lateinschule verließ, so hatte dies gar nichts
auffälliges an sich; bezogen damals doch in diesem Alter manche Söhne schon
die Hochschule. In sieben Jahren konnte damals ein Schüler sehr wohl seine
ganze Schulzeit beenden, und Shakespeare konnte sich da alles von Latein, was
er überhaupt verstand, erwerben. Aber der Vater Wilhelms soll min seinen
Sohn entweder in sein eignes Geschäft genommen oder zum Eintritt in ein
andres gezwungen haben. Da wir zwischen Taufe und Hochzeit nichts von
des Dichters Leben wissen, wissen wir natürlich anch darüber nichts. Allein,
warum Shakespeare gerade Metzger geworden sein soll, sieht man nicht ein,
da sein Vater dieses Handwerk nicht trieb, wenn er auch manchmal Vieh, das
auf seinen Gütern gezogen war, selbst schlachten ließ. Es ist auch unglaublich,
daß Johann, der sicherlich ein kluger Mann war, nicht bedeutende Anlagen w
seinem Sohne sollte entdeckt haben und ihn daher nicht zu etwas anderm als
einem Handwerker sollte bestimmt haben. Würde dagegen jemand behaupten,
Wilhelm Shakespeare habe zu seiner weitern Ausbildung die Westminsterschn^
zu London besucht und dann die Hochschule zu Oxford oder Cambridge, s"


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[0238] Die Shakespeare - Bacon - Frage Jahre wurde der Stadtrat (ick(>0.rinn.n) Johann Shakespeare von seinem Beitrag zur Heeresrüstnng und von der Armensteuer durch den Und entbunden, ebenso von einer neuen Heeressteuer vou 1579. 1578 wird endlich noch einer Schuld Johanns an den Bäcker Satler gedacht. 1579 und 1530 veräußerte er auch noch Teile seines Besitzes an Snitterfield, den er durch seiue Frau ererbt hatte. Alle diese Vorgänge brauchen auf keine oder höchstens auf eine vorübergehende Geldverlegenheit zu deuten. Der Landbesitz Asbies konnte verpfändet werden wegen augenblicklicher Geldverlegenheit oder um andre Unternehmungen zu fördern. 1580, also nachdem Snitterfield veräußert war, wollte Shakespeare Asbies wieder zurückkaufen, und als der damalige Inhaber desselben Schwierig¬ keiten wegen der Zurückgabe machte, verklagte er diesen bei dem Kanzleigericht lind leitete damit einen sehr kostspieligen Prozeß ein. Auch darf nicht über¬ sehen werden, daß Johann Shakespeare während dieser ganzen Zeit Mitglied des Stadtrates blieb. Desgleichen wissen wir, daß er 1579 das Begräbnis einer Tochter in der teuersten Weise Herrichten ließ. Ein armer Mann kann er also nicht gewesen sein. Doch zu einer andern Zeit, 158K bis etwa 1590, scheint sich Johann Shakespeare allerdings in größter Geldverlegenheit befunden zu haben, wohl infolge des Prozesses, den er wegen Asbies führte, oder wegen einer Bürgschaft, die er für seinen Bruder Heinrich geleistet hatte, oder endlich weil sich ein allgemeiner Rückgang des Wollhandels in Stratford damals geltend machte. Aber die bedrängte Lage der Familie Ende der achtziger Jahre kommt für die Baconiauer nicht in Betracht, sie behaupten, daß die vom Jahre 1578 so schlimm gewesen sei, daß Johann seinen Sohn ans der Schule ge¬ nommen habe. Nehmen wir diese Angabe einmal als richtig an, so war Wil¬ helm damals vierzehn Jahre alt. Wenn aber damals ein Knabe mit vierzehn Jahren eine Schule, auch eine Lateinschule verließ, so hatte dies gar nichts auffälliges an sich; bezogen damals doch in diesem Alter manche Söhne schon die Hochschule. In sieben Jahren konnte damals ein Schüler sehr wohl seine ganze Schulzeit beenden, und Shakespeare konnte sich da alles von Latein, was er überhaupt verstand, erwerben. Aber der Vater Wilhelms soll min seinen Sohn entweder in sein eignes Geschäft genommen oder zum Eintritt in ein andres gezwungen haben. Da wir zwischen Taufe und Hochzeit nichts von des Dichters Leben wissen, wissen wir natürlich anch darüber nichts. Allein, warum Shakespeare gerade Metzger geworden sein soll, sieht man nicht ein, da sein Vater dieses Handwerk nicht trieb, wenn er auch manchmal Vieh, das auf seinen Gütern gezogen war, selbst schlachten ließ. Es ist auch unglaublich, daß Johann, der sicherlich ein kluger Mann war, nicht bedeutende Anlagen w seinem Sohne sollte entdeckt haben und ihn daher nicht zu etwas anderm als einem Handwerker sollte bestimmt haben. Würde dagegen jemand behaupten, Wilhelm Shakespeare habe zu seiner weitern Ausbildung die Westminsterschn^ zu London besucht und dann die Hochschule zu Oxford oder Cambridge, s"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/238>, abgerufen am 03.07.2024.