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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr.

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spenres Venus und Adonis, 15)94 seine Lucretia. 1596 wurden Schritte von
der Familie Shakespeare gethan, ein Wappen zu erhalten und damit in die
zu kommen. 1597 kaufte Shakespeare New Place. das größte Besitztum
in Stratfvrd, an; 1598 nannte ihn Franz Merch in einem Werke I'nNmIi-
r-unia (Schatzhaus der Weisheit) deu bedeutendste" Dramendichter und treff¬
lichen lyrischen Dichter Englands. Für das Ende des Jahrhunderts steht es
"tho fest, daß Shakespeare bei seinen Zeitgenossen als vorzüglicher Dramen¬
dichter galt und daß er sich damals auch schon ein Vermögen erworben hatte.
Weiterhin findet sich nichts in diesen Angaben, was gegen Shakespeares Dichtar-
t'nus sprechen könnte. Die Geburt in eiueiu Landstädtchen, die frühe Ver¬
heiratung mit einem ältern Mädchen spricht so wenig dagegen als seine Über¬
siedelung nach London und seine Ländereikäufe. Die Erwähnung bei Merch
aber, sollte mau denken, dürfte doch für Shakespeare als Dichter sprechen.

Wo knüpfen um die Baconicmer ihre Behauptungen an, daß es feststehe,
Shakespeare sei zu ungebildet und zu wenig Dichter gewesen, um die bekannten
Werke verfassen zu können? Mancherlei Verdrehungen der Thatsachen, manche
unglaubliche Annahmen find nötig, um dazu zu gelangen. Zunächst nehmen
die Shnkespearegegner als Grundsatz an, die Bildung des Dichters sei ganz
"uiugelhaft gewesen. Erstlich habe die Stratforder Schule einen sehr niedern
Rang eingenommen, dann sei Shakespeare schon sehr früh daraus entfernt
worden. Für die letztere Ansicht fehlt es an irgendwelchen sichern Beweisen,
gegen die erstere haben U'ir bestimmte Gründe anzuführen. In Stratford war
Shakespeares Zeit eine sogenannte ^liunmar seliool, d. h. eine Lateinschule,
""de, wie manchmal lächerliche.rweise übersetzt wird, eine Abcschnle. Da der
Direktor einen Gehalt von 20 Pfd. Sterl. (etwa so viel wie 2400 Mark hente) er¬
hielt, während der von Eton nur 10 Pfd. Sterl. bekam, so sieht mau schon daraus,
die Schule nicht unbedeutend gewesen sein kann. Außerdem hören wir,
^ Kinder erst mit sieben Jahren in diese Schule aufgenommen wurden n"d
Lesens kundig sein mußten. Dies beweist gleichfalls, daß die Schule zu
Stratford auf keiner geringen Stufe stand. Aber Wilhelm Shakespeare soll
^ früh aus der Schule genommen worden sein, weil sein Vater ihn in seinem
Geschäfte gebraucht habe und überdies das Schulgeld uicht habe bezahle"
^"neu, da er sehr in seinen Vermögensverhältnissen heruntergekommen gewesen
^- Schulgeld war aber gar keins zu zahlein die Stratforder Lateinschule
für jede" Bürgerssohn frei. Richtig ist, daß sich Johann Shakespeare,
Dichters Vater, zu einer Zeit einmal in Geldverlegenheit befand. 1568
b's 1569 hatte er das höchste städtische Amt. das eines Bürgermeisters (lligli
LiMff) ^rseh^, anfangs der siebziger Jahre noch andre Ehrenämter. Da
^ damals der Stadt mehrmals Vorschüsse machte, so muß er wohlhabend ge-
^'sen sein. 1578 dagegen verkaufte er das Gut Asbies, das ihm seine Fron
zugebracht hatte, behielt sich allerdings das Rückkaufsrecht vor. In demselben


spenres Venus und Adonis, 15)94 seine Lucretia. 1596 wurden Schritte von
der Familie Shakespeare gethan, ein Wappen zu erhalten und damit in die
zu kommen. 1597 kaufte Shakespeare New Place. das größte Besitztum
in Stratfvrd, an; 1598 nannte ihn Franz Merch in einem Werke I'nNmIi-
r-unia (Schatzhaus der Weisheit) deu bedeutendste» Dramendichter und treff¬
lichen lyrischen Dichter Englands. Für das Ende des Jahrhunderts steht es
"tho fest, daß Shakespeare bei seinen Zeitgenossen als vorzüglicher Dramen¬
dichter galt und daß er sich damals auch schon ein Vermögen erworben hatte.
Weiterhin findet sich nichts in diesen Angaben, was gegen Shakespeares Dichtar-
t'nus sprechen könnte. Die Geburt in eiueiu Landstädtchen, die frühe Ver¬
heiratung mit einem ältern Mädchen spricht so wenig dagegen als seine Über¬
siedelung nach London und seine Ländereikäufe. Die Erwähnung bei Merch
aber, sollte mau denken, dürfte doch für Shakespeare als Dichter sprechen.

Wo knüpfen um die Baconicmer ihre Behauptungen an, daß es feststehe,
Shakespeare sei zu ungebildet und zu wenig Dichter gewesen, um die bekannten
Werke verfassen zu können? Mancherlei Verdrehungen der Thatsachen, manche
unglaubliche Annahmen find nötig, um dazu zu gelangen. Zunächst nehmen
die Shnkespearegegner als Grundsatz an, die Bildung des Dichters sei ganz
"uiugelhaft gewesen. Erstlich habe die Stratforder Schule einen sehr niedern
Rang eingenommen, dann sei Shakespeare schon sehr früh daraus entfernt
worden. Für die letztere Ansicht fehlt es an irgendwelchen sichern Beweisen,
gegen die erstere haben U'ir bestimmte Gründe anzuführen. In Stratford war
Shakespeares Zeit eine sogenannte ^liunmar seliool, d. h. eine Lateinschule,
""de, wie manchmal lächerliche.rweise übersetzt wird, eine Abcschnle. Da der
Direktor einen Gehalt von 20 Pfd. Sterl. (etwa so viel wie 2400 Mark hente) er¬
hielt, während der von Eton nur 10 Pfd. Sterl. bekam, so sieht mau schon daraus,
die Schule nicht unbedeutend gewesen sein kann. Außerdem hören wir,
^ Kinder erst mit sieben Jahren in diese Schule aufgenommen wurden n»d
Lesens kundig sein mußten. Dies beweist gleichfalls, daß die Schule zu
Stratford auf keiner geringen Stufe stand. Aber Wilhelm Shakespeare soll
^ früh aus der Schule genommen worden sein, weil sein Vater ihn in seinem
Geschäfte gebraucht habe und überdies das Schulgeld uicht habe bezahle»
^"neu, da er sehr in seinen Vermögensverhältnissen heruntergekommen gewesen
^- Schulgeld war aber gar keins zu zahlein die Stratforder Lateinschule
für jede» Bürgerssohn frei. Richtig ist, daß sich Johann Shakespeare,
Dichters Vater, zu einer Zeit einmal in Geldverlegenheit befand. 1568
b's 1569 hatte er das höchste städtische Amt. das eines Bürgermeisters (lligli
LiMff) ^rseh^, anfangs der siebziger Jahre noch andre Ehrenämter. Da
^ damals der Stadt mehrmals Vorschüsse machte, so muß er wohlhabend ge-
^'sen sein. 1578 dagegen verkaufte er das Gut Asbies, das ihm seine Fron
zugebracht hatte, behielt sich allerdings das Rückkaufsrecht vor. In demselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Zweites Vieteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207294/237>, abgerufen am 01.07.2024.